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L06

die letzten Tage deines Lebens vergiftet. Ihr habt aus
Unverstand gefehlt: ich aus Muthwillen. Euch straft
der menschliche Richter: Gott verzeiht euch! Mich
laßt der irdische Richter ungestraft: dafür straft mich
Gott. Hier liege ich. Mein Leib ist voller Schwä-
ren und Beulen. Meine Stimme lautet wie das Pfeif-
fen einer Schlange. Die Wundärzte schneiden mir
ein verfaultes Glied nach dem andern ab. Morgen
wollen sie den Nasenknorpel auslösen. Bald werden
mich die Würmer auffressen, ehe ich noch in die Erde
komme. Den linken Arm kapn ich vor Gichtbeulen
nicht rühren. Das letzte, was ich mit der rechten
Hand verrichte, ist, daß ich dir dieses schreibe. Es
tröstet dich vielleicht, zu wissen, daß der Verführer
elender ist, als die Verführte, der Betrüger Unglück,
licher, als die Betrognen- Deine arme Tochter war
die letzte von den vielen unschuldigen Seelen, die ich
der Wollust aufgeopfert habe. Wenig Tage, nach-
dem ich mit Hohngelächter über ihre Einfalt, daß sie
glaubte, ich würde wiederkommen und sie nachhohlen,
zum Regiment gieng, machte ich mich mit einer Gassen-
hure gemein, deren erster Verführer ich auch gewesen
war. Diese gab mir den verdienten Lohn, und steckte
mich mit einer garstigen Krankheit an. Mein Geblüt
hatte ich vorher schon durch mein unzüchtiges Leben ver-
dorben und alle Kräfte geschwächt. Die Krankheit
fraß also plötzlich um sich und setzte mich irr den abscheu-
lichen Zustand, darinn ich mich befinde. Alle Kunst der
Aerzte ist nun vergebens. Ich verfaule bey lebendi-
gem Leibe. Der Gestank, der von mir ausgehet, röd-
tet mich fast selbst. Alle Menschen fliehen vor mir,
wie vor der Pest. Und wenn ich so einsam und ver-
lassen da liege, ist mir immer, als hörte ich schon die Un-
glücklichen, die ich verführt habe, mit denen, die wieder
durch sie verführt worden, und den Eltern aller vor
dem
 
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