Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Robert, Carl [Hrsg.]; Matz, Friedrich [Hrsg.]; Andreae, Bernard [Hrsg.]; Robert, Carl [Hrsg.]
Die antiken Sarkophagreliefs (3,2): Einzelmythen: Hippolytos - Meleagros — Berlin, 1904

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.12013#0116
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
270

MELEAGROS

Sarkophag ('E'f/)fi.£pt<; dp-/aiolo'ir/:q 1842 nr. 1026), der nach
langer Verschollenheit jetzt bei den französischen Aus-
grabungen wieder zu Tage getreten ist und von dem
mir durch Homolle's Freundlichkeit eine ausgezeichnete
Photographie vorliegt, mit der kalydonischen Jagd nichts
zu thun haben, da auf seiner Vorderseite zwei verschiedene
Eber dargestellt sind. Er ist daher aus der Reihe der
Meleagros-Sarkophage auszuschalten; seine richtige Deu-
tung ist noch nicht gefunden.

Unter den römischen Sarkophagen nehmen fünf
Exemplare 21g und 221—224 eine Sonderstellung ein.
Sie sind nämlich offenbar stark von griechischen Sarko-
phagen beeinflusst, und zwar 219 von solchen der ersten,
221 — 224 von solchen der zweiten Classe. 219 ist späte
provinziale Arbeit; der Verfertiger hat ausser seinem grie-
chischen Vorbild noch mindestens einen römischen Meleager-
Sarkophag benutzt und die Elemente beider Compositionen
in eigentümlicher Weise mit einander vermengt, ja so-
gar Figuren vom Deckel seiner römischen Vorlage in die
Jagdscene eingeschmuggelt. Auf der linken Schmalseite
hat auch er die Scene nach der Jagd dargestellt, jedoch
in ganz anderem Typus, als auf 220; auf der rechten
ist eine Löwenjagd angebracht. 221—224 haben mit ihren
griechischen Vorbildern vor allem die beiden berittenen
oder von ihren Pferden abgesprungenen Dioscuren gemein,
die sie jedoch zu beiden Seiten des Ebers vertheilen.
Ueberhaupt ist für diese kleine Gruppe das Streben nach
strenger Responsion charakteristisch, das sich z. B. auch
in den symmetrisch componirten Eckfiguren ausspricht und
so sehr an die Compositionsweise etruskischer Urnen er-
innert, dass 223 bei Manchen für eine etruskische Arbeit
gegolten hat. Der Einfluss des Euripideischen Dramas
zeigt sich darin, dass Atalante nicht nur an der Seite
Meleagers, sondern dem Eber näher als dieser steht.
Singulär ist, dass Oeneus persönlich an der Jagd theilzu-
nehmen scheint. Dagegen fehlt meist Ancaeus wie auf der
griechischen Vorlage. Einmal 224 ist an die Jagdscene
noch eine zweite kleinere, auf dem Meleagros des Euripides
beruhende Scene angeschlossen, die Uebergabe des Eber-
kopfes an Atalante. Auf den Schmalseiten sind Jagddiener,
einmal auch 221a eine dramatische Episode aus einer
Löwenjagd des täglichen Lebens angebracht. Diese rö-
mischen Sarkophage sind nach dem auch schon im Ab-
schnitt Hippolytos befolgten Princip zu denjenigen grie-
chischen Sarkophagen gestellt, die ihre Vorbilder waren,
also 219 zur ersten, 221—224 zur zweiten griechischen
Classe.

Die specifisch römischen Sarkophage 225—2631
zerfallen in eine zweiscenige (225—240) und eine einscenige
Classe (242 — 2631), deren Grenzen indessen schwankend
sind. Ohne diese Scheidung vorläufig zu berücksichtigen,
betrachten wir zunächst die den beiden Classen gemeinsame

Jagdscene. In dieser finden sich merkwürdiger Weise zwei
Figuren, die auf dasselbe griechische Gemälde des fünften
Jahrhunderts zurückzugehen scheinen, wie die griechischen
Sarkophage, auf diesen aber weggelassen sind. Erstens ein
hinter dem Eber in Rückenansicht dastehender Jüngling,
der mit der Rechten einen Speer auf das Wild schleudert
und in der Linken einen oder zwei Reservespeere hält.
Diese Figur findet sich fast genau ebenso auf den beiden
oben (S. 268) im Text abgebildeten Vasen. Auf dem Fries
von Gjölbaschi ist sie etwas umgewandelt, indem sie dort
Helm und Schild und eine schurzartig um den Leib gewun-
dene Chlamys trägt. Auf den älteren Exemplaren 225(?).
226. 228 ist dieser Jüngling als Dioscur charakterisirt,
was er auf den genannten Vasen gewiss nicht ist und also
auch auf der Originalcomposition schwerlich war; auf allen
andern ist es ein gewöhnlicher nicht zu benennender Jäger.
Auf 228. 243C?}. 246 schleudert er statt des Speeres einen
Stein; auf 251 haut er mit einem Stecken auf den Eber
los; weggelassen ist er nur auf 235. 258 und den auch im
übrigen eine Sonderstellung einnehmenden späten Exem-
plaren 237. 239. 240. Zweitens ein ebenso constant die
rechte Ecke einnehmender Verwundeter, der die rechte
Hand auf eine ihm vom Eber in den rechten Oberschenkel
gerissene Wunde legt und sich mit der linken auf einen
Speer stützt. Das Urbild dieser Figur findet sich an
derselben Stelle auf dem melischen Terrakotta-Relief
(vgl. S. 268), darf also mit grosser "Wahrscheinlichkeit auf
dasselbe alte Gemälde zurückgeführt werden wie der
Speerwerfer. Aber während diese Figur auf dem Relief,
wohl im Einklang mit der Originalcomposition, ein Jüng-
ling ist, erscheint sie auf den Sarkophagen, abgesehen von
246 und 26o(?), wo für die Ausnahme besondere Gründe
vorliegen, stets bärtig. Nur auf 262 und den späten und
singulären Exemplaren 239 und 240 fehlt dieser Ver-
wundete. Zweimal 252 und 255 ist ein Jagddiener hinzu-
gefügt, der ihm die Wunde verbindet. Ebenso typisch wie
diese beiden Figuren ist ein mit ihnen eng verbundener
zweiter Verwundeter, der jedoch zu Boden gestürzt ist.
Meist ist er zwischen den Füssen des Speerwerfers (226.
228. 230. 231. 236. 242—244. 249—251. 255. 25g. 260),
seltener links von ihm angebracht (225. 232. 233. 247. 248.
252. 256 = 258). Fast stets ist er als ein älterer bärtiger
Mann gebildet; unbärtig erscheint er nur auf 228. 235. 236.
242. 252 und aus besonderen Gründen auf 260. Meistens
stützt er sich mit der linken Hand auf den Boden und legt
die Rechte auf den Oberschenkel, so dass seine Stellung im
Gegensinn der des sterbenden Galliers im capitolinischen
Museum ungefähr entspricht 225. 226. 230. 233. 235. 236.
242—244. 247—252. 256 = 258. Auch das Haupt ist in
der Regel, wie bei dieser Statue, nach rechts zur Erde ge-
neigt, nur auf 228. 231. 232. 236. 243. 24g ist es nach
links gewandt. Auf 228 stützt er sich mit der Linken,
 
Annotationen