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Badische Kunst: Jahrbuch d. Vereinigung Heimatliche Kunstpflege, Karlsruhe — 3.1905

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Krone-Wörner, Pauline: Rebmanns "Hohe Zeit": ein Stimmungsbild vom Kaiserstuhl
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https://doi.org/10.11588/diglit.52694#0099
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binden! Küfer Hans-Jakob!“ ruft er einem mit wuchtendem Schritt und breitem Lachen durchs
Hoftor tretenden Riesen entgegen, „Du mußt unser Geschirr rüsten!“
„Also ist bald Herbst?“ erwidert dieser.
„In drei Tagen!“
„Welt und Wetter, wie soll ich fertig werden?“
„Hast so viel Arbeit?“
„Das kannst denken. Es hat mich noch manch Einer zum Binden bestellt!“
„Aber mir bist zu Willen?“
„Verlaß dich drauf!“ ruft der Hüne, indessen die Nagelsohlen seiner Stulpstiefel schon auf den
Einlagesteinen der Fahrstraße knirschen. Das Hoftor ist offen geblieben und des Küfers Platz
nehmen andere Leute ein, die, wie er, den Gemeinderat ums Sitzungsresultat befragen wollten.
Zuvörderst sind da des Beisen (Tobias), die fleißigen Nachbarn. Dann kommt eine Witwe
mit ihren Anliegen.
„Dieter, wie ist es, tust mir mit deinen Ochsen den Herbst heim und trottest (kelterst) uns
den Roten (Wein)? Die Len und ich helfen dir dafür an deinem Teil herbsten.“
„Kriegst denn auch 'was in deinen Reben?“ fragt er wohlwollend.
„Wenig genug. Sie sind gar mager“, sagt sie kummervoll. Sie klagt immer, auch wenn’s nicht
gerade nötig wäre, denn ein Witweib darf um keinen Preis den Schein erwecken, als ob sie
leichtsinnig ins Leben lache.
Wer jetzt kommt, der Engelhardt nämlich, ein Bursche mit dem gequälten Gesichtsausdruck
eines Menschen, auf dem unentrinnbare Sorge lastet, ist anders. Der duckt sich nicht, wenn-
schon ihm das fremde Geld im tief verschuldeten Vatergut das Mark aus den Knochen saugt.
Für ihn gibt es lange Zeit seines Lebens ein Wort, das Zeit-, Haupt- und Umstandswort ist.
Das Wort heißt: „Zinsen zahlen“.
Er steift den Nacken: „Vetter Dieter, nehmt Ihr mich zum Büttenträger?“
Der Hausherr mustert den jungen Mann, der in blauer Hemdbluse lässig — kraftvoll steht, die
Jacke überm Arm und in der Faust eine mächtige Stange.
„Hast heut Nüsse geschwungen?“
„Ja“, antwortet er und spielt mit dem Holz, wie Schuljungen mit einem Federnhalter.
„So eine Schwing-Gerte kann nicht jeder auf den hohen Nußbäumen regieren.“
„Engelhardt sei nicht leichtsinnig. Gewarnt bist. Und dann sag’, wann schaffst deine eigene
Sache, wenn du am Tag uns hilfst?“
„Im Feierabend!“
„So recht! Willst gleich dableiben? Die halbe Nacht wird wohl keines von uns im Bett sein.“
Zehn Minuten später hatte das Stichwort: „Am Dienstag fängt der Herbst an“, die Spannung
des ganzen Dorfes in fiebrige Tätigkeit umgewandelt.

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