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Das Kino der Zukunft, mit dem man die Weltgeschichte jahrtausendeweitzurück verfolgen kann / Nach einer Zeichnung aus dem Scientific American


Ist em Blick in die Vergangenheit möglich?
Von Dr. Alfred Gradenwiß

ie Altertumsforscher späterer Jahrhunderte und Jahrtausende werden
wahrscheinlich erheblich besser gestellt sein als die der Gegenwart.
Zwar reden die Kunstschöpfungen und schriftlichen Aufzeichnungen, deren
man durch Ausgrabungen habhaft wird, eine beredte Sprache und geben
im Zusammenhang mit den baulichen Überresten häufig ein lebhaftes Bild
von dem Kulturzustand früherer Zeiten, aber nur wenig ist vollkommen
erhalten, und die Phantasie mutz manche Lücken ausfüllen.
Die moderne Technik liefert mit der Photographie, vor allem mit der
Filmaufnahme die Möglichkeit, für das Auge jedes Ereignis festzuhalten.
Sprechmaschinen fixieren in ähnlicher Weise das gesprochene Wort, und
die Forscher späterer Zeiten dürften in den sprechenden Filmen ein will-
kommenes Mittel zur genauen Rekonstruktion längst vergangener Ereignisse
finden.
Weitere Möglichkeiten für eine Wiederbelebung der Vergangenheit er-
geben sich aber aus folgenden Überlegungen:
Bekanntlich sind die Fixsterne von uns so weit entfernt, datz das Licht
trotz seiner ungeheuer großen Geschwindigkeit (dreihunderttausendKilometer
in der Sekunde) Jahre braucht, um von ihnen zu uns zu gelangen. Die
Sonnenstrahlen erreichen uns nach Verlauf von acht Minuten, aber schon
das Licht des nächsten Fixsternes braucht für eine Erdreise volle vier Jahre;
der Sirius ist acht „Lichtjahre" von uns entfernt, und die Entfernungen
anderer Fixsterne gehen vielfach bis in die Hunderte und Tausende von
Lichtjahren. Neuerdings hat man außerhalb unserer Milchstraße ungeheure
Anhäufungen von Fixsternen entdeckt, die jede für sich eine Welt wie die
der uns verhältnismäßig nahe liegenden
Milchstraße darstellen, von denen aber
schon die nächste siebenhunderttausend
Lichtjahre von uns entfernt ist.
Denken wir uns nun auf irgend
einem dieser Sterne vernunftbegabte
Wesen, die mit genügend starken Fern¬
rohren versehen sind, so würden diese
nicht die gegenwärtigen Vorgänge auf
unserer Erde beobachten können, son¬
dern das, was in frühererZeit geschehen
ist. Von einem etwa zweitausend Licht¬
jahre entfernten Stern aus würde man
die Ereignisse vom Beginn unserer Zeit¬
rechnung sehen. Befände sich aber der
Beobachter auf einem drei- bis vier¬
tausend Lichtjahre entfernten Stern, so
hätte er die Möglichkeit einer Wahr¬
nehmung der Ereignisse aus biblischer
und vorbiblischer Zeit. Ja, die Bewoh¬
ner der neuerdings entdeckten, Hundert¬
tausende von Lichtjahren entfernten

Sternenwelten würden sehen, was in früheren geologischen Zeitläuften,
lange vor Beginn der menschlichen Geschichte, auf unserer Erde vor sich ging.
Freilich ist, solange wir nichts Schnelleres kennen als das Licht, ein
Überholen der Ereignisse und ein Eintauchen in die Vergangenheit auf
diesem Wege noch nicht denkbar. Hierzu würde erst die Verwirklichung eines
kürzlich von einem amerikanischen Elektroingenieur geäußerten Gedankens
führen, der im folgenden kurz dargelegt werden soll:
M. Luckiesh, der Leiter eines Forschungslaboratoriums der General
Electric Company zu Schenectady, ist als Fachmann auf dem Gebiet des
Beleuchtungswesens bekannt und keineswegs ein bloßer Phantast, und seine
Äußerungen im „Scientific American" sind derart, daß im Zusammenhang
mit den Ergebnissen der Radiotechnik eine spätere Verwirklichung keines-
wegs außerhalb des Bereichs der Möglichkeit liegt.
Luckiesh wirft die Frage auf, ob die Vergrößerung von Fernrohren nicht
durch Einschaltung eines elektrischen Bindegliedes über die bisher bestehen-
den Grenzen hinausgetrieben werden könnte. Er denkt hierbei an eine
ähnliche Versuchsanordnung, wie man sie zur Bildtelegraphie, das heißt
zur telegraphischen Fernübertragung von Photographien und anderen
Bildern, benützt, eine Anordnung also, bei der Beleuchtungswerte in
elektrische Energie und diese wieder in Beleuchtungswerte zurückverwan-
delt werden. Während nämlich die Möglichkeiten einer rein optischen Ver-
größerung eng begrenzt sind, stößt die Vervielfachung elektrischer Größen
auf so gut wie kein Hindernis. In der Radiotechnik vermag man ja durch
Anwendung von Verstärkerröhren auch die winzigsten Ströme in sehr
beträchtliche, durchaus wahrnehmbare
Beträge umzuwandeln, und ebenso ist
die Konstruktion eines Fernrohres, dessen
Vergrößerung durch die Einführung
eines elektris ch enZwisch englied es auß er-
ordentlich verstärkt wäre, sehr wohl
denkbar.
Mit einem derartigen Instrument
aber könnten wir zunächst alle Pro-
bleme der Astronomie endgültig lösen
und zum Beispiel über die Natur der
Marskanäle Aufschluß gewinnen. Fer-
ner wäre es möglich, entfernte Gegen-
den des Sternenhimmels nach neuen
Milchstraßen, neuenWeltenzu durchfor-
schen. Außerdem aber könnten wir an
die Verwirklichung des oben angedeute-
ten, vom rein menschlichen Standpunkt
aus noch ungleich interessanteren Planes
denken, könnten den Versuch machen,
die Geschichte der Menschheit in allen
ihren Phasen neu zu beleben, sie wie
 
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