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48 ..ü!...... Das Buch für Alle »:!!>.;!!;.. Heft 2

Von kleinen Bächen und ihren Kräften

(^n den letzten Jahren wurden wiederholt Versuche mit Wasserkraftan-
(^ttagen für Alpenvereinshütten gemacht, deren Feuerung und Beleuch-
tung vielfach recht schwierig ist. Die Ergebnisse waren günstig, und es dürfte
daher ein allgemeines Interesse vorliegen, über die Einrichtung und
Leistungsfähigkeit solcher Anlagen, die auch in der Ebene sehr nutzbringend
sein können, Näheres zu erfahren. Neben einer wesentlichen Verbesserung
der gesundheitlichen Verhältnisse auf den Hütten tritt auf die Dauer eine
solche Verringerung der Holz- und Kohlenbeförderung ein, daß sich die
Anlage sehr bald als wirtschaftlich nütz¬
lich erweist. So hat jetzt die Sektion
Stuttgart des Deutschen und Österreichi¬
schen Alpenvereins beim Neubau des
Württemberger Hauses im Oberen Me-
driol bei Landeck (Lechtaler Alpen) eine
eigene Wasserkraftanlage mit einem ver¬
hältnismäßig geringen Kostenaufwand
erstellt, die bisher ausgezeichnete Dienste
geleistet hat. Die Voraussetzungen für
die Anlage des Werkes waren günstig,
weil ein gleichmäßig fließender Vach in
nächster Nähe des Neubaus vorhanden
war. Der Bach fließt hundert Meter ober¬
halb der Hütte durch einen kleinen Berg¬
see, der ein natürliches Staubecken bildet.
Die Fassung dieses Baches erfolgte in
zweiundzwanzig Meter Höhe über der
Hütte durch ein in die Felsen eingebau-
tes Wasserschloß. Dieses bildet die End¬
stelle der hundertzehn Meter langen, zur
Hütte führenden Wasserdruckleitung, die
aus hundertfünfundzwanzig Millimeter
weiten Mannesmannstahlröhren besteht
und, wie unsere Abbildung zeigt, zum
Teil frei aufliegend, zum Teil in die
Felsen aufgeschraubt in Stücken von drei
bis vier Meter Länge verlegt wurde.
Diese Leitung, die etwa dreißig Sekun¬
denliter Wasser führt, speist neben dem
Wasserbedarf des Hauses samt den Spül¬
aborten die von der Maschinenfabrik E߬
lingen gelieferte Turbine neuesten Mo¬
dells. Trotz des verhältnismäßig niedrigen
Wasserdruckes von etwa sechzehn Meter
Nettogefälle konnte noch eine von dieser
Firma gebaute selbstregelnde Petersen-
Dynamo mit der Turbine so zusammen¬
gebautwerden, daß Turbine und Dynamo
eine gemeinsame Welle erhielten, die auf
Kugellagern läuft.
Die ganze auf einem nur 50x50 Zenti-
meter großen Fundament stehende und
etwa zwei Quadratmeter Fläche einneh¬
mend e Anlage b edarf w ed er irgendw elch er
Regler noch der bisher notwendigen teuren Akkumulatorenanlagen und
liefert bei einfachster Bedienung einen gleichmäßigen Strom von hundert-
fünfzehn Volt Spannung und 1,5 Kilowatt. Dieser Strom reicht aus zur
Speisung von dreißig Lampen zu fünfzig Kerzen, das heißt zur Beleuch-
tung des ganzen Hauses und zu gleichzeitiger Warmwasserbereitung in
zwei Kochtöpfen, tagsüber in vier Töpfen, oder zur Zimmerwärmung

mittels zwei Sonnen. Die ganze Anlage hat ein Gewicht von fünfhundert
Kilogramm, sie ist zerlegbar in Teile bis zum Höchstgewicht von fünfund-
neunzig Kilogramm. Die Beförderung der einzelnen Teile von der auf
siebenhundertsechzig Meter Höhe liegenden Talstation zur ersten Raststation
auf vierzehnhundert Meter erfolgte durch Träger und von da durch Trag-
tier auf zweitausendzweihundert Meter zur Hütte.
Auf diese Weise ist nicht nur die Beleuchtung und Heizung zahlreicher
anderer Hochgebirgshütten mit Hilfe vorhandener Wasserkräfte möglich,
sondern auch die Elektrizitätsversorgung
entlegener Guts- und Bauernhöfe, abge-
legener Gasthöfe und Gewerbebetriebe,
deren Anschluß an ein elektrisches Uber-
landwerk vielfach infolge der unverhält-
nismäßig hohen Kosten der Stromzu-
leitung und -umspannung wirtschaftlich
unmöglich war. Anderseits war auch der
selbständige Ausbau und Betrieb kleiner
und kleinster Wasserkräfte mit den bis-
herigen Mitteln meistens zu kostspielig,
um ernsthaft in Betracht gezogen zu wer-
den. Durch das neue patentierte System
der Maschinenfabrik Eßlingen (M. E.) ist
jedoch nunmehr der Ausbau auch der
kleinsten Wasserkräfte möglich und infolge
der geringen Anlagekosten so lohnend
geworden, daß so gut wie jede bisher
unausgenützte Wasserkraft nutzbringend
verwertet werden kann. Schon ein Ge-
fälle von 10 Meter mit 30 Liter Wasser je
Sekunde oder von 20 Meter mit 15 Liter
Wasser/Sekunde oder von 60 Meter mit
5 Liter Wasser/Sekunde stellt eine nutz-
bare elektrische Energie von 1,5 Kilowatt
Dauerleistung dar, mit der rund 115
Metalldrahtlampen von je 10 Kerzen
oder 85 von je 16 oder 57 von je 25
oder 30 von je 50 Kerzen gespeist werden
können. Mit derselben Energie lassen sich
ferner innerhalb einer Stunde je 15000
LiterWasser lOMeter Hochpumpenoder
1500 Liter Milch entrahmen, 220 Liter
Rahm verbuttern, 60 Zentner Rüben
schneiden, 10 Zentner Kraftfutter schnei-
den oder 4 große Schmiedefeuer be-
treiben.
Bei richtigerZeiteinteilungkönnen alle
diese Arbeiten innerhalb eines Tages mit
Hilfe der noch nicht drei Pferdekräfte star-
kenWasserkraft erledigt werden. Bei Nacht
kann Warmwasser bereitet und aufge-
speichert werden, oder es kann in sechs
bis sieben Nachtstunden die Batterie eines
Elektrokarrens aufgeladen werden, mit
dem Lasten von dreißig Zentner mehr als fünfzig Kilometer weit auf
ebener Strecke befördert beziehungsweise eine Tagesleistung von siebzig
bis achtzig Tonnenkilometer erzielt werden kann. Die ganze Beförderungs-
arbeit hat also der Besitzer einer solchen ebenso billigen wie lohnenden
Wasserkraftanlage umsonst. Für Gebirgsgasthöfe ergeben sich noch ver-
schiedene weitere Möglichkeiten der Stromverwertung.


Die höchstgelegene Wasserkraftanlage Europas am
Württemberger Haus in den Lechtaler Alpen
Die Wasserkraftanlage versorgt das Hochgebirgshaus mit Elek-
trizität zum Beleuchten, Heizen, Kochen und zur Warmwasser-
bereitung. Sie wurde errichtet von der Eßltnger Maschinenfabrik.
Links unten die Zuleitungsröhren
 
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