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14 Über acht Tage, um die Mittagszeit kam der Herr Pate in die Hütte herein und brachte den
Pfarrer mit, und dieser trug das Taufzeug. Der alte Mann hob das Kindlein über das Tauf-
becken. Als der Pfarrer fragte: Wie wollet Ihr, daß das Kindlein heiße? sagten Vater und
Mutter eines Mundes: Samstag! Der Pate hätte vor Verwunderung schier das Kindlein ins
Taufbecken fallen lassen. Ehe er etwas sagen konnte, hatte der Pfarrer schon zugetauft. So
war nichts mehr zu machen. Das Knäblein hieß Samstag.
Wunderlicherweise hatte der Pate bisher keinem seiner Taufkinder ein Patengeschenk gegeben.
Nach der Taufe der ältesten Tochter hatte die Mutter, als der Pate und der Pfarrer schon
eine Weile fort waren, zu ihrem Manne gesagt: Er hat ihr nichts geschenkt, der alte Geiz-
kragen! Kaum hatte sie es ausgesprochen, so war ihr eine Maulschelle zugeflogen, daß ihr
Hören und Sehen verging. Seitdem hütete sie ihre Zunge.
Diesmal aber kam es anders als bisher. Ehe der alte Mann von dannen ging, sagte er: Heute
über sieben Jahre schicket Euere Kinder an den bestimmten Platz, morgens früh, sobald die
Sonne aufgegangen ist. Unter der großen Eiche will ich ihrer warten und jedem Kind sein
Patengeschenk verehren.
Der Vater und die Mutter begleiteten den alten Mann und den Pfarrer bis an den Anfang des
Waldes. Dann aber kehrten sie in ihre Hütte zurück.
Die Kinder aber wuchsen heran, alle gesund und lieb, und eines war schöner als das andere.
Da die Eltern oft die Namen verwechselten, zum Peter Jakob sagten und zum Jakob Peter,
zur Liese Hanne und zur Hanne Liese, so kamen sie überein, ihre Kinder alle nach den
Wochentagen zu heißen, deren Namen hinter ihren Geburtstagen standen; es geschah also, und
ihre eigentlichen Taufnamen wurden im Lauf der Zeit ganz vergessen. So hieß also die älteste
Tochter Sonntag, die zweite Montag, dann kamen drei Knaben, die hießen Dienstag, Mittwoch,
Donnerstag, das jüngste Mägdlein wurde Freitag genannt; Nesthäckchen aber hieß mit Fug
und Recht Samstag; denn es war auf diesen Namen getauft.
Sieben Jahre vergingen, und der Tag kam herbei, an dem die Geschwister ihr Patengeschenk
holen sollten.
Als die Sonne aufgegangen war, weckte die Mutter ihre Kinder, holte die Sonntagskleider aus
dem Schrank und hatte acht, daß sich die Kleinen auch wuschen und kämmten. Dann
schickten die Eltern ihre Sieben in den Wald hinein. Geht auf der breiten grünen Straße immer
gerade aus, sagte der Vater, so kommt ihr auf eine runde Wiese. Mitten darinnen steht ein
großer Eichbaum. Dort wird der Herr Pate Eurer warten.
Gebt ihm auch schön die rechte Hand! mahnte die Mutter die beiden Kleinen.
Ich bin begierig, was er ihnen geben wird, sagte sie dann zum Vater. Der Vater erwiderte:
Bis Mittag sind sie wieder hier.
Der Tag war sehr schön. Die Vöglein sangen auf den Zweigen der Bäume, und viele Blumen
standen am Weg. Die Kinder hatten sich an den Händen gefaßt und gingen in einer Reihe,
nach dem Alter geordnet. Die Straße war gerade breit genug. Wenn Sonntag, die der Sonne
 
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