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Heft 2


Das Buch für Alle

35



Strömt unser Gehirn elektrische Wellen aus?
Von Dr. Alfred Gradenwitz

atz die Vorgänge im Gehirn zum Teil elektrischer Natur sind, datz mit
anderen Worten alle geistigen und seelischen Prozesse von elektrischen
Erscheinungen begleitet, wenn nicht gar bedingt sind, wird durch mancherlei
Umstände wahrscheinlich gemacht. Erstens konnte man bei allen Muskel-
zusammenziehungen, zum Beispiel des Herzmuskels, elektrische Ströme
(die sogenannten Aktionsströme) nachweisen; ferner weitz man längst, datz
unser Organismus auf elektrische Einwirkungen der verschiedensten Art
reagiert und von ihnen entweder wohltuend oder nachteilig beeinflußt wird.
Schließlich aber erkennt man zwischen den offenbar bestehenden Erschei-
nungen der Gedankenübertragung und dem Vorgang des Rundfunks — der
allseitigen Fernübertragung lautlicher Vorgänge durch elektrische Wellen —
eine so weitgehende Übereinstimmung, datz man schon oft in derartigen
Wellen auch die Träger des Gedankens hat sehen wollen.
Datz eine solche Vermutung ein gewisses Matz von Wahrscheinlichkeit
beanspruchen kann, beweisen die Versuche von Professor F. Lazzamalli,
der zum mindesten bei seelisch besonders empfindlichen Personen elektrische
Gehirnwellen beobachtet hat. Zwar müßten diese Versuche, um ein ab-
schließendes Urteil zu gestatten, noch weiter fortgesetzt und nachgeprüft
werden; aber schon jetzt scheint es, als ob bei jedem seelischen Vorgang vom
Gehirn elektrische Wellen ausgesandt werden, die von derselben Art sind wie
die im Rundfunk benutzten und die auch mit einem Rundfunkempfänger
nachgewiesen werden. Cazzamallis Versuche erstrecken sich einmal auf einen
Wellenbereich von dreihundert bis viertausend Meter, anderseits auf kurze
Wellen — von hundert bis zwanzig Meter.
Nun sind seit einiger Zeit zwei junge Berliner Physiker, Arno Brasch und
Kurt Urban, mit Versuchen ähnlicher Art beschäftigt, die auf noch breiterer
Basis angelegt sind und jede Fehlermöglichkeit ausschlietzen dürften. Sie
haben sich hierbei eine Anzahl Einzelfragen gestellt, und zwar wollten sie
wissen, ob grundsätzlich jede Lebensäutzerung von elektrischen Wirkungen

begleitet sei, ferner, ob im besonderen bei der Gehirntätigkeit elektrische
Schwingungen auftreten, und drittens, ob diese Schwingungen elektro-
magnetische Felder erzeugen, die ihrerseits eine Fernwirkung bedingen.
Außerdem aber wollten sie die etwaige Beeinflussung des Menschen durch
elektromagnetische Felder und den immerhin wahrscheinlichen elektrischen
oder magnetischen Sinn der Vögel untersuchen. Ihre Versuche beschränken
sich ausschließlich auf Methoden, die einer physikalisch eindeutigen Messung
zugänglich sind und für deren Durchführung die Verfahren und Apparate
der modernen Hochfrequenztechnik zu Gebote standen.
Die von den beiden Experimentatoren benutzte Apparatur war daher
auch von denkbar größter Genauigkeit und Zuverlässigkeit und gestattete den
Nachweis auch der allerkleinsten Spuren von Energie. Sie war in einem
gepanzerten Raum, einem sogenannten Faradayschen Käfig, untergebracht,
in dem sich auch die Versuchsperson befand, so datz alle von außen kommen-
den störenden Elektrizitätswirkungen vollkommen abgeschirmt waren.
Um zum Beispiel zu ergründen, ob die Denkreaktionen der Versuchsperson
von dem Auftreten elektrischer Felder begleitet sind, wird um den Kopf der
Versuchsperson eine Selbstinduktionsspule gelegt, deren Windungszahl
dem zu untersuchenden Frequenzbereich entspricht. Die Spule arbeitet,
um eine Untersuchung des gesamten Frequenzbandes zu gestatten, auf
einen gegen Elektrizität und Wärme gesicherten Einröhrenempfänger. An
diesen schließt sich ein Niederfrequenzverstärker an, der im Höchstmaß für
sechs Stufen, das heißt ebensoviel Röhren, eingerichtet und für seinen
Zweck besonders gebaut ist; in allen Teilen, die elektrische Spannung
führen, ist dieser Verstärker durch Metallschilder abgeschirmt. Eine Metall-
kappe schützt ihn vor äußeren Störungen, und besondere Registrieroor-
richtungen legen von Anfang bis Schluß des Experiments das Verhalten
der Versuchsperson genau fest. Auf diese Weise aber werden Störungen
durch die Aktionsströme der Muskeln in weitestem Umfange ausgeschaltet.


Ein Versuch zur Demonstration der elektrischen Wellen, die beim scharfen Denken vom Gehirn ausgesandt werden


2. 1927
 
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