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Robert, Carl [Hrsg.]; Matz, Friedrich [Hrsg.]; Andreae, Bernard [Hrsg.]; Robert, Carl [Hrsg.]
Die antiken Sarkophagreliefs (3,2): Einzelmythen: Hippolytos - Meleagros — Berlin, 1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.12013#0115
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EINTHEILUNG. DIE BEIDEN GRIECHISCHEN CLASSEN

269

152 S. 162 ff.; vgl. Benndorf a.a.O. S. 96 ff.) von dem
Polygnotischen Gemälde in Plataiai abhängig sind.

Für diese Originalcomposition, wie sie sich aus den
aufgezählten Bildwerken, von den Sarkophagen zunächst
abgesehen, reconstruiren lässt, sind folgende Züge charak-
teristisch: Atalante und Melanion waren ganz an die linke
Ecke.gerückt; Meleagros gab mit vorgehaltenem Jagdspiess
dem Eber den Fang-; Ankaios lag tödtlich verwundet am
Boden; über dem Rücken des Ebers war ein Jüngling mit
geschwungener Keule, vermuthlich Theseus, angebracht,
hinter dem Eber ein Jäger, der mit der Bipennis zum
Schlag ausholt. Alle diese Figuren kehren nun auch bei
der ersten griechischen Sarkophagciasse wieder, und zwar
fast genau in demselben Typus wie auf den beiden S. 268
in Textabbildung gegebenen Vasen. Nur ist die Figur des
Melanion mit einer geringfügigen Abänderung in der Mitte
vor dem Eber noch einmal wiederholt und hier zweifellos
als Meleagros gedacht, die Pose des Meleagros aber auf
einen bärtigen Jäger übertragen, der seinen Platz hinter
dem gestürzten Ankaios erhalten hat. Vielleicht ist er als
Peleus zu deuten, der ja nicht nur in dem archaischen
Typus, z. B. auf der Francoisvase, sondern noch in dem
Giebel von Tegea (Paus. VIII 45, 7) den Ehrenplatz neben
Meleagros hatte. Den die Composition rechts abschliessen-
den Jäger mit dem Beil wird man vielleicht zunächst ge-
neigt sein Ankaios zu benennen, für dessen Attribut diese
Waffe gilt; Euriptdes Meleagr. fr. 530, 5.?. (Nauck2) izzkk-
xsco; oe ötaTo[j.ov ysvuv ETiaXX' Af/aibc, danach Ovid. Met.
VIII 391, Gratius Cynegä. 67 s. (vgl. O. Jahn Bullcttino
deW Institute 1846 p. 132; Stephani Compte rendu pour
ig6j 1868 S. 76); auch auf Bildwerken führt er es,
wie in dem Giebel von Tegea (Paus. a. a. O.) und auf
dem tarentinischen Krater (s. S. 268). Der Gestürzte
vor dem Eber würde dann als Telamon gedeutet werden
können, der bei Statius Thcbais II 469 ff. gleichfalls vom
Eber zu Boden gestreckt wird, bei Ovid. a. a. O. 378 hin-
gegen nur über eine Wurzel stürzt und alsbald von seinem
Bruder Peleus wieder aufgerichtet wird, ein Motiv, das
man auf diese Stellen gestützt auch in der Gruppe des
tegeatischen Giebels TsXajj-wv xt xai Ü^Xsp? vermuthet hat.
Dennoch scheint die Deutung der Eckfigur auf Ankaios
nicht nur durch ihre Jugendlichkeit, sondern noch mehr
durch ihren Platz in Verbindung mit ihrer Action ausge-
schlossen. Denn dass dieser den Eber mit einem Beilschlag
auf den Rücken bedrohende Jüngling noch durch das bereits
von Meleagros und Peleus gestellte Thier verwundet werden
könnte, ist durch die Situation völlig ausgeschlossen. Und
doch gehört gerade der Tod des Ankaios zu den ältesten
und festesten Zügen der kalydonischen Jagd. Das Beil ist
aber um so weniger beweisend, als es auf dem melischen
Thonrelief (vgl. oben S. 268) sogar von Meleagros selbst
geführt wird. Auch hat die Vermuthung Surber's (Die

Meleagersage S. 103), dass erst Euripides dem Ankaios
dies Attribut verliehen habe, vieles für sich. Jedesfalls
findet man es als solches weder auf den schwarzfigurigen
Vasen noch überhaupt auf den voreuripideischen Bild-
werken, zu denen ja auch das Vorbild der ersten grie-
chischen Sarkophagciasse gehört. Der Maler der taren-
tinischen Vase aber kann es aus Euripides in die Com-
position seiner Vorlage eingeschmuggelt, der Verfertiger
des Giebels von Tegea aus demselben Dichter entnom-
men haben. Bei dieser Sachlage scheint es gerathen auf
eine Benennung der Eckfigur zu verzichten, dagegen den
Gefallenen vor dem Eber als Ankaios aufzufassen, wie
auch oben geschehen. Wie weit freilich die griechischen
Sarkophagarbeiter selbst sich der richtigen Benennung der
einzelnen Figuren noch bewusst waren, muss dahingestellt
bleiben; dennoch habe ich mich bei der Besprechung der
Kürze halber der Namen bedient, die den einzelnen Jägern
in der ursprünglichen Composition zuzukommen scheinen.
Einmal 217 ist an der linken Ecke auch Oineus ange-
bracht, wohl unter dem Einfluss der römischen Exemplare.
Die Schmalseiten und die Rückseiten weisen im Wesent-
lichen rein decorative Motive auf; nur 216a zeigt im Zu-
sammenhang mit der Vorderseite einen Jäger und einen
Hundewärter, 217 a dagegen zwei spielende Eroten.

Die zweite griechische Classe mit ihrer den ganzen
Reliefgrund verdeckenden Plgurenfülle ist bis jetzt nur
durch ein einziges vollständig erhaltenes Exemplar 220
vertreten. Mit der ersten Classe hat sie nur den Beil-
schwinger an der rechten Ecke gemein; dagegen hat der
Keulenschläger, der hier nach rechts gewandt und mit
einem Schild ausgestattet ist, mit dem Theseus der ersten
Classe kaum noch etwas zu thun. Meleagros erscheint in
mehr vorgebeugter Haltung, wie auf den römischen Exem-
plaren, denen auch wiederum der Oineus an der linken
Ecke entnommen ist. Charakteristisch sind namentlich die
beiden berittenen Dioskuren, die sich allerdings auch schon
auf dem tarentinischen Krater (s. die Textabbildung S. 2681
finden, jedoch in einem gänzlich verschiedenen Typus.
Ankaios hingegen fehlt. Auf den beiden Schmalseiten, die
eigentlich nur eine einzige auseinandergeschnittene Scene
bilden, lässt sich zum ersten Mal der Einfluss des Euri-
pideischen Dramas erkennen. Dargestellt ist der Moment
nach der Jagd; in der bei dieser Sarkophagciasse so be-
liebten Manier sind die Hauptfiguren zu einer Gruppe
verbunden, wobei es sich augenscheinlich um die Frage
nach dem Anrecht auf die Jagdtrophäe handelt. Die
Rückseite enthält zwei verschiedene Scenen: links ist man
mit dem Abladen der Jagdnetze beschäftigt, rechts wird
ein Hirsch gehetzt. Zu einem Sarkophag dieser Classe ge-
hört vielleicht auch die Schmalseite 241, auf der die Ver-
handlung über Atalantes Zulassung zur Jagd dargestellt
gewesen zu sein scheint. Hingegen kann der delphische
 
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