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Robert, Carl [Hrsg.]; Matz, Friedrich [Hrsg.]; Andreae, Bernard [Hrsg.]; Robert, Carl [Hrsg.]
Die antiken Sarkophagreliefs (3,2): Einzelmythen: Hippolytos - Meleagros — Berlin, 1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.12013#0117
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DIE RÖMISCHEN CLASSEN DER JAGDSARKOPHAGE

271

auf 232 mit beiden Händen auf einen Speer; auf 231 hält
er ihn mit der auf dem Boden aufgestemmten Hand ge-
fasst. Auf 230. 255. 260 wird er von einem Genossen
gestützt und zwar ist er auf 255, wo auch seine Gewan-
dung ganz abweichend ist, nach rechts auf beide Kniee,
auf 260 rücklings hingesunken. Weggelassen ist diese
Figur auf 234. 246. 253. 254 (?). 262 und den späten
Exemplaren 237. 239. 240, auf denen auch der Speer-
werfer fehlt. Darüber dass einer dieser beiden Verwun-
deten Ancaeus zu benennen sei, herrscht unter den Inter-
preten ziemlich Einhelligkeit; nur darüber gehen die An-
sichten auseinander, ob diese Benennung dem stehenden
oder dem gestürzten Verwundeten zukomme. Für den
Stehenden lässt sich eigentlich nur der Vergleich mit
seinem Urbild, dem gleichfalls am rechten Schenkel ver-
wundeten und sich gleichfalls noch aufrecht haltenden
jugendlichen Jäger an der rechten Ecke des melischen
Reliefs (vgl. oben S. 268) geltend machen. Indessen ist
es keineswegs sicher, ob dieser wirklich Ankaios sein soll.
Denn ein verwundeter und doch nicht zu Boden gestürzter
Ankaios lässt sich sonst nirgends mit Sicherheit nachweisen
(vgl. auch S. 273f.). Viel besser begründet sind die An-
sprüche des gestürzten Jägers, denn wie Ankaios in der
archaischen Kunst unter dem Leib des Ebers langhin-
gestreckt am Boden zu liegen pflegt, so lassen ihn der
tarentinische Krater und, wenn wir oben S. 269 richtig ge-
deutet haben, die griechischen Sarkophage der ersten
Classe, beide vielleicht im Anschluss an eine Compositum
des fünften Jahrhunderts, vor dem Eber zu Boden gestürzt
sein, so dass gerade dieser Sturz für ihn charakteristisch
zu sein scheint. Noch grösser ist die Uebereinstimmung
mit dem Fries von Gjölbaschi Taf. VIII B 5 und dem Giebel
von Tegea Paus. VIII 45, 7; auf beiden Bildwerken ist der
Platz des Gestürzten, wie auf dem Sarkophage, hinter dem
Eber, der ihm also die Wunde beim Vorbeistürmen bei-
gebracht hat, und auf beiden stützt den Gefallenen ein
Jagdgefährte, nach Pausanias Epochos, wie auf 230. 255.
260, von denen wieder 230 die ursprüngliche Composition
am treuesten bewahrt zu haben scheint. Wenn wir somit
aus diesen Gründen den Namen Ancaeus dem gestürzten
Jäger vindiciren, so fragt es sich weiter, wie der stehende
Verwundete an der rechten Ecke zu benennen sei. Bei
Bakchylides V 117 s. erzählt Meleagros, der Eber habe ge-
tötet Äyxcxiov IjJtwv f ÄYeXaov cpspxa-cov xsoväW dSsX^euW (vgl.
Antoninus Liberalis 2); bei Apollodor I 8, 2, 6 ist der
Narne des zweiten Getödteten in tcpXo? verderbt. Aegius
hat daraus nach Ovio Met.Vlll 312 TXetis gemacht und
alle späteren Herausgeber, auch der letzte R. Wagner,
sind ihm darin gefolgt, schwerlich mit Recht, da Ovid
von einer Verwundung nichts berichtet. Aber auch mein
eigener Vorschlag (Hermes XXXIII 1898 S. 154) aus Bak-
chylides ÄfeXcio; für tcuXo? einzusetzen, entfernt sich zu

weit von der handschriftlichen Lesung, um plausibel zu
sein. Ovid Met. VIII 362.?. nennt ausser Ancaeus als das
erste Opfer des Ebers den Hippokratiden Enaesimus (vgl.
Hvgin fab. 173), lässt aber ausserdem noch Hippalmus
(oder Eupalamus, der Name ist verderbt), Pelagon und den
älteren Actoriden verwundet werden (V. 360s. V. 370.?.).
Mithin würde man zwischen Agelaus, Enaesimus und dem
sog. Hyleus zu wählen haben, wenn nicht noch eine
andere Möglichkeit zu erwägen wäre. Nach der ganzen
Stellung der Figur zu urtheilen, ist es nämlich durch-
aus nicht ausgemacht, dass die Schenkelwunde als tödt-
lich zu denken ist; vielmehr scheint zwischen der auf-
rechten Haltung dieses Jägers und der hilflosen Lage des
gestürzten Ancaeus ein beabsichtigter Gegensatz zu be-
stehen. Auf dem Fries von Gjölbaschi ist ausser den
beiden zu Tode Getroffenen, von denen Ankaios hinter
dem Eber von einem Genossen gestützt, der andere vor
dem Eber sterbend fortgetragen wird, noch ein dritter
Verwundeter dargestellt, der den linken Arm um den Hals
eines Genossen legend und sich mit der Rechten auf seine
Lanze stützend langsam davon schleicht (Taf. VII B 1), also
gleichfalls am Bein verletzt zu sein scheint, in jeder Hin-
sicht das Gegenstück zu dem Verwundeten an der rechten
Ecke der römischen Sarkophage und höchst wahrscheinlich
auch mit deren Vorbild, der rechten Eckfigur des melischen
Reliefs, identisch. Somit scheint die Meleagrossage des
fünften Jahrhunderts von der leichten, nicht tödtlichen Ver-
wundung eines kalydonischen Jägers gewusst zu haben,
dessen Name in unserer Ueberlieferung ausgefallen ist,
aber doch vermuthlich bei Euripides gestanden haben
wird. Die rechte Eckfigur der römischen Sarkophage ist
also für uns nicht zu benennen; denn ihr einen der bei
Ovid zur Verfügung stehenden Namen beizulegen, er-
scheint bedenklich, da diese bei den sonstigen Zeugen
nicht einmal als Theilnehmer an der Jagd erwähnt werden.

Nach diesen drei für die specifisch römischen Sarko-
phage besonders charakteristischen Figuren betrachten wir
die übrigen Jäger. Meleager und Atalante sind, wie
auf den römischen Umbildungen der zweiten griechischen
Classe 221—223, so gruppirt, dass Atalante sich im Ein-
klang mit der Version des Euripides dem Eber am nächsten
befindet; meist ist sie etwas höher gestellt und in etwas
kleineren Dimensionen gebildet, fast immer ist sie im Mo-
ment des Schusses dargestellt; nur auf 247 und 256(= 258)
ist sie im Begriff einen neuen Pfeil aus dem Köcher zu
nehmen, wobei sie ihr Gesicht dem Meleager zukehrt. Die
Melonenfrisur ist für sie beinahe typisch; nur auf 231. 234.
248. 254. 255 und wahrscheinlich 2631 ist das Haar im
Nacken zu einem Knoten aufgebunden. Ein einziges Mal,
auf dem ganz späten Exemplar 240, ist Atalante ausge-
lassen. Porträtzüge trägt sie nur auf 23g und 256 (= 258),
Meleager nur auf 239 und 240. Der Eber wird in der
 
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