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Die Bewegung: Zeitung d. dt. Studenten — 12.1944

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Nr. 10 (Oktober 1944)
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https://doi.org/10.11588/diglit.6620#0101
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Copr. franz Eher Nachf., G. m. b. H., München 22

ZEITUNG DER DEUTSCHEN tTUDENTEN / MÜNCHEN, OKTOBER 1944 / 11. JAHRGANG / FOLGE 10

Das Feuer lolvl

la Klassen und Parteien zerrissen war unser
deutsches Volk. Erst des Führers gewaltiger
Wille, erst lange Jahre schwerer Kampfe lüg-
ten es wieder zusammen zur Einheit der Na-
tion. In „Fächer" zerrissen war auch die Wis-
senschaft an den Hohen Schulen. Vortreffliche
und hochachtbare Spezialisten brachte sie her-
vor, aber kaum mehr geistige Führer der Na-
tion. „Akademiker" nannten sich voll Würde
aie Menschen der Hohen Schulen. Aber allzu
„akademisch" erschien ihre gemessene Be-
schaulichkeit. „Gebildete" zu sein, waren die
stolz, die diese Hochschulen verließen. Aber
war nicht in aller „Gebildetheit" des Intellekts
das Wesentliche einer echten „Bildung" zu kurz
gekommen?

Das war die Frage, die sich einst die Natio-
nalsozialisten der deutschen Hochschulen stell-
ten. Gewiß, auch sie beugten sich in Achtung
vor der Größe deutscher Wissenschaft. Aber
die Wissenschaft, die sie suchten, sollte nicht
nur beschauliche Erkenntnis der Zunftgelehr-
ten sein, sonderp Macht des aktiven Lebens.

Neutralität?

Die Einheit zwischen einer großen elemen-
taren politischen Leidenschaft und einer schöp-
ferischen Wissenschaft und Kunst — das war
das Ziel einer neuen wissenschaftlichen Jugend.
So hat Gerhard Schröder, nun im Westen
gefallen, es später begründet und dar-
gestellt in dem Buch, mit dem er bei
Emst Krieck in Heidelberg promovierte, dem
Buch ..Cssc'jic! • hreÜy.' V eis r-.ütische Er*
v ' • lit.no/iiiucu . „Die v'fei ie dei Geschichts-
schreibung", so liest man da, „werden äußer-
lich wohl stets Reden, Bücher und Schriften
sein. Ihre Macht aber wird erst wirksam in der
Prägung, die sie auf Menschen ausübt. Die ge-
sinnungsbildende, menschenformende und da-
durch geschichtsbildende Kraft der Geschichts-
schreibung ist somit in ihrem weltanschaulichen
Untergrund der Mittelpunkt unserer Darstel-
lung."

In der Kampfzeit wuchsen so die ersten
kleinen Zeilen einer nationalsozialistischen
Wissenschaft. Jahre forschender Arbeit waren
es, aber auch Jahre der praktischen Organi-
sation, der Menschenführung und Menschen-
gestaltung und — des Kampfes um unsere
Idee. Des Kampfes? Gewiß, wie hätte es an-
ders sein können? Nicht nur an den beschau-
lichen „Intellekt" ging ja unser geistiger Auf-
trag, sondern an den ganzen Menschen, an
seinen Willen, seine Gesinnung, seinen Cha-
rakter ebenso wie an seine Intelligenz.

Schüttelte der ruhige Wissen-
schaftsbürger im gesicherten Port
seiner „Neutralität" über uns das
weise Haupt? Oh, auch wir emp-
fanden manchmal diese Unrast
ewigen Kampfes als eine harte
Last! Und doch, immer wieder er-
kannten wir auch, daß dieser
Kampf uns adelte. In Briefen Karl
Richard Ganzers wie Gerhard
Schröders findet'sich — ganz unab-
hängig voneinander! — das stolze
Wort von Friedrich Hebbel: „Indie
Holls kommt nur der hohe Adel der
Menschheit; die andern wärmen
sich im Vorho f."

In diesen „schweren Stunden", in Krisen und
Kämpfen, die den bürgerlichen Gelehrten alten
Stils schon im ersten Anfang in Ohnmacht oder
Flucht geworfen hätten, zwang uns das Ge-
schick, unserem „Bildungs"-Ideal zu dienen:
Nicht mehr „Gebildete" zu sein im Sinne des
kalten intellektuellen Hochmuts der vergan-
genen Epoche, sondern geistige Kämpfer, die
wieder von sich sagen durften: „Denn ich bin
ein Mensch gewesen — und das heißt ein
Kämpfer sein." In diesen schweren Stunden
fänden wir die Einheit von „Geist und Macht",
von Wissenschaft und Politik, wuchsen wir
auch zu einer verschworenen Gemeinschaft für
das Leben und über das Leben hinaus.

Wie hätte es anders sein können als daß der
Kampf dieser neuen Wissenschaft, ein Kampf
an vielen Frgaten des Lebens, uns viel von der
Beschaulich'" . raubte, in der der ruhige Bür-
ger der '/llr1 «rsairikeit Bücher schrieb? Und
doch, r Weil' a(is ,jjesen Kämpfen formten sich
dan--'samm.e' Werke, in denen all das zu Hause
V/p keinerlei ie„ wohlbehüteten Bücherwürmern
Die Alossen blieb: Himmel und Hölle,
ihre-uFid Sturm, der Marschtritt der Regi-
Q^fW' Glück und Leid unseres Volkes in sei-
gewaltigen Kampf. Ein solches Buch ist
'>--. Richard Ganzers letztes Buch. Die
fift „Das Reich als europäische Ordnungs-
acht" erschien 1940. Ihre ersten Entwürfe

Fahnenträger des Führers auf der Hochschule

Jetzt schlägt auch für unsere Kultur, für unser Geistesleben, unsere Wissenschaft und
Forschung die Schicksalsstunde. Wir müssen wissen: Auch über alles, wofür die Hoch-
schule arbeitet, lebt und kämpft, fällt jetzt die Entscheidung.

G. A. SCHEEL

waren bei der Truppe entstanden, in einem
Panzerzug, der während des Westfeldzuges am
Rhein, lag. Jahre geschichtlichen Studiums und
politischen Kampfes lösten sich jetzt unter dem
Eindruck des soldatischen Einsatzes im Polen-
krieg zu einem Werk. Das Reich der Deutschen
in Europa schildert Ganzer, von den großen
Kaisern des Mittelalters bis zu Adolf Hitler.
Der Historiker schildert es; der Dichter und
Künstler gestaltet es; der Kämpfer bekennt es.

Die Nähe des Todes, so sagt man, läßt oft
Menschen noch einmal aufleuchten in hellster
Glut, läßt sie das Maß geben dessen, was sie
sind. So hat in dem Buch vom „Reich" Karl
Richard Ganzer noch einmal aufgeleuchtet, sich
vollendend vor der Vollendung. Es war dieses
Buch, das ihm den Weg zum großen Erfolg
öffnete, es ist dieses Buch wohl auch, für das
ihn nach seinem Tode das Ritterkreuz auf Vor-
schlag des Reichsdozentenführers vor allem
ehrt. Hunderttausende haben es gelesen, Hun-
derttausende lesen es und werden es lesen. Zu
Hunderttausenden ist es allein im Offizier-
korps unserer Wehrmacht verbreitet worden.
„Wenn wir wieder die Kraft haben, die Ge-
schichte so zu schreiben, daß dia Geschichte-
machenden sie im Tornister mit sich tragen —
dann haben auch wir Geschichte gemacht."

Es ist solche Wirkung nur da mög-
lich, wo ein Buch mehr ist als „Lite-
ratur" — wo hinter dem Schreiben
das Sein sich erhebt aus dem blu-
tigen Rot des Herzens. Dieses Sein

eines Karl Richard Ganzer, eines Gerhard
Schröder steigt empor, wenn man in ihren
Briefen aus dem Felde blättert — blutrot leben-
dig heute wie zu den Zeiten ihres körperlichen
Lebens.

Es war im April 1942, als Gerhard Schröder
in Rußland erfuhr, daß Kleo Pleyer, der sudeten-
deutsche Historiker und Kämpfer, am Ilmensee
gefallen war. Im Abenddämmer hatten die Sol-
daten den vorausgestürmten Oberleutnant" ge-
funden, auf einem Baumstamm sitzend, zu dem
er sich noch geschleppt, die Kugel im Herzen,
den Kopf auf die Hand gelehnt wie ein Sin-
nender, die Pistole herabgefallen in den Schnee.
Kurz, vorher hatte Pleyer noch sein letztes Buch
gebracht, das Buch, das er im letzten Urlaub
geschrieben hatte und das heute schon Eigen-
tum der deutschen Nation ist, das Buch „Volk
im Feld". Damals schrieb Gerhard Schröder von
der Wolga am 16. Mai:

„Merkwürdig, so tief die Nachricht mich
trifft, so wenig überrascht sie mich eigentlich,
wenn ich so sagen soll. Ich habe das Gefühl,
daß es für ihn die seiner ganzen Art entspre-
chende Vollendung war. Herrgott, was war der
Pleyer für ein Kerl, ein Feuerkopf, ein furcht-
loser, bedingungslos konsequenter Geist, der
gewißlich einmalig auf den Kathedern der deut-
schen Hochschulen war. Bei allem Schmerz,
den sein Verlust hervorruft, Ist es doch wieder
eine Freude, daß er ein Werk hinterläßt, das
gewißlich seine Feuerseele atmen wird . . •

Auch ich habe Inzwischen dreimal am Sensen-
mann vorbei müssen. Einen Kameraden hat et
zwei Meter von mir umgerissen, ich lag noch
einige Minuten neben ihm, konnte ihm aber
nicht mehr helfen; bei meinem nächsten Sprung
war er schon tot. Wir liegen jetzt in einer
Sumpfstellung, toll und teuflisch. Russischen
Wald kennt nur der, der ihn erlebt hat; Dik-
kicht und Gestrüpp, Sumpf und Wasser, ge-
stürzte Bäume und unheimliche Stille, wenn's
nicht schießt. Kein Weg, kein Steg.

Und doch blüht hier und da eine Blnme, die
uns wieder sagt, wie schön das Leben ist. Und
wir glauben es auch!

Alles Schicksal ist ungewiß; wir erleben es
wahrlich täglich. Trotzdem blanke Augen zu
haben, ist ja gerade das, was den Menschen
ausmacht!" Zwischen Tod und blühenden Blu-
men mit „blanken Augen"!

Wir blättern weiter und finden einen Brief
Karl Richard Ganzers vom 17. Dezember 1942.
Kurz vorher war er aus Rußland zurückgekom-
men, aus der Schlacht von Woronesch. Drei
viertel Jahre später sollte er wieder nach
Osten fahren, auf Nimmerwiederkehr. Jetzt, an
der Schwelle des Jahres, in dem er sterben
sollte, schrieb er Worte, die wie ein Testament
erscheinen:

„Das Jahr, das nun anhebt, wird ebenso
schwer sein wie das letzte, angespannt und
entsagungsvoll, es wird alle Kräfte fordern und
unser Bewußtsein, daß wir in diesem Ringen
als Oneratios aofgr. »Art. »Hmi, . .*«<&*v«i»t- „
täuschen. Aber dieser Notwendigkeit SsHB-n
wir uns stellen, wir haben nur die vIBjil,
Reichsvolk oder Hundsfötter zu sein. .Schön'
ist das nicht, aber über dem Genehmen steht
das Notwendige. Und das Notwendige hat seit
Anbeginn die Eigenschaft, diejenigen zu zer-
reiben, die in seine auserwählenden Hände
kommen.

Lieblinge der Götter

So kühl dieses Bewußtsein ist, so sehr ent-
zündet es unser Herz. Heutzutage werden auch
die Reiche nicht mehr allein mit Granit, son-
den auch mit Eisenbeton gebaut; aber auch
dieses Eisen muß durch Gluten gegangen sein.
Daß sie uns nicht erspart werden, ist unser
höchster Stolz."

Dem Brief liegt ein Gedicht bei:

Wir sind einem Feuer verschworen / Das
unsere Seelen versengt / Wir haben die
Ruhe verloren / Immer die Flamme brennt.
So sind wir dem Leben begegnet / We es
am hellsten loht / Und sind von Gott ge-
segnet / Weil er uns Sturm entbot.

Lied einer glühenden Seele! Bekenntnis zur
„Flamme", und selber „Flamme", die uns ent-
zündet!

In diesem Glauben hat Karl Richard Ganzer,
hat Gerhard Schröder gelebt. Und so, in die-
sem Glauben, sind sie gefallen.

In Kleo Pleyers Buch „Volk im Feld" gibt
es eine Stelle, wo vom Sterben der Soldaten
gesprochen wird. „Wie die Söhne der Völker
zu sterben verstehen", schreibt Pleyer, „dies
sei ein Wertmaßstab für den Rang der Völker
im Leben".

In Karl Richard Ganzers Briefen findet sich
ein letzter Brief vom 5. Oktober 1943. Wie in
Vorahnung des kommenden Todes faßt er noch
einmal in gewaltiger Vision das zusammen,
was diesem Historiker und Kämpfer das Leben
und Sterben wert machte:

„In dieser Sicherheit gehe ich wieder an die
Front, das vergangene Jahrtausend lebendig in
mir, seine Wirklichkeiten und seine Symbole
wie Fahnen um mich und Jeden anderen herum-
gestellt."

Sechs Tage nach diesem Brief, am 11. Okto-
ber 1943, ist Karl Richard Ganzer, vierunddrei-
ßigjährig, gefallen, im Sturm, als Gefreiter an
der Spitze seiner Gruppe. .

Gerhard Schröders letzte Briefe stammen mit-
ten aus dem Feuersturm der amerikanischen
Offensive in der Normandie. Sie sind nur kurz
und knapp, hingeworfen in den Pausen zwischen
den Feuerschlägen. Aber einer dieser letzten
Briefe, vom 3. Juli 1944, bekennt dasselbe, was
Karl Richard Ganzers Vision bekennt:

„Ich bin stolz darauf, daß Ich dabei sein
kann. Am Siege ist uns kein Zweifel, wenn die
Weltgeschichte ihren Sinn behalten soll."

Am 12. Juli ist er, sechsunddreißigjährlg, ge-
fallen, stürmend an der Spitze seines Bataillons.
Der Herr Hauptmann, so berichtet der Brief sei-
 
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