Schwesterchen / Phot. Jobst, Wien
Mr ^nmut / Don A.
^^>ohl alle Eltern haben den berechtigten Wunsch, daß ihre Kinder mit
(^4^einem recht angenehmen Äußern ausgestattet sein möchten, da es als
eine Art Freibrief gilt, der den Lebensweg erleichtert. Um zu diesem Ziel
zu gelangen, bemüht man sich eifrig, den äußeren Menschen durch die
Kleidung dem Auge wohlgefällig zu gestalten. Das gelingt aber nur zum
Teil, wenn nicht auch noch eine ganze Anzahl ebenso wichtiger Gesichts-
punkte berücksichtigt werden. Selbst die Regelmäßigkeit und Formen-
schönheit eines Gesichts sind es nicht, die uns anmuten. Nur die Anmut des
Wesens verleiht ein wirklich sympathisches Außeres, das den Weg zu den
Herzen der Menschen erschließt. Ungemein viel kann schon in der Kinder-
stube dazu beigetragen werden, um an der Hand von geeigneten Maß-
nahmen dem Kinde diese köstliche Mitgabe fürs Leben zu verleihen. Wenn
man sich klarmacht, daß nicht die schöne Form, sondern der Ausdruck ein
Gesicht sympathisch oder absprechend erschei¬
nen läßt, so ist bereits ein Fingerzeig gegeben,
daß auf die Pflege des Gesichtsausdrucks
schon von klein auf das Augenmerk gerichtet
werden muß, eine Aufgabe, die in das see-
lische Gebiet fällt. An einem Beispiel läßt
sich die Richtigkeit dieser Behauptung sofort
beweisen. So wirkt ein Kind, das zwar ein
hübsches Gesichtchen, aber mürrische Launen
aufweist, in nicht zu ferner Zeit abstoßend,
da sein unfreundliches Wesen nach und nach
unschöne Züge im Gesicht hinterläßt. Es ist
bekannt, daß das Außere der Spiegel der
Seele ist, folglich ergibt sich von selbst, daß
die Pflege des Äußeren in erster Linie von
innen heraus zu erfolgen hat. So ist es wohl
möglich, daß sich bei einem Kind, das eine
neidische, mißgünstige Veranlagung hat, im
Gesicht ein scheeler, feindseliger Zug ein-
nistet. Auch hochmütige Sinnesart, Zorn,
Wut, Verschlagenheit, Dreistigkeit beein-
flussen den Gesichtsausdruck. Bleiben diese
Eigenschaften bestehen, so zeichnen sie sich
von Jahr zu Jahr schärfer im Antlitz ab, ja, sie geben dem Wesen das Ge-
präge. Der richtigste und erfolgreichste Weg, um zu verhüten, daß etwaige
unschöne Charaktereigenschaften, von denen schließlich niemand ganz frei ist,
ihre Spuren im Gesicht eines Menschen hinterlassen, ist der, daß man von
frühester Jugend an kein „Sichgehenlassen" duldet. Schon ein Kind kann
es begreifen, daß sich ein gesitteter Mensch äußerlich durch seine von innen
heraus gepflegte Erscheinung von dem unbeherrschten, ungezügelten Roh-
menschen unterscheidet, und man kann es dem Kinde unschwer klarmachen,
welch ein himmelweiter Unterschied zwischen einem Kinde besteht, das ge-
lernt hat, unschöne'Regungen niederzukämpfen und dementsprechend seinen
Gesichtsausdruck zu meistern, und einem vernachlässigten Kinde, das sich
gehen läßt, dem man „eine schlechte Kinderstube" ansieht. Kinder zur
Menschenfreundlichkeit erziehen, heißt, liebenswürdige Kinder heranbilden,
und Liebenswürdigkeit ist Anmut.
Jedoch nicht minder groß ist die Rolle, die
das körperliche Moment bei der Erziehung
zur Anmut spielt. Duldet man, daß ein Kind
durch den Mund atmet, womöglich gar noch
mit vorgelegter Zunge, so erhält das Gesicht
einen blöden Ausdruck. Sind Nasen- und
Rachenkrankheiten die Ursache, so muß schleu-
nigst durch hygienische Maßnahmen auf
deren Beseitigung hingearbeitet werden, be-
vor der blöde Ausdruck festgewurzelt ist.
Häufiges Verziehen der Gesichtsmuskulatur,
wie Hochziehen der Augenbrauen, Zornfal-
ten, Zusammenkneifen der Augen, sind üble
Angewohnheiten, die bekämpft werden kön-
nen, bevor sie ihre Runen im Antlitz einge-
grabenhaben.Unschöner, plumper Gang, eine
unmanierliche Sprechweise sind ebenfalls
Feinde der Anmut, selbst vorlautes, unbe-
scheidenesWesen,unfreundlicheMienenwür-
den ein Hinderungsgrund sein. „Fröhliche
Herzen, anmutige Mienen ziehen die Men-
schenherzen an wie die Blumen die Bienen!"
Ringelreihen Rosenkranz.../Scherenschnitt von RostLs
Mr ^nmut / Don A.
^^>ohl alle Eltern haben den berechtigten Wunsch, daß ihre Kinder mit
(^4^einem recht angenehmen Äußern ausgestattet sein möchten, da es als
eine Art Freibrief gilt, der den Lebensweg erleichtert. Um zu diesem Ziel
zu gelangen, bemüht man sich eifrig, den äußeren Menschen durch die
Kleidung dem Auge wohlgefällig zu gestalten. Das gelingt aber nur zum
Teil, wenn nicht auch noch eine ganze Anzahl ebenso wichtiger Gesichts-
punkte berücksichtigt werden. Selbst die Regelmäßigkeit und Formen-
schönheit eines Gesichts sind es nicht, die uns anmuten. Nur die Anmut des
Wesens verleiht ein wirklich sympathisches Außeres, das den Weg zu den
Herzen der Menschen erschließt. Ungemein viel kann schon in der Kinder-
stube dazu beigetragen werden, um an der Hand von geeigneten Maß-
nahmen dem Kinde diese köstliche Mitgabe fürs Leben zu verleihen. Wenn
man sich klarmacht, daß nicht die schöne Form, sondern der Ausdruck ein
Gesicht sympathisch oder absprechend erschei¬
nen läßt, so ist bereits ein Fingerzeig gegeben,
daß auf die Pflege des Gesichtsausdrucks
schon von klein auf das Augenmerk gerichtet
werden muß, eine Aufgabe, die in das see-
lische Gebiet fällt. An einem Beispiel läßt
sich die Richtigkeit dieser Behauptung sofort
beweisen. So wirkt ein Kind, das zwar ein
hübsches Gesichtchen, aber mürrische Launen
aufweist, in nicht zu ferner Zeit abstoßend,
da sein unfreundliches Wesen nach und nach
unschöne Züge im Gesicht hinterläßt. Es ist
bekannt, daß das Außere der Spiegel der
Seele ist, folglich ergibt sich von selbst, daß
die Pflege des Äußeren in erster Linie von
innen heraus zu erfolgen hat. So ist es wohl
möglich, daß sich bei einem Kind, das eine
neidische, mißgünstige Veranlagung hat, im
Gesicht ein scheeler, feindseliger Zug ein-
nistet. Auch hochmütige Sinnesart, Zorn,
Wut, Verschlagenheit, Dreistigkeit beein-
flussen den Gesichtsausdruck. Bleiben diese
Eigenschaften bestehen, so zeichnen sie sich
von Jahr zu Jahr schärfer im Antlitz ab, ja, sie geben dem Wesen das Ge-
präge. Der richtigste und erfolgreichste Weg, um zu verhüten, daß etwaige
unschöne Charaktereigenschaften, von denen schließlich niemand ganz frei ist,
ihre Spuren im Gesicht eines Menschen hinterlassen, ist der, daß man von
frühester Jugend an kein „Sichgehenlassen" duldet. Schon ein Kind kann
es begreifen, daß sich ein gesitteter Mensch äußerlich durch seine von innen
heraus gepflegte Erscheinung von dem unbeherrschten, ungezügelten Roh-
menschen unterscheidet, und man kann es dem Kinde unschwer klarmachen,
welch ein himmelweiter Unterschied zwischen einem Kinde besteht, das ge-
lernt hat, unschöne'Regungen niederzukämpfen und dementsprechend seinen
Gesichtsausdruck zu meistern, und einem vernachlässigten Kinde, das sich
gehen läßt, dem man „eine schlechte Kinderstube" ansieht. Kinder zur
Menschenfreundlichkeit erziehen, heißt, liebenswürdige Kinder heranbilden,
und Liebenswürdigkeit ist Anmut.
Jedoch nicht minder groß ist die Rolle, die
das körperliche Moment bei der Erziehung
zur Anmut spielt. Duldet man, daß ein Kind
durch den Mund atmet, womöglich gar noch
mit vorgelegter Zunge, so erhält das Gesicht
einen blöden Ausdruck. Sind Nasen- und
Rachenkrankheiten die Ursache, so muß schleu-
nigst durch hygienische Maßnahmen auf
deren Beseitigung hingearbeitet werden, be-
vor der blöde Ausdruck festgewurzelt ist.
Häufiges Verziehen der Gesichtsmuskulatur,
wie Hochziehen der Augenbrauen, Zornfal-
ten, Zusammenkneifen der Augen, sind üble
Angewohnheiten, die bekämpft werden kön-
nen, bevor sie ihre Runen im Antlitz einge-
grabenhaben.Unschöner, plumper Gang, eine
unmanierliche Sprechweise sind ebenfalls
Feinde der Anmut, selbst vorlautes, unbe-
scheidenesWesen,unfreundlicheMienenwür-
den ein Hinderungsgrund sein. „Fröhliche
Herzen, anmutige Mienen ziehen die Men-
schenherzen an wie die Blumen die Bienen!"
Ringelreihen Rosenkranz.../Scherenschnitt von RostLs