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Robert, Carl [Hrsg.]; Matz, Friedrich [Hrsg.]; Andreae, Bernard [Hrsg.]; Robert, Carl [Hrsg.]
Die antiken Sarkophagreliefs (3,2): Einzelmythen: Hippolytos - Meleagros — Berlin, 1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.12013#0091
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TAFEL LXIII 196

245

Zeichnung bei dal POZZO (XVIII 98) befand sich das Stück am An-
fang des 17. Jahrhunderts im Besitz des Sign. Ottavio CäPRANICA1).
Es kann daher nicht zweifelhaft sein, dass es einst einen Bestandtheil
der alten Sammlung Valle-Capranica gebildet und zu den elf Sar-
kophagen gehört hat2), die bei dem Verkauf im Jahre 1584 den drei
Brüdern Capranica verblieben (Michaelis Jahrbuch des Archaeo-
logischen Instituts VI 1891 S. 233 Nr. 113). In dem damals aufge-
stellten Inventar [Documenti inediii per servire alla storia dei Musei
d'Italia IV p. 377 jjr.; Gotti Le Gallerte ed i Musei di Firenze
^75 p-$bbss.) wird der Sarkophag zwar nicht besonders erwähnt,
vermuthlich weil die mythologischen Kenntnisse des Verfassers zur
Deutung der Darstellungen nicht ausreichten, aber er verbirgt sich
wohl unter den undice faccie di pili di piü sorte (Doc. ined. a. a. O.

379). Auch dass er im Inventar der Raccolta Barberini von 1738
[Doc. incd. IV igss.) fehle und also erst später in den Besitz
der Barberini gelangt sei, ist eine übereilte Annahme. Er kann
sehr wohl entweder mit der urna sepolcrale istoriata con diverse
ligure a.a.O. 39), auf der der jetzt in Pal. Sciarra befindliche
Dionysos lag (Matz und von DuHN Antike Bildwerke in Rom
I S. 94 Nr. 360), oder mit der urna sepolcrale istoriata di bassi
rilicvi rappresentanti diverse figurc (a. a. O. p. 46) identisch sein, die
eine nicht zugehörige gleichfalls nach Pal. Sciarra gekommene
Deckelfigur trug (Matz und von Duhn a.a.O. S. 479 Nr. 3415).
Jedenfalls ist es im höchsten Grade wahrscheinlich, dass der Sarko-
phag zu derselben Zeit aus Pal. Valle-Capranica nach Pal. Barberini
gekommen ist wie 230 a; s. dort.

Alte Zeichnungen: coburgensis Fol. 115 Nr. 155 Fig. 196' —
dal Pozzo Windsor XVIII Fol. 98 „dal Sigr. Ottavio Capranica" (auf
dem Papier ergänzt). Das linke Drittel dieser Zeichnung Fig. 196";
Windsor VIII 21 (gleichfalls auf dem Papier ergänzt) Fig. igö'".

Abbildungen: Gerhard Antike Bildwerke 1828 Taf.LXXXV2
(rechts unvollständig). Danach das linke Drittel Müller-Wieseler
Denkmäler der alten Kunst II 1856 Taf. 41, 492.

Litteratur: Inventario della Raccolta Capranica 1584 [Docu-
menti inediti a.a.O.; Gotti a.a.O.); Winckelmann Description des
pierres gravees du feu Baron Stosch 1760 65; Ders. Monumenti
antichi inediti 1767 p. 20 (beide Male mit Berufung auf dal Pozzo
XVIII); Gerhard Prodromus 1828 S. 325f.; Müller-Wieseler
a.a.O. S. 42; Michaelis a.a.O. 326 (C); Stephani Compte rendu
pour 1862 1863 S. 86. S. 92; Michaelis Archaeologische Zeitung
XXXII 1874 S. 67; Matz und von Duhn Antike Bildwerke in Rom
1881 II S. 361 Nr. 3158; Overbeck a.a.O. S. 456 Nr. 7; Robert
Der Pasiphae-Sarkophag (Vierzehntes Hallisches Winckelmannspro-
gramm) 1890 S. 13; Petersen Mittheilungen des Römischen archaeo-
logischen Instituts VI 1891 S. 374 A. 1.

') Ottavio Capranica ist Anfang des Jahres 1612 oder frühstens
Ende 1611 gestorben, da seine Söhne Camillo und Asdrubale am
25- Februar 1612 die väterliche Erbschaft antreten. Ich entnehme diese
Notiz dem Stammbaum der Familie Capranica Fol. 89 r, in den ich
Dank der Liebenswürdigkeit des Marchese Alessandro Capranica Ein-
sicht nehmen durfte. Die im XIV. Hallischen Winckelmannsprogramm
1890 S. 12 f. aufgestellte Hypothese, dass Bd. XVIII Windsor von dem
1611 in Rom eingetroffenen Cassiano dal Pozzo selbst herrühre, ist
also chronologisch gerade noch möglich.

2) Dies ist im XIV. Hallischen Winckelmannsprogramm S. 13 mit
Unrecht in Abrede gestellt worden.

Auf der Vorderseite Fig. ig6 tragen vier lockige
Amoren eine mächtige Guirlande. Diese Amoren sind
durch die unter ihren Füssen angebrachten Attribute als
die Vertreter der vier Jahreszeiten characterisirt. Der
Amor an der rechten Ecke, der sein volles Kindergesicht
dem Beschauer zuwendet, setzt den rechten Fuss auf ein
kleines Böckchen, den Leckerbissen im Frühling; vgl. Bd. II
S. 5 die Berliner Glaspaste; das Thierchen ist Fig. 196'.
Fig. 196'", fälschlich als Hase gezeichnet und auch von
Duhn ist in denselben Irrthum verfallen. Der zweite Amor,
der im Profil nach links steht, tritt mit dem rechten Fuss
auf einen Korb mit Aehren Fig. 196'. Fig. 196'", ist also
der Sommer. Ihm zugewandt folgt im Profil nach rechts
der Herbst, unter dessen linkem Fuss ein Korb mit Trau-
ben liegt. Endlich an der linken Ecke der Winter; er
wendet den Kopf nach links zurück und stemmt sich mit
dem linken Fuss auf einen Hasen, der sich duckend er-
schreckt den Kopf zu ihm emporkehrt. Dieselbe Symbolik
ist bei den Bestandteilen der Guirlande durchgeführt, die
nach der Reihenfolge der Jahreszeiten die characteristischen
Blumen und Früchte vor den Augen des Beschauers ent-
faltet. Der vom Frühling getragene Theil besteht aus
Glockenblumen und Narzissen, wo sich aber die Guirlande
der linken Schulter des Sommers nähert, folgen Aehren,
die auch von dessen rechter Schulter herabhängen. Darauf
nochmals Narzissen, in der Mitte der gfanzen Guirlande
Trauben, dazwischen zuerst Granaten, dann Feigen, end-
lich an der linken Schulter des Herbstes Aepfel. Darauf
kommen im absteigenden Theil des letzten Drittels Epheu
mit Dolden, Pinienzweige mit Pinienäpfeln, und, wo die
Guirlande zur Schulter des Winters emporsteigt, Oelzweige
mit reifen Oliven.

In den durch die Guirlande gebildeten Segmenten sind
auf landschaftlichem Hintergrund drei Scenen des Marsyas-
Mythus angebracht. Zuerst links Minerva mit aufge-
blasenen Backen auf den von ihr erfundenen Flöten spie-
lend und dabei in einem Felsenquell ihr Spiegelbild
betrachtend. Dieses ist plastisch wiedergegeben, mit stark
karrikirten Gesichtszügen, über denen noch der vordere
Theil des korinthischen Helmes mit seinem Helmbusch er-
scheint, fälschlich von v. Duhn als langbärtiges zottiges
Gesicht bezeichnet. Die Gewandung der Göttin besteht
in einem ärmellosen Chiton mit gegürtetem Ueberschlag.
Hinter ihr steht ihr heiliger Oelbaum, vor ihr ist auf
dem höchstem Gipfel des Felsens, aus dem der Quell
hervorsprudelt, ihre Eule angebracht. Rechts von dieser
sitzt aufmerksam zuhörend die Magna Mater, die Göttin,
in deren Cult das neu erfundene Instrument seine grösste
Rolle zu spielen berufen ist. Sie stützt das Gesicht in
die rechte Hand und legt die Linke auf das Tympanum.
Bekleidet ist sie mit langem gegürtetem Chiton und einem
um den Unterkörper geschlungenen Mantel. Hinter ihr
 
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