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2. Fortsetzung

vornan von
Sophie ^ioevß

^<7«^Xo Sergei war —, wirst du fragen." So fuhr nach einer
c) ^kleinen Pause Elena in ihrer Erzählung fort. „Zwei
Jahre lang hab' ich es nicht gewußt. Ich war da in einem
Zug mit Frauen und Kindern, die noch grad heraustamen, ehe
der letzte Zusammenbruch eintrat. Und ich, ihre älteste Prin-
zessin, hatte doch Zarin werden sollen, das sagte man ganz offen
in Petersburg, das war die verheißene Belohnung für Rumäniens
Abfall vom Dreibunde — ach, wer dachte daran, als wir so elend
und arm in Bukarest eintrafen. Habe noch dankbar sein müssen,
daß ich endlich bei der alten Fürstin Bibesca als Gesellschafterin
unterschlüpfen konnte. Vorleserin, Kammerzofe, Prügeljunge—"
Plötzlich in aller Erregung ein Auflachen: „O du hättest sie kennen
müssen, Joujou. Eine alte Zigeunerin. Sie schnupfte. Ihr grün-
seidener Morgenrock, in dem sieden ganzewTag herumschlurfte, der
war voller Flecken. Und
wenn sie nicht schnupfte,
rauchte sie dicke Zigarren.
Und mir sagte sie jeden
Tag: ,Schaffen Sie sich
einen Freund an, mein
Kind. Für Ihren Rang
und Ihre Herkunft gibt
Ihnen kein Mensch mehr
einen roten Heller. Es sind
reiche Kavaliere in Buka¬
rest. Die Leute haben Un-
summenverdientimKrieg.
Besonders die Schweine¬
züchter. Fleisch warteuer/
Ach, Maria, ich binman-
ches Mal hart dran ge¬
wesen, ihren Rat zu be¬
folgen, wenn die Leute,
die zu ihr kamen, nur ein
bißchenbesser ausgeschaut
hätten. Aber ich war so
verwöhnt. Weißt du —
Sergei — er hat seine
Fehler, Gott weiß, er hat
sie—aber doch—er bleibt
immer der vornehme
Mann, und wenn er Kar¬
ren schieben müßte. Sie
hatten so dicke Hände und
so kurze plumpe Finger,
und was man auf der
Straße sah von eleganten
Hofherren, das kam nicht
zu der alten Bibesca."
„Aber dann? Dann kam
Sergei und erlöste dich?"
„Ja, er fand mich her¬
aus. Und sein Rentmeister
kam, ein weißer Rabe war
der, denn er brachte uns
einen Teil der Juwelen,
die wir auf Jaskolna ver¬
grabenhatten,alsich flüch-

ten mußte. Was ich bei mir gehabt, das hatten sie mir unter-
wegs gestohlen. Davon konnten wir einen Teil verkaufen und
hierher ziehen. Sergei hatte hier Freunde gefunden in V enedig—"
Sie brach ab.
„Und nun geht es wieder aufwärts, Elena? Das Haus sah
mich erst so übel an, aber hier bei dir, hier ist alles so behaglich,
fast so etwas wie früher daheim."
„Ja ja. Es läßt sich ertragen." Was brauchte die Schwester
zu erfahren, daß die Teppiche noch nicht bezahlt waren, daß die
Vorhänge von einem Kaufmann stammten, der mit ihnen seine
Spielschulden einlöste, daß die Schmucksachen falsche Steine
führten! — Dabei gingen ihre Gedanken wieder zu dem Schlangen-
ring, dem letzten Stück aus der guten Zeit. Sie seufzte.
Dann sich zusammenreißend: „O was bin ich für eine schlechte
Schwester! Seit gestern
abend bist du gereist, und
ich lasse dich hungern und
dursten. Giulietta, Eiu-
lietta, wo bist du? Ah da,
die hat sicher hinter der
Tür gelauscht, nur gut, daß
sie kein Deutsch versteht.
Also höre, der Koch soll
sofort ein hübsches kleines
Essen Herrichten und her-
aufsenden. Ja, hierher, in
das kleine Zimmer neben-
an. Und du bedienst die
— wie nennst du dich,
Maria? Es tut nicht gut,
mit seiner Herkunft zu
prunken, wenn man in
solchem Hause wohnt."
„Ich nenne mich von
Erdmannsdorf, nach dem
Besitz meiner Mutter."
„Also du bedienst die
Baroneß Erdmannsdorf
— ja, der Name wird dir
Zungenschmerzenschaffen
— just so wie mich selber,
mein Kind. Und läßt ihr
hier nebenan ein Bett
machen — seht zu, wie
ihr das schafft. Und—" sie
lauschte auf: „Da kommt
Sergei." Wie siedas sagte,
wurde ihr Gesicht hell.
Maria dachte: sie muß ihn
immer noch sehr liebha-
ben, und dann hörte man
schon ein Klopfen an der
Zimmertüre.
„DrckrsL."
Groß, schmal, in dem
regelmäßigen Gesicht den
alten unsagbar hochmüti-
gen Ausdruck. Einer, der

Aus dem alten Venedig / Nach einer künstlerischen Aufnahme von Hans Natge
 
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