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54 Dir das. Er hat schon lange ein Auge auf Dich geworfen ... Und der Zenturio ist mir
begegnet. Gott Abrahams und Jakobs, was ein Mann! Ein Held! Eine Säule! Ein Leuchter der
Schönheit! Hihi! . . . Wenn Du wüßtest, wie er Dich liebt! O, er liebt Dich so, wie Dich noch
keiner geliebt hat! Er ist krank . . . krank ... er stirbt, sagt er, vor Sehnsucht nach Dir! . .
Ich könnte nicht so hartherzig sein . . . Aber Du, Du denkst nur an den Einen . . . den Einen,
den Du nicht haben kannst . . .
MIRJAM (die Hande im Schoß gefaltet): Zünde das Sandelholz an!
RECHA: Willst Du nicht essen?
MIRJAM: Zünde das Sandelholz und die Myrrhen an . . .
RECHA: Gott unserer Väter, Du hast noch nichts zu Dir genommen, seitdem Du aufgestanden.
Welch ein Kind! Du richtest Dich zu Grund! Lebst Du von Düften?
MIRJAM: Lebe ich? Wo er nicht ist, kann ich da leben? . . . Ich bin wie eine Blume, die
vom Fenster auf die Gasse gefallen ist. Er geht vorbei und hebt mich nicht auf . . . Wehe mir!
RECHA: Törin! Ist er der einzige Mann in Jerusalem? Es stehen viele Bäume im Garten
. . . und nun magst Du keines andern Frucht, weil Du von dem Einen nicht essen darfst?
MIRJAM: Hast Du ihm mein Brieflein gegeben?
RECHA: Habs ihm gegeben . . .
MIRJAM: Und?
RECHA: Er hat gelacht . . .
MIRJAM: Gelacht . . .
RECHA: Er hat gesagt: Wenn ich Lust habe, komm ich! Aber ich weiß noch nicht, .ob ich
Lust haben werde ... Und dabei wiegte er sich in den Hüften ... so spöttisch . . . Der
Unverschämte! Laß ihn laufen! Kümmere Dich nichts um ihn: Dann kommt er von selber!
MIRJAM: Ich habe die Männer von meiner Türe geschickt, da sie im Staube bettelten . . .
Jetzt stößt mich ein Mann in den Staub und jagt mich von seiner Türe ... O, er ist stark!
Es ist keiner wie er! Kein Mann in der Stadt! . . . Zu denken, daß sein lockiges Haupt nicht
zwischen meinen Brüsten ruht . . . Nein, ich will gar nicht . . .
(Zornig und verzweifelt sich auf ihr Lager werfend.)
Ich mag nicht mehr leben!
RECHA (für sich): Närrin! Äffin! . . . wenn Du noch vierzig Jahre älter bist, wirst Du kühler
sein! Es ist ein Mann wie der andere. Sie taugen alle nichts . . . (laut) So nimm doch
wenigstens eine Dattel oder eine Traube!
(Sie legt die Trauben und andere Früchte auf das Tischchen beim
Lager neben den Weinkrug und will mit dem Korb rechts ab.)
MIRJAM (sich aufrichtend): Zünde das Sandelholz an!
RECHA: Das Sandelholz . . .
 
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