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Robert, Carl [Hrsg.]; Matz, Friedrich [Hrsg.]; Andreae, Bernard [Hrsg.]; Robert, Carl [Hrsg.]
Die antiken Sarkophagreliefs (3,2): Einzelmythen: Hippolytos - Meleagros — Berlin, 1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.12013#0076
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230

MARS UND RHEA

Gruppe der zweiten Classe der Endymion-Sarkophage
III 6l. 62 (vgl. auch 4g. 50. 58), in der Action aber dem
auf der dritten Classe z. B. III 711—80. Vgl. auch den
Somnus auf dem vaticanischen Ariadne-Sarkophag (E. Qu.
Visconti // Museo Pio-Clementino V 8). Das Motiv des
Umblickens aber ist dem Hymenaeus derselben Classe von
Endymion-Sarkophagen (III 73. 77. 7g. 80) entnommen, so
dass in dieser Gestalt eigentlich Somnus und Hymenaeus
combinirt sind. Singular ist die natürlich gleichfalls mit
Schlafsaft gefüllt zu denkende Schale in seiner Linken, statt
deren er sonst den Mohnstengel zu tragen pflegt (vgl.
auch igo).

In denselben Dimensionen wie Mars und Rhea Silvia
ist die Göttin gebildet, die weiter rechts oben auf einem
prachtvollen Sessel sitzt, dessen Rücklehne von einem auf
zwei korinthischen Pfeilern ruhenden Giebel bekrönt wird
(s. Fig. 188'). Sie trägt einen feinen hochgegürteten Chi-
ton, der von der linken Schulter herabgeglitten ist, um
den Unterkörper einen Mantel, dessen einer Zipfel über
die linke Armlehne emporgezogen ist und ihrem Arm als
Unterlage dient, an den Füssen Sandalen und auf dem
Haupte Diadem und Schleier. Die Rechte stützt sie auf
ein Scepter, dessen unterer Theil antik ist. Neben ihrem
rechten Knie steht ein kleiner geflügelter A m o r mit Chla-
mys über der linken Schulter. Seinen rechten Unterarm
lässt der Ergänzer auf dem Knie der Göttin ruhen, womit
wahrscheinlich das Richtige getroffen ist. Unsicherer ist
die Ergänzung des linken Arms, den der Restaurator mit
bedeutsam ausgestrecktem Zeigefinger erhoben sein lässt.
Die Blicke des Amor sind auf Rhea Silvia gerichtet.
Schon die Gegenwart dieses Amor an dieser Stelle be-
weist, dass in der Göttin nicht Iuno, sondern Venus, die
göttliche Ahnfrau der Rhea Silvia, zu erkennen ist, was
durch den Vergleich mit igo noch weiter bestätigt werden
wird. Ueber dem Amor erscheint ein Tempel mit vier
korinthischen Säulen an der Front und einem Kranz im
Giebel. Links neben diesem sitzt auf einem plastisch nicht
angegebenen Felsen Vulcan im Pileus und einem von der
linken Schulter herabfallenden, über dem linken Ober-
schenkel geworfenen Mantel; mit dem linken Arm scheint
er sich auf eine Felserhöhung- zu lehnen; in die rechte
Hand hat ihm der Restaurator eine grosse brennende
Fackel gegeben, welche Ergänzung durch das am oberen
Rande erhaltene Ende der Flamme sowie durch den Ver-
gleich mit igo als richtig gesichert ist. Ueber seinem
rechten Arm sind auf einem Felsen eine stehende und
eine gelagerte Ziege angebracht.

Die Figur der Venus macht durchaus den Eindruck
eines Cultbildes, und nach bekannten Analogien auf römi-
schen Denkmälern ist man zu der Annahme berechtigt,
dass der Tempel neben ihr eine Miniatur-Nachbildung
des Heiligthums ist, in dem sich dieses Cultbild befand.

Wenn der auf der andern Seite des Heiligthums sitzende
Vulcan vielleicht den Gedanken an den Tempel des Mars
Ultor nahe legen könnte — stat Venus Ultori iuncta. vir
ante fores Ovid. Trist. 296 •—■ so würde dieser Einfall
gerade durch den citirten Ovid-Vers widerlegt werden,
nach dem die Cultbilder dieses Tempels Standbilder waren.
Von allen in Rom befindlichen bedeutenderen Cultbildern
der Venus, die natürlich allein in Frage kommen können., ist
nur die Venus in Hadrian's Tempel der Venus und Roma
als Sitzbild bezeugt (D10 Cassius 69, 4. 5). An diese zu
denken liegt aber ausserordentlich nahe. Nicht nur weil
gerade diese Form der römischen Venus als Patronin der
Erzeugung des Romulus und Remus von vornherein ge-
geben war und die Darstellung des Sarkophags in offen-
barer Abhängigkeit von der uns in einer Reliefnach-
bildung erhaltenen Giebelgruppe des Tempels steht (s. oben
S. 227), sondern auch weil der hier vorliegende deutlich
in Anlehnung an attische Aphrodite-Statuen des fünften
Jahrhunderts1) geschaffene Venustypus unverkennbar den
Stempel der Hadrianischen Periode trägt und sich sowohl
in seiner Gesammtanlage als in jedem Detail (vgl. auch
igo) als genaues Gegenstück zu der Roma auf dem Bar-
berinischen Gemälde (G. Körte Archaeologische Zeitung
XLIII 1885 Taf. 4 S. 23 ff.) darstellt, das mit von Duhn
Antike Bildwerke in Rom III S. 242 Nr. 4111 als Copie des
Cultbildes der Roma in jenem Hadrianischen Tempel wohl
unbedenklich in Anspruch genommen werden darf. Dieselbe
Venusstatue des Hadrian scheint auch für die Phaedra auf
164. 165 das Vorbild gewesen zu sein; vgl. S. 205. Dass
der achtsäulige Tempel auf dem Sarkophage zu einem vier-
säuligen geworden ist, entspricht so sehr der auf römischen
Bildwerken üblichen Manier bei der Wiedergabe grösserer
Gebäude, dass es keiner Rechtfertigung bedarf. Die Figur
des Vulcan aber gehört nicht zu der Venus und ihrem
Tempel, sondern zu Rhea Silvia, der Vestalin. Der Gott
des Feuers sitzt über der Hüterin des ewigen Feuers.

Unter Venus liegt ganz in Rückenansicht, das linke
Bein unter das rechte geschlagen, Tellus; vgl. die nur
nach der andern Seite gewandte Tellus auf den Endymion-
Sarkophagen III 71*. 75. 78. 801. Der Ergänzer hat das
Gesicht viel zu sehr ins Profil gestellt; nur der Wangen-
Contur durfte sichtbar sein; offenbar blickte sie zu Venus
empor. Der Oberkörper ist nackt; die Beine werden von
einem Mantel bedeckt, dessen einer Zipfel über die rechte
Schulter geworfen ist. In der Linken hält sie ein Füllhorn
mit Früchten, mit dem sich ein kleiner geflügelter Amor
zu schaffen macht; vgl. III 77. 80. Ein zweiter Amor,
dessen Beinchen auf die rechte Schmalseite Fig. 188 b
übergreifen (vgl. Fig. 188' im Text), schwebt aus der

') Vgl. z. B. Monumenti deW Institute XII tav. 9, und dazu Preller
Griechische Mythologie I4 S. 508 A. 3; Robert Votivgemälde eines Apo-
baten S. 7 A. 17.
 
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