Heft 2
Das B u ch für 2t l l e
Laufender Krake auf dem Meeresgrund / Nach einer Tiefseeaufnahme der Ufa
über die Hofmauer, und dann kroch er, zornig wie er war, in höchster Er-
regung seiner nassen Heimat zu, in die er sich eilends hineinstürzte, um vor-
läufig nicht wieder auf eine solche Bosheit hereinzufallen. Jetzt schwamm
er, bald vornehm langgestreckt, bald dick aufgeblasen, dem Grunde zu und
stiesz dabei das eingezogene Wasser ruckweise durch den Trichter, bis er end¬
losen Seeräubers. Die Speisereste warf der Polyp nach Verlauf zweier
weiteren Stunden ebenfalls vor sich hin.
Nun aber mutzte er doch darangehen, sich eine Burg zu bauen. Aufmerk-
sam drangen die klugen Augen durch die Dunkelheit, und schon rollte sich
ein Arm um einen naheliegenden Stein und wälzte ihn heran. Ein
lich mitten in einem Schwarm
wohlgemästeter Krabben an-
langte. Ehe sich diese in Sicher-
heit bringen konnten, hatte er
mit beispielloser Heftigkeit
und Schnelligkeit die grötzte
herausgegriffen, die im näch-
sten Augenblick zwischen den
die Mundöffnung umstehen-
den Hautlappen verschwand.
Während er ihr mit Giftbissen
die dicke Kalkschale zertrüm-
merte, hatte sich das zweite
Armpaar, die Hauptangriffs-
und Verteidigungswaffe, um
eine ahnungslos dahinschwim-
mende gelbbraune Muräne
geschlängelt und hielt mit sei-
nen Saugnäpfen das sich ver-
zweifelt windende Opfer wie
mit Eisenklammern fest, bis
nach Verlauf einer knappen
Stunde der leere Kalkpanzer
der Krabbe zum Vorschein
kam. Dann wanderte der ge-
schmeidige glatte Fisch ebenso
nach dem Rachendesknochen-
Krake im Schutz seines Tintenschusscs / Nach einer Tiefseeaufnahme der Ufa
umgebrochener Korallenstock
wurde gleichfalls herbeige-
schleppt. Stundenlang arbei-
teten die weichen zähen Arme
und türmten Baustein auf
Baustein; und als sich in die
Finsternis langsam hellere
grüne Töne stahlen und den
hereinbrechenden Tag ver-
kündeten, da hockte der Krake
schon hinter Wall und Graben
und häufte — ordnungslie-
bend, wie er nun einmal war
— sämtliche Speisereste vor
dem Eingang zu einer Art
Schutzwehr auf. Zufrieden
thronte er so in seiner Festung
und starrte mit großen Augen
teilnahmlos in die Gegend.
Gleichgültig waren ihm die
Röhrenwürmer, die überall
rus ihren langgestreckten Le-
derkollern herausfächelten,
höchst gleichgültig war ihm
auch der „Gürtel der Venus",
eine Qualle, der das hauch-
zarte, wunderbar durchsichtige
Das B u ch für 2t l l e
Laufender Krake auf dem Meeresgrund / Nach einer Tiefseeaufnahme der Ufa
über die Hofmauer, und dann kroch er, zornig wie er war, in höchster Er-
regung seiner nassen Heimat zu, in die er sich eilends hineinstürzte, um vor-
läufig nicht wieder auf eine solche Bosheit hereinzufallen. Jetzt schwamm
er, bald vornehm langgestreckt, bald dick aufgeblasen, dem Grunde zu und
stiesz dabei das eingezogene Wasser ruckweise durch den Trichter, bis er end¬
losen Seeräubers. Die Speisereste warf der Polyp nach Verlauf zweier
weiteren Stunden ebenfalls vor sich hin.
Nun aber mutzte er doch darangehen, sich eine Burg zu bauen. Aufmerk-
sam drangen die klugen Augen durch die Dunkelheit, und schon rollte sich
ein Arm um einen naheliegenden Stein und wälzte ihn heran. Ein
lich mitten in einem Schwarm
wohlgemästeter Krabben an-
langte. Ehe sich diese in Sicher-
heit bringen konnten, hatte er
mit beispielloser Heftigkeit
und Schnelligkeit die grötzte
herausgegriffen, die im näch-
sten Augenblick zwischen den
die Mundöffnung umstehen-
den Hautlappen verschwand.
Während er ihr mit Giftbissen
die dicke Kalkschale zertrüm-
merte, hatte sich das zweite
Armpaar, die Hauptangriffs-
und Verteidigungswaffe, um
eine ahnungslos dahinschwim-
mende gelbbraune Muräne
geschlängelt und hielt mit sei-
nen Saugnäpfen das sich ver-
zweifelt windende Opfer wie
mit Eisenklammern fest, bis
nach Verlauf einer knappen
Stunde der leere Kalkpanzer
der Krabbe zum Vorschein
kam. Dann wanderte der ge-
schmeidige glatte Fisch ebenso
nach dem Rachendesknochen-
Krake im Schutz seines Tintenschusscs / Nach einer Tiefseeaufnahme der Ufa
umgebrochener Korallenstock
wurde gleichfalls herbeige-
schleppt. Stundenlang arbei-
teten die weichen zähen Arme
und türmten Baustein auf
Baustein; und als sich in die
Finsternis langsam hellere
grüne Töne stahlen und den
hereinbrechenden Tag ver-
kündeten, da hockte der Krake
schon hinter Wall und Graben
und häufte — ordnungslie-
bend, wie er nun einmal war
— sämtliche Speisereste vor
dem Eingang zu einer Art
Schutzwehr auf. Zufrieden
thronte er so in seiner Festung
und starrte mit großen Augen
teilnahmlos in die Gegend.
Gleichgültig waren ihm die
Röhrenwürmer, die überall
rus ihren langgestreckten Le-
derkollern herausfächelten,
höchst gleichgültig war ihm
auch der „Gürtel der Venus",
eine Qualle, der das hauch-
zarte, wunderbar durchsichtige