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Die Trommel schlägt zum Streite ... / Nach einem Gemälde von Prof. Anton Hoffmann


lenas Schlafzimmer im ersten Stock ging hinaus nach dem Hof
an der Rückseite des Hauses. Groß und hoch, war es einstmals
für eine italienische große Dame mit allem Raffinement der
Renaissance ausgestattet gewesen, hatte Deckengemälde, dein
Geist der Zeit entsprechend, Götter und Nymphen in fröhlicher
Zärtlichkeit zeigend, jetzt stark nachgedunkelt und stellenweise mit
häßlichen Kalkflecken bedeckt, hatte geschnitzte Paneele und geheim-
nisvolle Wandschränke, in deren Tiefe man immer noch tiefere
unheimliche Geheimnisse ahnte, hatte umlaufend unter der Decke
einen Fries von Stuck, dicke Fruchtgirlanden, alle zwei Meter
weit in einen goldenen Kranz endend. Es war von allen Räumen
des Hauses derjenige gewesen, der sich am besten gehalten hatte.
Elena hatte ihn sofort für sich mit Beschlag belegt.
Das Aussehen ließ sich mit Decken und Vorhängen, mit Mö-
beln und allerlei Kleinigkeiten leidlich Herrichten, nur der dumpfe
Moderdunst, der den ganzen Kasten vom Keller bis unter das
Dach füllte, der war nicht zu vertreiben. Da half kein Parfüm,
so reichlich Giulietta es ausstüubte, und bei jedem Versuch, durch
Lüften die Sache zu verbessern, drangen ganze Wolken von
Miasmen herein und verschlimmerten die Pein. Mein Gott, ja —
Moder und Fäulnis! Sie hatte es kennengelernt durch viele
Jahre. Aber es erträgt sich leichter, wenn eine dicke grüne Samt-
decke über dem Sumpf liegt, die nur ein bißchen unter den Füßen
zittert, gerade so viel, um ein angenehmes Schaltern hervorzu-
rufen. Gefahr regt das Leben an. Unsicherheit peitscht jeden Ge-
nuß zum Entzücken auf. Und schließlich — man gewöhnt sich an
chiese schwankende Decke und geht mit leichten Füßen über sie hin.
Wenn nur der Sumpf da unten nicht durchdringt und die seidenen
Schuhe befleckt.
Er war durchgedrungen. Er ließ sich nicht mehr unter der Decke
halten. Mit den kleinsten verwöhnten Füßen mußte man mitten

hindurchgehen und so tun, als spüre man gar nicht, wie es häßlich
und unsauber unter den Sohlen aufquoll.
Elena war nicht die Frau, sich lange unangenehmen Gedanken
hinzugeben. Sie hatte es nie getan. Als Kind war sie auf Händen
getragen worden. Der fröhliche Vater, die schöne rumänische
Mutter, die Erzieherin, die Dienstboten — keiner hatte ihr ein
kurzes Wort gesagt.
Und Sergei — Sergei konnte wohl mit der Reitpeitsche zu-
schlagen in jäher Wut — das nahm man hin wie ein Erdbeben
oder einen Blitzschlag—, aber einer Dame häßliche Worte sagen —
Niemals.
„Giulietta, gib mir die Flasche mit White Rose. Es ist heute
ganz unerträglich. Eure Kanäle riechen nicht, sie" — ein Helles
Auflachen — „sie stinken. Man muß für solche böse Sache schon
ein böses Wort brauchen."
„Es war warm heute, Frau Baronin. Und wenn dann die
Ebbe kommt, dann riecht der Schlamm."
„Reizende Aussicht. Heute warm, und morgen wärmer, und
bald heiß, ganz heiß — es wird nicht zum Aushalten sein."
„Bis dahin wird der Herr Baron einen anderen Palazzo ge-
funden haben, einen draußen am Meer. Oder eine schöne Villa
auf der Insel, mitten im Garten, wo Frau Baronin zwischen
Rosen und Tulpen gar nicht mehr an das häßliche Haus hier
denken wird."
Sie wußte ganz genau, was die Herrin hören wollte.
„Er wird kein anderes Haus finden. Er kann auch gar kein
anderes brauchen, glaube ich. Gib mir die Ringe, Giulietta. Wo
ist der Schlangenring mit dem Rubin? Ich streifte ihn vorhin ab,
als du die Nägel poliertest. Dort auf dem Toilettentisch muß er
liegen."
Er lag dort nicht. Giulietta bückte sich und suchte auf dem
 
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