Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Robert, Carl [Hrsg.]; Matz, Friedrich [Hrsg.]; Andreae, Bernard [Hrsg.]; Robert, Carl [Hrsg.]
Die antiken Sarkophagreliefs (3,2): Einzelmythen: Hippolytos - Meleagros — Berlin, 1904

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.12013#0135
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
TAFEL LXXIV— LXXVI DIE KALYDONISCHE JAGD 223. 224

289

beschrieben hat. Von Ergänzungen erwähnt er nur, dass man der
Atalante in der rechten Eckscene einen bärtigen Kopf aufgesetzt
hatte, vielleicht den des Reiters in der Mitte (s. Fig. 224'), der beim
Transport nach Frascati abgebrochen sein mochte. Jedesfalls war
die Restauration der Platte nicht durchgeführt, denn der Meleager in
derselben Scene war noch ohne Kopf. Im Jahre 1815 wurde das
Relief mit andern Antiken derselben Sammlung von John Russell
Herzog von Bedford für Woburn Abbey erworben; vgl. II S.48
zu 34. In diese Zeit müssen auch ihrem ganzen Stil nach die
jetzigen Restaurationen fallen, zumal die ergänzten Köpfe durchaus
englischen Typus tragen.

Alte Zeichnungen: coburgensis Fol. 54 Nr. 218. Fig. 224',
danach PlGHlANUS Fol. 255 Nr. 214. — dal Pozzo Windsor XVIII 47
[„ai Forcari").

Abbildungen: beger Meleagrides et Aetolia 1696 /. 19 nach
dem PlGHlANUS. — Outline Engravings and Descriptions of tJie
Woburn Abbey Marbles 1822 pl. 8.

Litteratur: ALDROVANDI a.a.O. (danach BoiSSARD Topographia
Romae I 1627 40); BEGER a.a.O. p. igss.; ZOEGA App. Fol. 11
Nr. 1; hunt in den Engravings a. a. O.; K. O. MÜLLER Göttingische
gelehrte Anzeigen 1827 S. 1843; Ders. Handbuch der Archaeo-
logie der Kunst 1830 § 413, 2; Catalogue of the Marbles, Bronzcs,
Terre-Cotte, and Casts in the Sculpture Gallery etc. in Woburn Abbey
1828 (1867) nr. 111; Waagen Kunstwerke und Künstler in England
und Paris II 1838 S. 557; Ders. Treasures of Art in Great Britain
1854 III p. 470; CüNZE Archaeologischer Anzeiger 1864 S. 211*;
Stephani a.a.O. S. 97 Nr. 28. S. 98; Matz a. a. O. p. 78 ss. (FF);
Michaelis Archaeologische Zeitung XXXII 1874 S.68; Ders. Ancient
Marbles in Great Britain 1882 p. 733 nr. 110; History and Descrip-
tion of Woburn and its Abbey. A new Edition. 1890 p. 21 nr. 110.

Die Darstellung auf dieser Vorderseite Fig. 224 zerfällt
in zwei Scenen, eine sehr ausgedehnte links, in der die
calydonische Jagd, und eine kleinere rechts, in der
Atalante und Meleager nach der Jagd vorgeführt
werden. In der Hauptscene links stimmen Meleager,
Atalante und der Eber mit den beiden ihn angreifenden
Hunden fast genau mit 222 überein. Zwischen den Beinen
des Meleager ein nach links laufender Hund (Fig. 224'),
den der Restaurator fälschlich sich niederducken lässt. Vor
Atalante ein jugendlicher Jäger in Tunica, einer auf der
rechten Schulter gehefteten Chlamys und Jagdstiefeln, der
die rechte Hand nach rückwärts hoch emporhebt und in
der vorgestreckten Linken ein Tuch hält, das vielleicht
grell gefärbt war und zum Aufscheuchen des Wildes
diente. Der über den Eber hinwegsprengende Reiter
ist beibehalten, aber aus dem Dioscuren ist hier ein be-
liebiger bärtiger Jäger geworden, der den Kopf tiefer
herabbeugt, als sein Ebenbild auf 221—223. Am meisten
entspricht er dem Dioscuren auf 221. Natürlich war der
rechte Arm mit senkrecht nach unten stossender Lanze zu
ergänzen. Vor ihm ein wie es scheint bärtiger (Fig. 224')
Jäger in derselben Tracht wie der Jüngling mit dem
Tuch; nach rechts laufend zieht er mit der linken Hand

seine Tunica ein wenig empor; die rechte scheint der
Restaurator richtig, vielleicht auf Grund antiker Ansatz-
spuren, die indessen nicht mehr zu constatiren sind, nach
rückwärts erhoben ergänzt zu haben, vgl. 219. Sein ge-
naues Pendant im Gegensinn ist der nach links bewegte
Jäger hinter Meleager, der auch in der Gewandung mit ihm
übereinstimmt. Die jetzige Ergänzung ist augenscheinlich
absurd. Der Coburgensis Fig. 224' lässt noch erkennen,
dass der linke Arm erhoben, der rechte aber gesenkt
war. Diese beiden als Gegenstücke gedachten Jäger
rahmen die Hauptscene ganz in derselben Weise ein,
wie die Eckfiguren von 221—223 die ganze Vorderseite,
woraus sich ergiebt, dass links keine weitere Figur mehr
gefolgt sein kann.

In der kleineren Scene an der rechten Ecke erkennt
man zunächst Atalante. Sie steht mit gekreuzten Beinen
da, ist mit geschürztem Chiton und Jagdstiefeln bekleidet
und hält in der Rechten den grossen Eberkopf, den ihr
Meleager als der Jagdkönigin übergeben hat. Vor ihr
steht ein kleiner ungeflügelter Amor, der eine Chlamys
und gleichfalls Jagdstiefel trägt. Den Kopf zu ihr empor-
hebend zeigt er mit der Rechten auf den Eberkopf, wäh-
rend die gesenkte Linke eine umgekehrte brennende Fackel
hält. Hinter ihm liegt, nach links gewandt, ein Häschen
am Boden, das der Zeichner des Coburgensis Fig. 224'
deshalb übersehen hat, weil es nur in ganz flachem Relief
gehalten ist. Atalante gegenüber steht Meleager. Die
Rechte stützt er auf die Hüfte, in die erhobene Linke
hat ihm der Restaurator gewiss mit Recht, vermutlich
auf Grund antiker Ansatzspuren, die man auf der Zeich-
nung des Coburgensis Fig. 224 noch zu erkennen glaubt,
einen Speer gegeben. Bekleidet ist er mit einer auf der
rechten Schulter gehefteten Chlamys. Der Körper ist
etwas von Atalante abgewandt, den Kopf aber scheint er,
nach den im Coburgensis Fig. 224' erhaltenen Spuren zu
schliessen, ihr zugekehrt zu haben. Rechts von ihm ein
sich duckender Hund, an dem der Kopf richtig, die Vor-
derbeine aber, wie der Coburgensis Fig. 224' zeigt, falsch
ergänzt sind. Zwischen dem Liebespaar steht ein Jäger in
derselben Tracht wie die Eckfiguren der Hauptscene. Sein
rechter Arm ist erhoben, die Hand machte wohl eine war-
nende Gebärde. Die Scene erscheint in sich vollständig ab-
geschlossen. Würde rechts noch eine weitere Figur, etwa
Oeneus, gefolgt sein, so hätte sowohl der Raumfüllung
als der Responsion wegen zwischen diesem und Meleager
noch eine Nebenfigur im Hintergrund eingesetzt werden
müssen, von der aber im Coburgensis Fig. 224' keine
Spur zu bemerken ist. Vielmehr ist in diesem rechts
deutlich Rand angegeben. Es kann daher nicht zweifel-
haft sein, dass die Platte auch rechts vollständig ist.

Rohe Arbeit aus der ersten Hälfte des dritten Jahr-
hunderts, etwa aus derselben Zeit wie 221.

73
 
Annotationen