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NXEIPREIS 11 PFENNIG / MÜNCHEN, «7. JUNI 1942 / 1 O. JAHR

N CS / FOLGE IS

Kultur im Kriege

Kultur und Krieg

dr. h. w. München, den 27. Juni 1942

Die heutige große Zeit, in der wir leben,
stellt uns unerbittlich unter die Gesetze des
Krieges. Der Krieg hat andere Gesetze, als sie
gemeinhin im Leben von Menschen aufgestellt
worden sind. Er verändert die üblichen Le-
bensbedingungen des Menschen gewaltig. Vor-
nehmlich der Soldat, der in eine ganz andere
Sphäre einrückt und sich in ihr bewähren muß,
spürt diese Veränderung. Für ihn wird das
Leben unmittelbarer als bisher, da er
sich als Soldat das Leben im wahrsten Sinne
des Wortes täglich neu erobern muß. Für den
Soldaten wird das Leben härter, da er in
keinem Augenblick an der Front nach Wün-
schen oder Beguemlichkeiten fragen darf. Für
ihn wird aber das Leben auch natürlicher,
da es nicht mehr von kleinen Dingen, sondern
allein nur noch durch die großen und ewigen
Gesetze der Natur bestimmt wird.

Wenn von soviel Menschen nach diesen
ursprünglichen und neuen Gesetzen gelebt
wird, ist es da noch sinnvoll und berechtigt,
in der Heimat an kulturelle Betätigung und
Arbeit zu denken, die doch unseren Kameraden
an der Front vollkommen fehlt? Wir wollen
diese Frage ruhig und sicher in fester Über-
zeugung mit einem Ja beantworten. Ein solch
großer Kampf hat nämlich nur dann seine
Berechtigung und wird jedem an ihm Betei-
ligten sinnvoll, wenn ihm in jeder Phase dieses
Kampfes klar ist, wofür eigentlich gekämpft
wird. Das Wisse7o',m das Wofür des'Kampfes
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Wissen wird erst a«..u i&^rrt deutlich, wenn
man die Werte, für deren Erhaltung gekämpft
wird, hell erstrahlen läßt. Niemand aber wird
in diesem Augenblick mehr daran zweifeln
wollen, daß die Werte, die vornehmlich das
Leben des deutschen Menschen lebenswert
machen, kulturelle und geistige Werte sind,
angefangen von der moralischen Haltung des
einzelnen bis hin zu den höchsten Schöpfungen
kultureller Kraft, die aus dieser moralischen
Haltung entspringen. Wenn wir diese kul-
turellen Werte unserem ganzen Volke und uns
selbst immer wieder im Kriege vor Augen
stellen, dann zeigen wir damit auch einer gan-
zen Welt und der kämpfenden Front, wofür
dieser gerechte Kampf gekämpft wird. Das ist
der Sinn und die Berechtigung einer Kultur-
arbeit auch der Jugend in der Heimat.

Aber noch eine andere Überlegung muß zum
Thema Kultur und Krieg angestellt werden.
Die deutsche Kultur- und, Geistesgeschichte in
ihrem bisherigen Ablauf zwingt zu dieser
Überlegung. Geschichtslose und kraftlose
Epochen in der deutschen Geschichte, in denen
eine staatliche und politische Kraftentfaltung
nicht möglich war, schufen auf der anderen
Seite kulturelle und geistige Höchstleistungen.
Herder, Lessing, Schiller und Goethe sind in
dem staatlich und politisch gesehen trostlosen
18. Jahrhundert beste Zeugen für diese Tatf
sache. Ihre Zeit war ihrer gigantischen Lei-
stung nicht adäqua.t. Zeiten in der deutschen
Geschichte aber, in denen Geschichte gemacht
und gestaltet wird, bleiben oft auf kulturellem
Gebiet still und ruhig. In ihnen ist nur für
die großen Gestalter Platz, die ihnen kon-
genialen Betrachter fehlen in den meisten
Fällen. Diese Tatsache ist eine Rechtfertigung

Aus dem Inhalt:

Dr. Heinz Wolffr

Kultur und Krieg

Friedwqrt Schulze-Berghoft

Vermächtnis und Verpflichtung

Willy Schmitt:

Der deutsche Kunststudent
im Kriege

Hein Sinken:

Neuformung des Kunststudiums?

Lr.Wilhelm Rubino, gefallen im Osten:

Gedanken in einer Marschpause

Josef Georg KÖM'» .

Natur und Geschichte im Weltbild
Ernst Kriecks

Wolter Balon :

Opfergang junger Kunst

V STUDENTISCHE
TAGE DEUTSCHER KUNST
1-5.juu SALZBURG 194 2.

In diesem Zeichen begeht das deutsche Studententum im Kriegsjahr 1942 die „Studen-
tischen Tage deutscher Kunst" in Salzburg. Sie sind kein Fest des Friedens, sondern
ein Bekenntnis der studentischen Jugend zu den kulturellen Werten des Kampfes und
des Lebens. Die künstlerischen Werke und Arbeiten, die in ihrem Mittelpunkt stehen,
sind vornehmlich Werke studentischer Frontkämpfer, die damit einmal mehr zeigen,
wofür das nationalsozialistische Großdeutschland in diesem Schicksalsringen kämpft.

dafür, daß wir in .einem solch großen Krieg
unsere kulturellen Werte herausstellen, pflegen
und fördern. Diese Tatsache darf uns jedoch
nicht zu dem Trugschluß verleiten, daß nicht
gerade auch die kriegerischen und kämpferi-
schen Zeiten kulturelle Höchstleistungen nach
sich ziehen- werden. Wir dürfen vielmehr da-
von überzeugt seir, daß dieser Krieg in den
kulturellen, und geistigen Bezirken ungeheuer
fruchtbare Folgen haben wird. Er wird der
große Anreger und Vater aller Dinge für die
nächsten Jährzehnte, ja vielleicht Jährhunderte
der deutschen Kulturgeschichte sein., So wie
in der germanischen Edda die Heldentaten
unserer Vorfahren besungen sind, so, wie im
Nibelungenlied und Gudrunlied große deutsche
Kampfgestalten die Sänger und Dichter ange-
regt haben, so werden die Heldenlieder unserer
Tage gleichfalls ihren schöpferischen Ausdruck
in der Dichtung, Musik und bildenden Kunst
finden. Wir sind überzeugt davon, daß das
Heldenlied von Narvik, daß die Weidentaten
im Osten gegen einen kulturlosen Feind, daß
die Heldenkämpfe, im Wüstensand Nordafrikas
nicht nur in unserer Zeit von tapferen deut-
schen Männern geleistet werden, sondern daß
sie noch nach Jahrhunderten nachklingen wer-
den in großen kulturellen Werken unseres
Volkes. Um so mehr aber ist es berechtigt,
wenn wir heute auch mitten im Krieg ein Be-
kenntnis zu unserer Kultur ablegen,; um • sie
allen deutschen Menschen an Front und Heimat

eindringlich in ihrer Bedeutung zu zeigen.
Das will das deutsche Studententum in den
nächsten Tagen anläßlich der „Stüde n t i -
sehen Tage deutscher Kunst" in
Salzburg tun. Es sondert sich in ^dieser Ver-
anstaltung nicht von den Gesetzen des Krieges
ab. Der Krieg wird vielmehr diesen Tagen
ganz seinen Stempel aufdrücken. - Nicht etwa
nur in der Gestalt der> Besucher, von denen
fast alle Soldaten und vornehmlich verwun-
dete Soldaten sind, sondern auch in der inneren
Ausgestaltung der Tage. In den Morgenfeiern
soll die Kraft der Seele und des Gemütes ge-
zeigt werden, die diese Zeit trägt. In der bil-
denden Kunst werden die Werke der jungen
Studenten gezeigt, deren \ künstlerisches Ge-
sicht bereits durch die Erlebnisse dieses Krie-
ges gezeichnet ist. In der Musik wird der
Weg in jene Bezirke gegarigen, in denen eine
neue heldische Musik aus dem Erlebnis der
■Gegenwart wächst, ohne ihrer Verbindung mit
der großen deutschen Musikvergangenheit ver-
lustig zu werden.

Das ist der Sinn dieser Veranstaltung des
deutschen Studententums im Kriege. Er wird
uns die enge Verbindung von Kultur und
Krieg aufweisen; einer Kultur, die im Kriege
nicht übersehen werden darf und gleichzeitig
im Kriege einen neuen höchsten schöpferischen
Ausdruck findet, und eines Kriege's, der bei
aller Grausamkeit im einzelnen der Schöpfer
auch neuer kultureller Leistungen sein wird.

Vermächtnis
und Verpflichtung

Von F. Schulze-Berghof, Gf.-Leiter des Kultur-
amtes der Reichsstudentenführung

In einer der schicksalsschwersten und erit«
scheidendsten Stunden im Existenzkampf un-
seres Volkes und des jungen Europas, begeht,
das deutsche Studententum in Salzburg vom
2. bis 5. Juli 1942 in einem der Zeit entspre-
chenden Rahmen die „Studentischen Taga
deutscher Kunst".

Mit dieser Veranstaltung wird sich das
Deutsche Studententum zu den hohen Werten
deutscher Größe und Kultur bekennen. Jen«
Kräfte, die das deutsche Heer und jeden ein-
zelnen seiner Soldaten zu in der Geschichte
einmalig dastehenden Leistungen befähigen
und anspornen, sind die gleichen, aus denen
die Geistesheroen die Kraft zu ihren Werken
schöpften, die sie und unser Volk unsterblich
machten. Das Reich, das die Größen unseres
Volkes besangen und erträumten, zu einer
Zeit, .als an seine Existenz noch niemand zu
hoffen wagte, wurde durch den Einsatz des
Lebens zahlreicher unbekannter Soldaten und
Helden verwirklicht.

Höchste Aufgabe -der heranwachsenden
Künstlergeneration wird demzufolge sein, als
Künder des Reiches mit ihrem Leben zu ihrem
Werk zu stehen.

Das Vermächtnis der gefallenen Jungen (es
sei nur an Helmut Bräutigam, Rolf Werb'elow,

generation zu treuen Händen übergeben
werden.

Auch bei den „Studentischen .Tagen deut-
scher Kunst" werden vornehmlich Verwundete
Gäste und Zuhörer sein und den Dank des
deutschen Studententums entgegennehmen.

Das Programm der „Studentischen Tage
deutscher. Kunst" weist den Weg aus der Ver-
gangenheit in die Zukunft, knüpft dort an
Namen wie Bach, Händel u. a. und hier vor
allem an die Jungen, wie Bräutigam, Bresgen,
Baumann an. Dabei werden alle Gebiete der
Kunst zu Wort kommen, Oper, Schauspiel,
Kammermusik, große Chor- und Orchester-
konzerte, Feiergestaltung, Turmmusiken, -
Volksliedsingen, Morgenfeiern, Dichtung usw.

' Die bildende Kunst wird mit einer „Reichs-
ausstellung junger Kunst" in den Räumen der
Residenz vertreten sein, deren Werk zur deut-
schen Jugend sprechen wird.

Die Ausführenden der einzelnen Programm-
teile sind in erster Linie Studenten und Stü-
tentinnen, die zur Zeit an den Musikhoch- und
-fachschulen des deutschen Reiches studieren.
In einer großen Kameradschaft haben sich in
diesem Ausmaße erstmalig Studenten und Do-
zenten zusammengefunden und arbeiten ge-
meinsam an der Verwirklichung eines Pro-
grammes, das richtungweisend für den Künst-
lernachwuchs werden wird. Dort, wo der
Krieg Lücken in unsere Reihen gerissen hat,
sind Professoren eingesprungen, die mit ihren
Studenten nun z. B. in denselben Orchestern
spielen. Angesichts der Härte des heutigen
Ringens wird sich das deutsche Volk mit Recht
fragen, ob die Durchführung einer solchen,
wenn auch den Verhältnissen angepaßten Ver-
anstaltung überhaupt notwendig sei und 'ge-
rechtfertigt erscheint. Hierzu ist folgendes zu
sagen: Das deutsche Volk wurde von jeher als
Volk der Dichter und Denker bezeichnet, und
wir waren es so weitgehend, daß wir oftmals
die Wirklichkeit aus den Augen verloren, und.
während die anderen durch eine reale Politik
ihren Staat zu Macht und Reichtum führten,
beschränkten wir uns darauf, unsere Größe auf
geistigem Gebiet der Welt vor Augen zu
führen.

Die Notwendigkeit einer realen Politik haben
wir heute klar erkannt, einer Politik/ deren
Fortführung, aber nicht; Unterbrechung, der
Krieg bedeutet. Trotz Einsatzes edelsten Hel-
dentums und seines besten Blutes müßte das
deutsche Volk den ersten Weltkrieg verlieren,
und dennoch wäre ohne dieses tragische Ge-
schick und ohne die Not, die unser Volk heim-
suchten, niemals dieser Aufstieg, wie wir ihn
heute hinter uns haben und vor uns sehen,
möglich gewesen. Wennwirnicht — nun
im richtigen Sinn gesprochen —
das Volk ..d er Dichter und Denker
von je ge;wesen wären und in unse-
ren Herzen, in unserem Sehnen und
Träumen das Reich lebendig ge-
wesen wäre, dann hätten wir, als
Gaulis gesehen, niemals die se'e-
(Fortsetzung auf Seite 2)
 
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