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das Kind liegt vor ihr am Boden. Die Gruppe ist mehr in den Vorder-
grund gerückt, die musizierenden Engel erscheinen zurückgedrängt,
halb hinter der Madonna verborgen. Hinter den Figuren aber dehnt
sich eine weite Landschaft, und die Symmetrie ist unmerklich verschoben.
Jeder dieser Unterschiede ist charakteristisch für Solario und deutet
auf diejenigen Punkte, an denen sich seine Eigenart entwickeln wird.
Vor allem ist das Feierliche aus dem Bilde geschwunden. Solarios
Madonna senkt den Kopf, sie blickt zu dem Knaben nieder, sie erhebt
die Hände nicht mehr so weit, daß sie fast senkrecht stehen, und alle
Bewegungen werden leichter. Hier und da überwiegt bereits dieNatur-
beobachtung die starr symmetrische Anlage der Komposition, so am
Kopfe, wo das weiße Tuch nur an einer Seite zu sehen ist und am
Saume des Halsausschnittes, wo es über das Kleid hinweg fällt. Das
Wichtigste aber bleibt das Kind. Alvise Vivarini legte es der Madonna
auf den Schoß, schlafend, den Kopf dem Beschauer zugewendet, so daß
man ihn ganz sehen konnte. Solario setzt an Stelle dieser einigermaßen
gezwungenen Haltung die reine Beobachtung der Natur, er trennt den
Knaben ganz von der Gestalt der Mutter, und dadurch, daß er ihn
wach und lebendig darstellt, verlegt er den Schwerpunkt des Ganzen
auf diese kleine, menschliche Figur im Gegensatz zu dem Komposi-
tionsschema des Vivarini, bei dem die große Geste der Madonna das
Wesentliche war.
Einige Einzelheiten sprechen in diesem frühen Werke bereits deut-
lich für Solario, so die Form der Hände, die kurz, mit kleinen, gelenk-
losen Fingern in den Unterarm übergehen, und die beispielsweise mit
der Linken der Katharina von 1499 eine sehr große Verwandtschaft
zeigen. Dazu kommt der Kopf des Kindes, der sich in mancher Hinsicht
nicht mehr so stark an das Vorbild anlehnt, für den sich aber bei Solario
eine ganze Entwicklungsreihe bis zur Madonna aus Murano hin zeigen
läßt: groß, mit hoher Stirn und kleiner, stumpfer Nase, viereckig und
mit Haaren, die an der Schläfe besonders weit zurücktreten; auch die
dicken, kurzgliedrigen Flände und Füße des Knaben weisen bereits
auf diejenigen des Kindes von 1495. Endlich die Landschaft. Sie
bleibt bei Solario sein ganzes Werk hindurch die gleiche, doch hat sie
hier ihre charakteristische Form noch nicht gewonnen. Die mehr in
den Vordergrund gerückten Felspartien, die Solario später verwendet,
fehlen, die Gebirge in der Ferne haben noch nicht die ruhigen Züge, auch
das Kind liegt vor ihr am Boden. Die Gruppe ist mehr in den Vorder-
grund gerückt, die musizierenden Engel erscheinen zurückgedrängt,
halb hinter der Madonna verborgen. Hinter den Figuren aber dehnt
sich eine weite Landschaft, und die Symmetrie ist unmerklich verschoben.
Jeder dieser Unterschiede ist charakteristisch für Solario und deutet
auf diejenigen Punkte, an denen sich seine Eigenart entwickeln wird.
Vor allem ist das Feierliche aus dem Bilde geschwunden. Solarios
Madonna senkt den Kopf, sie blickt zu dem Knaben nieder, sie erhebt
die Hände nicht mehr so weit, daß sie fast senkrecht stehen, und alle
Bewegungen werden leichter. Hier und da überwiegt bereits dieNatur-
beobachtung die starr symmetrische Anlage der Komposition, so am
Kopfe, wo das weiße Tuch nur an einer Seite zu sehen ist und am
Saume des Halsausschnittes, wo es über das Kleid hinweg fällt. Das
Wichtigste aber bleibt das Kind. Alvise Vivarini legte es der Madonna
auf den Schoß, schlafend, den Kopf dem Beschauer zugewendet, so daß
man ihn ganz sehen konnte. Solario setzt an Stelle dieser einigermaßen
gezwungenen Haltung die reine Beobachtung der Natur, er trennt den
Knaben ganz von der Gestalt der Mutter, und dadurch, daß er ihn
wach und lebendig darstellt, verlegt er den Schwerpunkt des Ganzen
auf diese kleine, menschliche Figur im Gegensatz zu dem Komposi-
tionsschema des Vivarini, bei dem die große Geste der Madonna das
Wesentliche war.
Einige Einzelheiten sprechen in diesem frühen Werke bereits deut-
lich für Solario, so die Form der Hände, die kurz, mit kleinen, gelenk-
losen Fingern in den Unterarm übergehen, und die beispielsweise mit
der Linken der Katharina von 1499 eine sehr große Verwandtschaft
zeigen. Dazu kommt der Kopf des Kindes, der sich in mancher Hinsicht
nicht mehr so stark an das Vorbild anlehnt, für den sich aber bei Solario
eine ganze Entwicklungsreihe bis zur Madonna aus Murano hin zeigen
läßt: groß, mit hoher Stirn und kleiner, stumpfer Nase, viereckig und
mit Haaren, die an der Schläfe besonders weit zurücktreten; auch die
dicken, kurzgliedrigen Flände und Füße des Knaben weisen bereits
auf diejenigen des Kindes von 1495. Endlich die Landschaft. Sie
bleibt bei Solario sein ganzes Werk hindurch die gleiche, doch hat sie
hier ihre charakteristische Form noch nicht gewonnen. Die mehr in
den Vordergrund gerückten Felspartien, die Solario später verwendet,
fehlen, die Gebirge in der Ferne haben noch nicht die ruhigen Züge, auch