VI
EINLEITUNG.
bekennen muß, daß hie und da noch dunkle Stellen übrig
geblieben sind, in denen es ihm beim besten Willen nicht
hat gelingen wollen, den Schleier zu lüften. Zum größten
Theile beruhen derartige Schwierigkeiten auf mangelhafter
Überlieferung der Texte. Namentlich war dieß der Fall im
ersten Büchlein; diese Dichtung weist verhältnissmäßig die mei
sten Punkte auf, welche die Kritik noch nicht zu bewältigen ge-
wusst hat. Daß die Anmerkungen zu den Liedern ausführlicher
und breiter ausgefallen sind als z. B. die zum Erec, hat darin
seinen Grund, daß die Lieder und Büchlein früher als jener er-
klärt wurden und ursprünglich dazu bestimmt waren, den ersten
Theil zu bilden und somit in die Sprache Hartmann’s einzuführen.
In Betreff des Titels «Erstes Büchlein», welchen das Zwie-
gespräch zwischen herze, und Up nach Haupt’s Vorgänge
führt, mag noch bemerkt werden, daß es vielleicht gerathener
gewesen wäre, statt dessen das Wort Klage zu setzen. In
V. 29—30 bedient sich der Dichter selbst dieses Ausdrucks:
daz was von Ouwe Hartman,
der ouch dirre klage began;
und im dritten seiner Lieder (V. 9—23) scheint er ebenfalls
darauf zu deuten, wenn er sagt:
nü ist min sselde niht so guot,
da von muoz ich ir klagen
mit sänge diu mich twanc,
und einige Verse weiter:
ez ist ein klage und niht ein sanc,
da ich der guoten mite
erniuwe miniu leit.
Überdieß ist der Ausdruck klage ein Lieblingswort höfischer
Dichter, zumal der Minnesänger, zur Bezeichnung von Lei-
den, Noth, Weh, vorzugsweise aber von Liebesnoth, Liebes-
weh (lamentatio')-, er ist daher dem Inhalte eines Gedichts
durchaus entsprechend, in welchem der Verfasser nach eigener
Aussage (V. 23 — 24) sine swcere klagete niwcm (=nur) in
sinem muote (=im Zwiegespräche mit sich selber, zwischen
sich und seinem Herzen). Auch von einem Werke Hildebert’s
von Tours (f 1132), welches rücksichtlich seines Inhalts wie
seiner Einrichtung mit dem hier in Rede stehenden manche
Ähnlichkeit hat, lautet der Titel: Querimonia et conflictus
carnis et Spiritus. Der Ausdruck büechelin bliebe vielleicht
füglicher für die eigentlichen Liebesbriefe aufgespart, wohin
z. B. das hier folgende sogenannte zweite Büchlein und die
EINLEITUNG.
bekennen muß, daß hie und da noch dunkle Stellen übrig
geblieben sind, in denen es ihm beim besten Willen nicht
hat gelingen wollen, den Schleier zu lüften. Zum größten
Theile beruhen derartige Schwierigkeiten auf mangelhafter
Überlieferung der Texte. Namentlich war dieß der Fall im
ersten Büchlein; diese Dichtung weist verhältnissmäßig die mei
sten Punkte auf, welche die Kritik noch nicht zu bewältigen ge-
wusst hat. Daß die Anmerkungen zu den Liedern ausführlicher
und breiter ausgefallen sind als z. B. die zum Erec, hat darin
seinen Grund, daß die Lieder und Büchlein früher als jener er-
klärt wurden und ursprünglich dazu bestimmt waren, den ersten
Theil zu bilden und somit in die Sprache Hartmann’s einzuführen.
In Betreff des Titels «Erstes Büchlein», welchen das Zwie-
gespräch zwischen herze, und Up nach Haupt’s Vorgänge
führt, mag noch bemerkt werden, daß es vielleicht gerathener
gewesen wäre, statt dessen das Wort Klage zu setzen. In
V. 29—30 bedient sich der Dichter selbst dieses Ausdrucks:
daz was von Ouwe Hartman,
der ouch dirre klage began;
und im dritten seiner Lieder (V. 9—23) scheint er ebenfalls
darauf zu deuten, wenn er sagt:
nü ist min sselde niht so guot,
da von muoz ich ir klagen
mit sänge diu mich twanc,
und einige Verse weiter:
ez ist ein klage und niht ein sanc,
da ich der guoten mite
erniuwe miniu leit.
Überdieß ist der Ausdruck klage ein Lieblingswort höfischer
Dichter, zumal der Minnesänger, zur Bezeichnung von Lei-
den, Noth, Weh, vorzugsweise aber von Liebesnoth, Liebes-
weh (lamentatio')-, er ist daher dem Inhalte eines Gedichts
durchaus entsprechend, in welchem der Verfasser nach eigener
Aussage (V. 23 — 24) sine swcere klagete niwcm (=nur) in
sinem muote (=im Zwiegespräche mit sich selber, zwischen
sich und seinem Herzen). Auch von einem Werke Hildebert’s
von Tours (f 1132), welches rücksichtlich seines Inhalts wie
seiner Einrichtung mit dem hier in Rede stehenden manche
Ähnlichkeit hat, lautet der Titel: Querimonia et conflictus
carnis et Spiritus. Der Ausdruck büechelin bliebe vielleicht
füglicher für die eigentlichen Liebesbriefe aufgespart, wohin
z. B. das hier folgende sogenannte zweite Büchlein und die