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Wesen und Wandlung

Die Dichtung zwischen zwei Weitkriegen

Leibesübungen:

Von „beschämenden" Sportniederlagen
und „peinlichen" Absagen

Der ungewöhnlich harte Winter, der bereits
im Oktober einsetzte und kein Ende nehmen
wollte, brachte im größten Krieg aller Zeiten
mit seiner Strenge, Dauer und überiülle an
Schnee Deutschland die einschneidendsten
Schwierigkeiten des jetzigen Weltenbrandes,
ja vielleicht seiner ganzen Kriegsgeschichte
überhaupt Front und Heimat haben nun alles
jre(cst ui,i über diese höheren Gewalten er-
folgreich hinwegzukommen. Daß der Sport
ebenfalls sein Scherilein dazu beisteuern
mU(t|.i, br-greiu jeder Einsichtige.

Do~:h wie in allen Lagern, hrtden wir in der
Leibesübungsgemeinde jene berühmte Gruppe
vor- HOprozenHgen, „Spajtie^e" genannt, die
nichts sehen als ihre Leidenschaft, die in die-
sem Falle heißt: Totaler Sport um jeden Preis.
Wir erkennen an, daß mit solchen Fanatikern
der Sport groß geworden ist, so groß, daß bei-
spielsweise Minister Dr. Frick bei den Polizei- j
meisterschalten 1941 in Kitzbühel das ehrende i
Wort prägte: „Heute noch über den Wert des j
Sports sprechen, hieße Eulen nach Athen tra- !
gen." Wie in der Politik konnte und kann eben !
eine gute Sache allein durch Fanatismus zu j
Sieg und endgültiger Bedeutung geiührt und j
der Platz an der Sonne gehalten werden. Müs- !
sen wir aber Fanatismus nicht mehr mit heili- \
gern Eiler, bedingungslosem Glauben und j
Streiten, sondern mit Blindwütigkeit überset- !
zen, so ist er von Übel.

Da wurde doch beispielsweise bei den zwei j
Niederlagen, die Deutschland 1941 und 1942 j
mit jeweils 1:2 im Fußball gegen die Helvetier \
in Kauf nehmen mußte, von „nationaler j
Schmach" gesprochen. „Das riesige Groß- !
deutschland verliert mit seiner Landesauswahl \
gegen die kleine Schweiz. Wie beschämend!" j
— „Jawohl. Dabei haben die Eidgenossen erst !
gegen Ungarn, Spanien und Portugal Schlap- \
pen hinnehmen müssen." — „Und gegen Däne- \
mark, mein Bester, dieses winzige Ländchen, !
nur 1:1 zu spielen, das ist wirklich keine Emp- i
lehlung, nicht wahr?" Wir wollen zur „Ent- ■
schuldigung" hier ganz absehen von dem, was !
der Fachmann einzuwerfen hat: Dänemark '.
war 1941 Europas erfolgreichste Landesvertre- ■
tung im Fußball; die neutrale Schweiz erlitt •
ihre Verluste ohne einige ihrer Spitzenkönner, !
die gegen Deutschland wieder eingesetzt [
waren, sie strengt sich, vor allem auf eigenem \
Boden, gegen das Hakenkreuzbanner stets am !

| Von Walter Flex bis zu den ersten Ver-
| suchen einer dichterischen Gestaltung des ge-
| genwärtigen Krieges, — von den entfesselten
| Kunstformen der zwanziger Jahre bis zum
i naiven Realismus unserer Tage spannt sich ein
; Bogen voll verwirrend bunter literarischer und
; geistesgeschichtlicher Farben. Wie kaum in
! einer vorangegangenen Epoche überstürzen
i und übersteigern sich in diesem Zeitraum die
; uferlosesten Strömungen und Stimmungen,
| überflutet und verdeckt die meist nur tag-
; geborene literarische Mode den kontinuier-
| liehen Wesensstrom deutscher wie gesamt-
I europäischer Dichtung. Die um die Jahr-
! hundertwende entstandenen, neuen und frucht-
\ baren Ansätze, augenfällig in der weiten
Spanne zwischen dem lebensgierigen Natura-
lismus eines Holz, Schlaf und Hauptmann und
der sensiblen, purpurroten Neuromantik
Georges und Hofmannsthals, wurden in ihrer
Ausreifung und Festigung durch den Welt-
krieg jäh unterbrochen und erfuhren nach
dieser Katastrophe, die alles Fühlen und
Denken in einen bodenlosen Abgrund stürzte,
eine Potenzierung, die in ihrer Maßlosigkeit
über alle möglichen Grenzen .weit hinausschoß.
Beide Extreme, Naturalismus wie Neuromantik,
erlebten zum Teil schon während des Krieges
eine spontane Wiedergeburt, und flössen in
den expressionistischen Experimenten der
Nachkriegsjahre zu einem chaotisch sinnleeren
und wertlosen Intellektualismus zusammen.

Die bis dahin kulturtragende Schicht des
Bürgertums aber, aus dem sich sowohl die
Mehrzahl der Dichter wie die Masse des
lesenden und verstehenden Publikums, rekru-
tiert hatte, war in völlige Auflösung und Teil-
nahmslosigkeit versunken, und das Schrifttum
geriet ganz in die Hände verantwortungsloser
Journalisten und Literaten, die aus der soge-
nannten öffentlichen Meinung ein williges
Echo ihrer Geistes- und Gefühlsakrobatik
machten. Namen wie George Groß, Johannes
R. Becher, Erich Mühsam usw. mögen genügen,
um die schaudernmachende Erinnerung daran
zurückzurufen. Welches war denn eigentlich
das Anliegen dieser expressionistischen Dich-
tung, soweit dabei von einem ehrlichen Drange
und Ziele überhaupt gesprochen werden konnte,
und es sich nicht nur um bloßes Zurücksinken
in seelisch-geistige Atavismen und Sucht nach
Modernität und Neuheit um jeden Preis han-
delte? ... Der vom Naturalismus in seiner Gegner-
schaft zum bürgerlichen Realismus her erneuerte
Versuch, in der Dichtung ein solches Abbild der
Wirklichkeit zu geben, dessen Bedeutung nicht
an der täuschenden Genauigkeit der Natur-
treue, sondern an dem sprechendsten Ausdruck
der dargestellten Wirklichkeit gemessen wurde.

Daneben gab es freilich immer noch genug s
verantwortungsbewußte Dichter und Schrift- ™
steller, die abseits des literarischen Marktes Z
und seiner Mode die versprengten Trupps des Z
gebildeten Bürgertums um sich sammelten. s
Doch nur den wenigsten von ihnen gelang es, 5
ihre Zeit wirklich zu überwinden, die anderen S
ignorierten einfach das Stellungnahme und Z
Wandlung fordernde Erlebnis des Krieges und ~
setzten die literarischen Traditionen des bür- 5
gerlichen Zeitalters fort, ohne zu bedenken, 5
daß sie längst, ihrer geschichtlichen .Basis be- z
raubt, notwendig an der Gegenwart vorbei- 5
leben und -reden mußten und das Leben von Z
ihren Blickpunkten aus nicht mehr bis zu jenen 5
Tiefen aufzureißen imstande waren, deren Em- ~
porleuchten aus dem kunstvollen Geflecht der Z
Worte die Dichtung erst zur Dichtung machen, z

So war die Situation des deutschen Schrifttums Z
bis zur Machtübernahme. Mit ihr aber blieb Z
dann plötzlich dieser naive "Realismus allein 5
auf dem Schlachtfelde zurück, ein wenig ver- S
wundert ob seines unverhofften Sieges, und S
schien zunächst aus dem völligen Verschwin- ■
den des kulturbolschewistischen Spuks die Mei- 5
nung abzuleiten, daß er nun geradezu von Z
Staats wegen berufen sei, das Wesen deutschen £
Geistes in wandelloser Echtheit und Treue dar- 5
zustellen. Er übersah, daß in der ganzen neuen 5
Dichtung nach dem Kriege auch innerhalb des 5
eigentlichen Expressionismus durchaus echte 5
und wesentliche Kräfte zum Durchbruch kom- 5
men wollten. Er vergaß ebenso, daß, wie die .5
Weltanschauung des Nationalsozialismus ohne 5
Kriegs- und Nachkriegszeit ' nicht zu denken 5
war, auch eine an der Vorkriegsmentalität an- S
knüpfende Literatur, die ein umstürzendes und 5
weltbewegendes Jahrzehnt einfach nicht zube- 5
greifen und überwinden vermochte, keine Be- Z
deutung beanspruchen konnte.

Da fiel in die ersten schüchternen Ansätze 5
eines neuen deutschen Schrifttums solcher Art 5
der Ausbruch des heutigen Krieges, der die Z
Dichtung zunächst zu einem erneuten Besinnen 5
und Atemholen zwang und.gleichzeitig in aller 3
nur wünschbaren Deutlichkeit zeigte, daß die Z
mannigfaltigen Probleme eines jungen europäi- ■
sehen Geistes noch ungelöst unseres guten 3
Willens harren.

So ist die Dichtung zwischen dem letzten s
und dem gegenwärtigen Krieg ein getreues 5
Spiegelbild der geschichtlichen Entwicklung. Z
Nach dem Ende dieses Krieges wird es sich zu 5
beweisen haben, ob sein aufwühlendes Erlebnis 3
Volk wie Dichter verständnisvoller und feinfüh- 3
liger gemacht hat für die zukunftsweisenden Im- S
pulse, die in allem Wirrwarr und Verfall zwei- 5
feilos schon die Zeit nach dem ersten Weltkrieg »
fühlte und ausdrücken wollte. —sz. 3

stärksten an, und weiter muß ein mehrmals
Angeschlagener, wie jeder Psychologe weiß,
besonders gefürchtet werden, da er vielleicht
über sich hinauswächst, zumindest seine Höchst-
form erreicht. Was wir herausstellen möchten,
ist vielmehr: Trotz des Kriegs tragen wir in
allen Sportarten Länderspiele aus. Aber weil
wir eben im Krieg sind, können wir nicht im-
mer mit der besten Vertretung auf den Plan
treten, noch ist unsere Auswahl aufs sorgfäl-
tigste trainiert. Wir gedenken gerade jetzt des
berühmten Ausspruchs des Begründers der
modernen Olympischen Spiele, des Baron de
Coubertin: „Die Hauptsache beim Sport ist
nicht der Sieg, sondern der Kampf."

Wer möchte nun bestreiten, daß es eine
außergewöhnliche Leistung war, wie Deutsch-
land 1942, mitten im blutigsten Völkerringen,
in Breslau die Europameisterschaften im Boxen
durchführte, und damit elf Nationen die Mög-
lichkeit zu diesen Kämpfen bot. Als dann
unser Vaterland „bloß" zwei Europameister
stellte und in der Wertung der Nationen
„nur" den zweiten Platz erfocht, da waren
schon wieder die Sportmeckerer am Werk
und runzelten die Stirnen. „Oh, wie enttäu-
schend für die deutschen Boxer!" Hier wollen
wir gar nicht erst von unserem Pech reden
(Pepper namentlich), sondern davon, daß wir
zwei vollständige Staffeln an den Start brach-
ten, obwohl einige unserer Kanonen an wich-
tigeren Stellen Länderkämpfe bestritten, an der
Front nämlich. Jene Leute, für die auch heute
noch die Woche nur die mit Ungeduld über-
standene Wartezeit fürs Sportgeschehen am
Samstag und Sonntag ist, werden das mit der
Zeit wohl einsehen!

Zum Schluß nehmen wir uns jenen Herrn
auf der Tribüne vor, an dem nach drei Kriegs-
wintern noch alles voll und rund ist: das
feiste Gesicht, der molligwarme Pelzmantel
und die wurststarken Quetschfalten im Stier-
nacken. Obgleich ihm bei diesem Aussehen
bestimmt nichts abgeht, das nötig wäre, kriti-
siert er aber in einem fort an den „schwachen"
Leistungen herum, die ihm für sein Geld ge-
boten würden. „Was, ein so kleines Nennungs-
ergebnis! Eine derart miese Mannschaft gehört
doch nicht in die erste Klasse! Das sind ja
lauter Milchgesichter! Wo bleibt da die
Klasse?" Auch ihm wollen wir in die Stamm-
rolle schreiben, wie jenen bereits erwähnten
anderen unrühmlichen Ausnahmeerscheinun-
gen:

„Ist das jetzt so wichtig, heute,
mitten im schwersten Krieg der
Weltgeschichte?" Dr. Horst J. Weber.

T43T

Ihre Haut verlangt nach
dem Rasieren die wohl-
tuende, beruhigende Wir-
kung, wie sie die Tarr-
Pflege gibt.

Wenn Sie Tarr anwenden,
spüren Sie sofort, wie das
Brenn en undSpannen auf-
hört. Die Haut wird des-
infiziert - kleine Pickel
und Hautunreinheiten
verschwinden, die Poren
schließen sich - die Haut
wird wieder glatt. Am
nächsten Morgen rasieren
Sie sich leichter.
Wenige Tropfen genügen
schon, verwenden Sie es
jetzt besonders sparsam.

TARSIA, GES. FOR PARFÜME R I E UND KOSMETIK M. B. H., BERLIN
 
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