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Das Buch für Alle


Der Kauber aus dem Meeresgrund
von Waller Voje / Mit vier Tiefseeaufnahmen aus dem Ufa-Film „Die Wunderwelt des blauen Golfes

sO"lumps!" sagte das Wasser, spritzte noch einmal auf, und dann ließ es
?-^sich seine kunstvollen regelmäßigen Kreise durch die Kiellinie des dem
Lande zustrebenden Kahnes zerstören. Der große unförmige Tonkrug, den
menschliche Bosheit soeben in den Golf von Neapel versenkt hatte, gluckste
zum Abschied noch einmal tief und schwer auf, dann ertrank er mit einem
erstickten Seufzer und sank — sank — sank — bis er in grünlich schimmernder
Dämmerung auf dem Meeresgrund anlangte. Da lag er nun in seiner
ganzen Behäbigkeit— sein Durchmesser betrug mindestens ein Meter —
und war nur durch einen handfesten Strick, an dem eine schwimmende
Korkplatte befestigt war, noch mit der Oberwelt verbunden. Die Umgebung,
in der er sich jetzt befand, war höchst verdächtig. Vor ihm glotzten zwei
große brutal-intelligente Augen durch das grüne Halbdunkel. Der In-
haber dieses fabelhaften Sehwerkzeuges war ein Krake, den irgend ein
widriges Geschick aus seiner bisherigen Behausung herausgejagt hatte.
Diese weiche, knochenlose Molluske schien an dem ihr schwarz entgegen-
gähnenden Schlund des Tonkruges besonderes Gefallen gefunden zu
haben. Da sie sich nicht erst groß umzudrehen brauchte, sondern aus jeder
Ruhestellung gleich nach allen Seiten kriechen konnte, erhob sie den Kopf,
breitete die Arme aus mit etwas auf das vierte Armpaar geneigtem Körper
und seitlich gewendeter Trichteröffnung und stelzte auf den beiden mittleren
Paaren heran. Dann kroch sie, vergnügt, um den Neubau einer Burg
herumgekommen zu sein, in den Krug hinein und lauerte. Da begann
sich ihre neue feste Behausung sanft aufzurichten, zu drehen und

schwebte langsam, fast unwirklich, in die Höhe. Immer Heller wurde es
in ihrer dunklen Wohnung, und schließlich war es so hell wie niemals
auf dem Meeresgrund. Die Augen begannen ihr zu schmerzen, denn die
letzten Sonnenstrahlen trafen gerade in die Öffnung des Kruges hinein,
der eben aus dem Wasser in den Kahn gehoben wurde. Uber den Krug
wurde ein Stück Segeltuch gebunden, um dem gefangenen Kraken, der
schon mit seinen Armen unternehmungslustig herausangelte, den Weg zur
Flucht abzuschneiden. So wurde ein Krug näch dem anderen heraufgeholt,
bis die Dunkelheit hereingebrochen war. Dann ging es mit raschen Ruder-
schlägen dem Lande zu, wo die Krüge in den Hof einer nahen Fischerhütte
gestellt wurden. Nach einem schnellen Imbiß schleppten die Männer die
Krüge einzeln ins Haus und machten den Kraken, die in Neapel zu den
Leckerbissen gehören, den Garaus.
Während die Fischer die ersten Mollusken durch einen Biß in den Kopf
oder einen Messerstich vom Leben zum Tode brachten, verspürte der Krake
in dem großen Tonkrug, aus dem man selbstverständlich alles Wasser ent-
fernt hatte, plötzlich einen kühleren Luftzug in seinem festen Verlies. Mit
den Armen tastete er schleunigst umher, siehe da, der Segeltuchverschluß
hatte sich gelöst, und der Polyp machte, daß er herauskam. Er war sofort
im klaren, wo sich das Meer befand, obgleich es schwarze, mondlose Nacht
war, aber sein Instinkt arbeitete wunderbar, und in gerader Richtung
steuerte er in merkwürdig schaukelnder, aber doch ziemlich schnell fördernder
Bewegung auf das feuchte Element zu. Ohne Schwierigkeiten stieg er

Schwimmender Polyp, gemeiner Krake. Er braucht seine Fangarme zum Stoßschwimmen / Nach einer Tiefseeaufnahme der Ufa
 
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