Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
tion der Südwand, Apostelbüsten im flächigen Geranke laubumkräu-
seltener, sich kreuzender Eselsrückenbogen, wächst Schwäbisches mit
Oberrheinischem zusammen. Die Ostwand mit ihrem Schmuck in
gleichem Abstand langlaufender Dienste, zwischen denen gelegent-
lich Sockel und Baldachin ein Tabernakel bilden, verrät ihr Vor-
bild, die Stuttgarter und Eßlinger Portaldekorationen. Im übrigen
wird Lucas Böblinger kein zu großer Anteil zugesprochen werden
können
Daß die Motive nach Ueberlingen übersprangen, ist verständ-
lich. Im Rathaussaal dort, in Holz übersetzt, erhielt der fortlaufende
Wandschmuck ein spitzigeres Gesicht. Jakob Ruß^') zog hier
1493—94 eine Konsequenz spätester Atektonik: die Baldachinspit-
zen stoßen die flache Holzdecke wund, ohne eine entsprechende
Antwort, ein Zersplittern oder Ausweichen, zu finden. — An der
Kanzel des Ueberlinger Münsters offenbart sich ebenfalls schwäbi-
sches Empfinden
1486 formt Lorenz Lacher aus Heidelberg am Lettner der Eß-
linger Dionyskirche das reiche Stabwerk, das Hans Böblinger vor-
bildetet, und 1486—89 schafft er das Sakramentshaus im Chor^J.
Hier finden wir die erste Ausprägung des allgemeinen schwä-
bischen ausgebildeten Tabernakelstils.
Aus einem Haufen neben- und übereinandergeschachtelter Käst-
chen, die mit übergreifenden Deckeln versehn, sich lose und doch
nach strengen Gesetzen gruppieren '^), wächst der Stiel auf, der
schlanke Pfeiler, in der selbst wieder drei Tabernakel eingehöhlt
sind. Unter deren Konsolen wuchert es: Knospen aus Stein mit
wild sich ringelnden Blättern. Unter dem Schrein winden sich Fia-
len, kräuselt sich Laubwerk. Am Schrein selbst sind Tabernakel ein-
gelassen an den Pfeilern, und im vorspringenden Kranz feiert das
wurzel- und moosartige Gewirr Triumphe. Die vorspringenden und
in hohen Fialen endigenden Kielbogen sind nur Rahmen dafür. Bei
aller Wildheit bleibt das Gewirr beim Eßlinger Sakramentshaus
in einer Ebene; wie ein durchbrochener Vorhang vor einem zylindri-
schen Kernraum hängt es von den Bogen der Baldachine oberhalb
des Kranzes herab Der Eßlinger Kranz mit den besonders hoch-
ragenden Fialen erinnert an ein Hirschgeweih.

26) Rott, (Oberrheinische Meister im 15./16. Jahrh. Oberrheinische Kunst
1927/28 S. 98). — hält Ulrich Frey für den Hauptmeister.
27) Ludwig Volkmann, Jakob Russ.
28) Volkmann, a.a.O. möchte auch die Kanzel dem Russ zuerteilen.
29) Abb. Oberrheinische Kunst 1928. Taf. 33 und 35.
30) Wie an den Stegen der Gesprengepfeiler an Syfers Heilbronner
Altar. Über die Gesetze solcher Verjüngungen vgl. Überwasser, Spätgotische
Baugeometrie im Jahresbericht der öffentl. Kunstsammlg. Basel. 1927.
31) Besonders deutlich im Profil zu erkennen! Entsprechende Taben-
nakelbildung zeigt die Nische des Gipsers Konrad Wescher aus Stuttgart
hoch oben in der Westwand des südlichen Seitenschiffs der Heilbronner
Kilianskirche.

47
 
Annotationen