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Robert, Carl [Hrsg.]; Matz, Friedrich [Hrsg.]; Andreae, Bernard [Hrsg.]; Robert, Carl [Hrsg.]
Die antiken Sarkophagreliefs (3,2): Einzelmythen: Hippolytos - Meleagros — Berlin, 1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.12013#0136
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290

MELEAGER

b) RÖMISCHE SARKOPHAGE,
o) ERSTE (ZWEISCENIGE) CLASSE.

Tafel LXXVII.

225) F. F. früher Rom, in der Cantina der Villa
Borghese, zur Zeit verschollen. Fig. 225. L. des ersten
Fragments 0,90, des zweiten 0,92. H. 0,85. Rh. 0,10.
Zeichnung von Eichler 1884.

ZoEGA App. Fol. 96 c Nr. 17 erwähnt im Giardinetto del Pal.
Borghese ein frammento di caccia Calidonia ctpp. come pare a una
facciata di sarcofago. Diese Notiz könnte sich ebenso gut auf 225
wie auf 228 beziehen, da auch andere der von Zoega im Gärtchen
des Palastes gesehenen Stücke um 1815 nach der Villa übergeführt
worden sind. Doch ist es ebenso gut möglich, dass beide Exem-
plare zu den Fragmenten gehören, die zu Montelatici's Zeit in
den Kellerräumen der Villa aufbewahrt wurden (Villa Borghese 1700
/. 306). Ueber diese Fragmente s. Bd. II S. 121. Um 1891 sind sie
sämmtlich an Stefano Bardini in Florenz verkauft worden.

Die beiden Fragmente Fig. 225 sind das linke und das
rechte Ende eines grossen Sarkophags, auf dem links der
Streit zwischen Meleager und Oeneus über Ata-
lantes Theilnahme an der Jagd, rechts die Jagd selbst
dargestellt war.

Die erste Scene wird links durch einen Thorbogen ab-
geschlossen; vor diesem steht König Oeneus in hoch-
gegürtetem Chiton mit Halbärmeln, Mantel und verbrämten
Stiefeln, in der Linken das Scepter. Er wendet sich etwas
nach links, dreht aber den Kopf nach rechts und scheint mit
der Rechten eine erregte Geberde zu machen. Neben ihm
Atalante in geschürztem Chiton, gürtelartig um den Leib
gelegter Chlamys und Jagdstiefeln, auf dem Rücken den
Köcher. Auf ihrer Brust erkennt man, von der linken Schul-
ter nach der rechten Hüfte laufend, noch den Ansatz des
Speeres, den sie mit der gesenkten Rechten und der hier
allerdings ungewöhnlich hoch erhobenen Linken quer vor
den Leib hielt; vgl. 226. 227a. 231. 233. 234. Rechts von
ihr sieht man einen gleichfalls in Vorderansicht gestellten
Mann, der mit einem Thierfell, anscheinend dem eines
Panthers, bekleidet ist. Er trägt in der gesenkten Linken
einen Speer und muss auch in der gleichfalls gesenkten
Rechten ein Attribut gehalten haben, von dem der Bruch
links von seinem rechten Knie herrührt. Hinter ihm ein
nach rechts laufender Hund. Trotz den etwas jugendlichen
Körperformen kann man in dieser Gestalt nur den sog.
Ancaeus, also in Wahrheit den Todesgott Orcus (s. oben
S. 274), erkennen, die einzige Figur, die auf den römischen
Meleager-Sarkophagen ein Thierfell trägt. Das verlorene
Attribut der rechten Hand wird demnach das Beil gewesen
sein, und vielleicht wird die den Speer tragende Linke zu-
gleich den Hund im Hintergrund an der Leine gehalten

haben. An derselben Stelle erscheint Orcus auf 229. Den
Speer führt er auch auf dem Alcestis-Sarkophag III 26
und auf dem zu diesem S. 32 verglichenen Hochzeits-
Sarkophag in San Lorenzo fuori le mura; vgl. oben
S. 274. Zur Linken des Orcus steht Meleager. Er ist
mit einer auf der rechten Schulter gehefteten Chlamys be-
kleidet. Sein rechter Arm ist gesenkt; vermuthlich wird
er, wie auf 226. 22g. 230. 236. 237, in beiden Händen
einen Speer gehalten haben.

Von der Jagdscene ist nur die rechte Hälfte erhalten.
Man sieht den aus seiner Höhle hervorbrechenden Eber;
vor ihm in bedeutend kleineren Dimensionen die auf
höherem Terrain heraneilende Atalante in geschürztem
Chiton und bogenförmig über dem Haupt flatterndem
Mantel, die gewiss, wie auf 227b. 231 u. ö., im Begriff war
ihren Bogen auf das Wild abzuschiessen. Ueber der Höhle
kniet ein Jäger in geschürztem Chiton und hoch aufflattern-
der Chlamys, der sich tief zu dem Eber herabbeugt und
vermuthlich mit der Rechten einen Stein auf ihn schleu-
derte, vgl. 231 u. ö. Unter seiner Brust sind an einem
aufragenden Zacken des Höhlenrandes zwei mit einander
spielende Eidechsen angebracht. Hinter der Höhle steht
in Rückenansicht ein mit der Chlamys bekleideter Jäger,
der mit der erhobenen Rechten einen Speerstoss gegen
den Eber führt und in der gesenkten Linken einen kleinen
Stein hält. Wie der Vergleich mit 226 a. 228 wahrschein-
lich macht, ist es einer der beiden Dioscuren. Hinter
ihm kommt ein Eichbaum zum Vorschein. Links von
ihm und einst durch seinen linken Unterschenkel theil-
weise verdeckt kniet der verwundete Ancaeus am Boden,
sich mühsam auf den linken Arm stützend, vgl. 230. 231;
bekleidet ist er mit einer gegürteten Exomis. Endlich
an der rechten Ecke der stehende Verwundete, der, wie
auf 226 a. 228 und sonst, die rechte Hand auf seine
Schenkelwunde gelegt und die linke auf einen Speer ge-
stützt haben wird, vgl. 230. 231; seine Gewandung besteht
in einer langen auf der rechten Schulter gehefteten Chla-
mys. Unterhalb von ihm bemerkt man am unteren Rande
das Stammende eines kleinen Bäumchens und darüber eine
sich emporringelnde Schlange.

Die weggebrochene linke Hälfte dieser Scene lässt
sich mit Hilfe von 230 und 231 einigermassen ergänzen.
Auf Atalante müssen zunächst Meleager und der zweite
Dioscur gefolgt sein; ob noch weitere Jäger, lässt sich
nicht entscheiden; doch ist es nicht wahrscheinlich.

Aus der Antoninenzeit.
 
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