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Die Bewegung: Zeitung d. dt. Studenten — 12.1944

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Nr. 10 (Oktober 1944)
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https://doi.org/10.11588/diglit.6620#0103
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NEUE RADIOAKTIVITÄT

Probleme der Atomhrschung / Von Geheimrat Prof. Philipp Lenard, Universität Heidelberg

Nach der erfolgreichen und ergiebigen Untersuchung der
Kathodenstrahlen, der positiven Strahlen und der Hochfre-
quenzstrahlen begann ein Suchen nach weiteren neuen Strah-
lungen. Dabei ergab sich unter viel Wertlosem eine Beob-
achtung, die, mit Gründlichkeit durchgeführt und weiter ver-
folgt, wirklich wesentlich Neues brachte. Es zeigte sich, daß
Uranverbindungen auch durch Metallblätter, die nicht nur
lichtdicht, sondern auch luftdicht waren, die photographische
Platte schwärzen, und zwar mit Schattenwurf hinter dickeren
Metallstücken, daß also eine Strahlung von diesen Verbin-
dungen ausgeht, die ungefähr wie Kathodenstrahlen oder Hoch-
frequenzstrahlen sich verhält. Dem entsprach es, daß die Uran-
verbindungen auch die Eigenschaft zeigten, die Luft in Ihrer
Nähe elektrisch leitend zu machen, was man mit Recht einer
von ihnen ausgehenden, unsichtbaren Strahlung zuschrieb.

Es war eine unerwartete Tatsache, daß so lange schon be-
kannte Stoffe, wie die Uranverbindungen, die Eigenschaft be-
sitzen, ein geladenes Elektroskop in ihrer Nähe zur Entladung
zu bringen. Mit Hilfe dieser Eigenschaft war aber weiter
leicht quantitativ vorzugehen, indem man die Entladungs-
geschwindigkeit aus gegebenem Abstand bei bestimmter Stoff-
•chicht als Maß für die Intensität der Strahlung de« Stoffe«,
kurz für »eine „Radioaktivität" benutzte. So zeigte es sich,
daß all« Uranverbindungen sowie auch reines, metallische«
Uran nach Maßgabe des Urangehaltes „aktiv sind", woraus zu
schließen war, daß die Strahlung dem Uranatom zugehöre und
ihm ohne Rücksicht auf chemische Bindung eigen sei.

Außer Uran zeigte unter den anderen, damals schon be-
kannten Elementen nur noch das seltenere Thor gut merk-
liche Radioaktivität. Neues zeigten dagegen Mineralien, dar-
unter besonders das Hauptausgangsmineral für die Uran-
gewinnung, die Pechblende (Uranpecherz). Sie zeigte stärkere
Aktivität, als ihrem Urangehalt entspricht, woraus zu schließen
war, daß sie außer dem Uran noch einen anderen, besonders
stark aktiven, unbekannten Stoff oder deren mehrere ent-
halten müsse.

Die Feststellung dieser Stoffe war verhältnismäßig einfach,
Indem bloß die bekannten Trennungsverfahren der chemischen
Analyse am gelösten Mineral durchzuführen waren, um jede
der abgeschiedenen Elementgruppen gesondert am Elektro-
skop prüfen zu können und danach noch weitere Trennungen
vorzunehmen. In dieser Weise fanden sich in der Pechblende
mehrere neue, nur spurenweise vorhandene, aber viel stärker
als Uran radioaktive Elemente, darunter besonders das nach
dieser seiner auffallender Eigenschaft benannte Radium
(Zeichen Ra).

Millionenmal radioaktiver als Uran

Es zeigte sich, daß das Radium mit Recht als besonderes
ülement zu betrachten ist; denn es zeigte ein besonderes Emis-
sionsspektrum im Funken. Mit dem Vorhandensein wägbarer
Mengen wurde auch sein Atomgewicht feststellbar. Radium
ist mehrmillionenmal radioaktiver als Uran; seine Strahlung
erleuchtet hell einen Phosphoreszenzschirm, was Uran und
Thor nicht zu leisten vermögen.

Eszeigta sich üus dem Verhalten der Strah-
len im magnetischen und im elektrischen
? e 1 d , daß sie von nicht einheitlicher Beschaf-
fenheit sind. Dreierlei Strahlen sind im all-
gemeinen — auch in der „Uranstrahlung" —
gemischtvorhanden; siewerdenmitdenBuch-
staben et, ß und y bezeichnet.

Die ct-Strahlen sind positive Strahlen gleich den Kanal-
strahlen; jedoch sind sie nicht wie letztere beliebige Atome
von positiver Ladung, sondern, wie das Folgende zeigt, stets
Heliumatome, die zwei Elektronen verloren, also zwei Pro-
tonen im Uberschuß haben (d. i. Heliumkerne, bestehend aus
zwei Kerndynamiden und zwei Protonen), auch a-Partikel ge-
nannt. Ihre magnetische Ablenkbarkeit ist gering, entsprechend
der großen Masse und den meist sehr großen Geschwindig-
keiten. So große Geschwindigkeiten sind bei den künstlich er-
zeugten Kanalstrahlen, selbst bei Wasserstoff, schwer erreichbar.

Vermöge dieser Geschwindigkeit gehen die a-Partikel auch
durch luftdichte Wände von genügender Dünne wie die schnel-
len Kathodenstrahlen. So war es möglich, mit den a-Strahlen
denselben entscheidenden Versuch auszuführen, der für die
Kathodenstrahlen gezeigt hatte, daß sie nichts Materielles sind;
man konnte a-Strahlen ins vollständige Vakuum treten lassen,
um zu sehen, ob sie sich darin ausbreiten, ob sie Materie mit-
bringen oder sonst besonderes ergeben. Er zeigte sich, daß
sie Heliumgas ins Vakuum liefern, was durch elektrische Ent-
ladungen und das Spektrum von deren Licht leicht unzweifel-
haft nachweisbar war.

Sie zeigten sich in jeder Beziehung gleich Kathodenstrahlen.
Die Geschwindigkeiten sind nicht einheitlich; aber es kommen
sehr große Geschwindigkeiten vor, bi6 nahe an Lichtgeschwin-
digkeit. So schnelle Elektronen können große Luftstrecken
durchlaufen; treten sie in einen Spitzenzähler, so gibt schon
jedes einzelne Elektron als Trägerquelle seine Anzeige durch
Entladung, und dies ist ein Mittel zur Zählung von Elektronen.
Wir nennen die durch große Geschwindigkeit ausgezeichneten,
von radioaktiven Stoffen kommenden Elektronen auch kurz
,,/S-Elektronen".

Die „y-Strahlen" sind nicht ablenkbar. Die Kristallspektro-
skopie zeigte sie als Wellenstrahlen, gleich den Hochfrequenz-
strahlen. Die Wellenlängen sind nicht einheitlich; es kommen
aber kürzere Wellen vor, als künstlich mittelst Kathodenstrah-
len an Antikathoden erzeugt werden. Sie sind die kürzesten,
bisher sicher festgestellten elektromagnetischen Wellen.

Es hat sich gezeigt, daß die y-Strahlen eine Begleiterscheinung
der Aussendung von a- oder /^-Strahlen sind; wir werden daher
im folgenden nur diese beiden Strahlenarten bei den Stoffen,
die aussenden, besonders angeben.

Es ist wohl als sicher anzunehmen, daß die Aussendung der
y-Strahlen von je einem Atom einzeln erfolgt, da dies für die
Aussendung der zugehörigen <x- und /^-Strahlen durch die Zäh-
lungen gut festgestellt ist. Dann aber liegt bei den y-Strahlen
der bemerkenswerte Fall vor, daß die Energiequanten hn der
Aussendung in der fertigen Ausstrahlung einzeln erhalten sich
finden müßten als Energien kohärenter Wellenzüge, deren
jeder vieMeierA. "Unuhränkte Frontbreite hat im Gegensatz zu
den Well'eßung aus s> sichtbaren Lichtes, die wohl immer dem
Zusamme! Grenadiere ^r Atome entspringen und in welchen
keinerlei Verteidigungs. Unterteilung merklich ist.

Die A ' 1 ~iar*zen des > j strahlenarten in der Materie ist
ihrer E ,ngrund sammeln echend sehr verschieden; man kann
'«-rrAuem Widerstand. Hier fäl'chirme ganz oder teilweise trennen.
~"'\on Kleist tödlich verwundet in nicht allzu dünnen Hüllen der
Kosaken. Aber auch diese Lh; weit weniger absorbierbar sind
men. Schon sind zwei Drittelurchdringendsten sind die kurz-
Stellungen in der Hand der PreStrahlenarten von so extremen
/•rteidigungslinie zwischen dem

HERBSTLICHE BIRKEN

Was auf dieser Welt gedacht, geredet und niedergeschrieben wird, kann nur insofern einen
Eigenwert beanspruchen, als es als rein geistige Arbeit selbst einen Beitrag zu dem allgemeinen
Bestand geistiger und damit in tiefstem Grunde doch wissenschaftlicher Erkenntnisse liefert.

ADOLF HITLER

Eigenschaften, wie sie künstlich selbst bei großem Energieauf-
wand nicht herstellbar waren und sind, werden von den
Atomen der radioaktiven Elemente ausgesandt. Es zeigte sich
das schon beim Uran und dann auch beim Radium. Es war zur
Zeit dieser Entdeckungen höchst erstaunlich, daß so kleine
Gebilde wie die Atome die Möglichkeit solcher Energieleistun-
gen haben sollten.

Die Frage nach dem Ursprung dieser Energiemengen war
nicht unmittelbar zu beantworten. Nur die andauernde, ein-
gehende Verfolgung der Fülle von Erscheinungen, welche die
verschiedenen radioaktiven Präparate boten, geleitet von der
Erkenntnis der Natur ihrer Strahlungen, hat zum Ziele geführt.

Die Unbeeinflußbarkeit durch die Umgebung zeigt an, daß
die ausgeschleuderten a-Partikel und ^-Elektronen aus dem
Inneren der Atome kommen. Es kommt der Kern als Ursprung
in Betracht, insofern dieser die Hauptmasse des Atoms enthält
und also Ursprung der abgegebenen a-Partikel sein kann. Auch
die /^-Elektronen mit ihren sehr großen Geschwindigkeiten
dürften den Kern als Ursprung haben (Kerndynamiden) i

Es ist sehr bemerkenswert, daß somit der Kern, der — min-
destens bei den leichteren Atomen — durch die Stoßversuche
als Hauptsitz der Masse des Atoms nachgewiesen ist, auch als
Hauptsitz der Energie, sich zeigt. Da Energie in allen unwandel-
baren Formen, also auch die als Wärme nachweisbare Energie
der radioaktiven Stoffe, eine ihrer Größe proportionale Masse
besitzt, könnte hiernach die Masse des Kerns ganz und gar
Energiemasse sein, und da die Masse des Kerns überwiegend
Masse seiner Protonen ist, so ist damit — wie beim Elektron —
auch beim Proton die Masse als Energiemarse angezeigt. Be-
sondere Massen, die nicht Energie wären, sind in den Atomen
nicht merklich geworden; solche Massen gibt es dann rber
überhaupt nicht

Es hat sich ein weiterer Weg zur Kenntnis des Atominneren
eröffnet im Studium der Einwirkung energiereicher Strahlen auf
Atome, wobei die Atome Umbildungen erfahren, die der Um-
wandlung eines Elements in ein anderes entsprechen. Die Um-
wandlung erfolgt hier nicht selbsttätig wie bei den schweren,
radioaktiven Atomen, sondern durch äußere Beeinflussung be-
kannter Art, und sie betrifft besonders auch die leichtesten
Atome. Manchmal tritt die vollständige Umwandlung verspätet,
nach Aufhören der äußeren Beeinflussung ein, verbunden mit
Strahlenaussendungen („künstliche Radioaktivität"). Es sind
das Änderungen von Atomen, die nach Willkür erfolgen, die
aber bisher nur bei einem verschwindend kleinen Bruchteil der
bearbeitenden Atome gelingen.

Es ist nach solchen Erfahrungen zu erwarten, daß freie Pro-
tonen häufig vorkommen, wo genügend schnell bewegte Elek-
tronen Materie durchqueren; sie vereinigen sich aber wohl
schnell mit den Elektronen zu Wasserstoffatomen. Eine Wasser-
stoff-Entladungsröhre in Tätigkeit enthält stets viele freie
Protonen; bringt man ein geeignetes elektrisches Feld an, so
kann man diese Protonen beliebig beschleunigen und intensive
Protonenstrahlen erhalten. Sie sind dasselbe wie Wasserstoff-
Kanalstrahlen. Sie bieten in ihren Wirkungen auf Materie,
deren Atome sie durchqueren, selber ein wichtiges Unter-
suchungsmittel zu weiterer Erforschung des Inneren von Ato-
men; sie geben auch Atomumwandlungen. Bemerkenswert ist
es, daß unter ihrem Einfluß leichte Atome, wie Li, a-Partikel
abgeben, so daß diese Partikel — He-Kerne, Gruppierung von
zwei Kerndynamiden und zwei Protonen — nicht nur in den
Kernen der schweren, radioaktiven Atome, sondern auch in
denen der anderen Atome als Gruppen besonderen Zusammen-
halts erkennbar werden. Die Abgabe dieser Gruppen erfolgt
auch aus den leichten Atomen mit Energieaufwand aus deren
Innerem.

Oktober 1944 / Die Bewegung / Seite 3
 
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