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Maria Zögerte. Sie wußte, es war nicht Sitte in Italien.
Damen gingen nicht ohne Begleitung. Aber schließlich — sie
war hier eine Fremde. Wer kümmerte sich um ihr Tun und Lassen!
So ging sie allein aus dem Hause, nachdem die alte Türhüterin
eine Gondel herangerufen hatte.
Auf dem Markusplatz war schon Leben und Bewegung. Die
Reisenden, die ihre Tage ausnutzen wollten, standen umher, den

Phot. Underwood and Underwood
Wunder der Welt: Zweihundert Jahre alte Fichte in Kioto, in Form einer japanischen Dschunke gezogen
In einem Tempel Kiotos, dem Kinkakudschi, hat sich ein höchst merkwürdiger Fichtenbaum erhalten, der von den
Tempelmönchen mit Ausdauer und Geduld allmählich in die Form eines japanischen Segelbootes gebracht worden ist.
Die Japaner sind groß in der Kunst, die natürlichen Bäume und Zierpflanzen in groteske Formen zu zwingen. Beson-
ders bei den alljährlichen Blumenfesten in Tokio hat man in der Gärtnervorstadt Dangozaka Gelegenheit, die wunder-
lichsten Auswüchse dieser Fertigkeit zu sehen: Blumen zu Figuren, Landschaften und Porträten zusammengestellt, Krieger
und Hofleute in blumengestickten Gewändern, deren Stickereien aus lebenden Blumen gebildet werden. Die Stengel
und Wurzeln werden hinter den Bambusgerippen, die als Träger des Ganzen dienen, kunstvoll verborgen.

wie bei wohlhabenden Leu¬
ten. Nicht fürstlich, gewiß
nicht. Aberdoch nicht ärmlich.
Mochte Sergei nicht, daß
jemand kam? — Aber sie
gingen aus, sie sprachen von
Gästen, die sie erwarteten.
Was half das Grübeln.
Still liegen und schlafen.
Und langsam verdäm¬
merten die Gedanken.
Bisweilen fuhr sie zusam¬
men, der hallende Schlag
des Türringes ging durch
das Haus. Einmal war ihr,
als würde die Tür geöffnet
— „Elena" wollte sie sagen
— da war es schon wieder
dunkel um sie her. Und dann
— aber am nächsten Morgen
wußte sie nicht, ob das nicht
ein Traum gewesen — ein¬
mal draußen vor der Tür
zur Loggia, dort gleich am
F enster flüsternd e Stimmen,
die zärtliche einer Frau, die
leidenschaftliche eines Man¬
nes, leises Lachen, erregte
Worte, plötzlich die Stimme
der Schwester: „Bitte, nicht
dort sprechen, meine Herr¬
schaften. Dort schläft je¬
mand." Und dann war alles
wieder still geworden.
Am Morgen, als sie er¬
wachte, zeigtediekleine Arm¬
banduhr ein Viertel auf acht.
Alles im Hause schien noch
in Schlaf zu liegen. Wie sie
klingelte, kam Giulietta,
hatte müde Augen, sah sehr
unordentlich um den Kopf
aus, fragte müde: „Will die
Baronesse schon die Schoko¬
lade haben? In der Küche
ist noch keinFeuer. DieHerr-
schaften stehen erst um zehn
auf."
„Laß nur. Ich werde erst
ein wenig hinausgehen. Hilf
mir nur die Haare ordnen."
Das war immer eine Last
gewesen und das einzige,
was sie nie recht lernen
konnte. Die dicke Florentine
hatte jeden Tag die langen
Zöpfe glätten müssen.
„Oh, wie schön!" sagte das
Mädchen und löste die rot¬
braune Pracht auseinander.
„Solch Haar habe ich noch
nicht kämmen dürfen."
„Wirst schon deine Last damit haben, Kind. Kämm' es nur und
schling es zum Knoten, man kann nichts weiter damit anfangen.
Und wenn ich hinausgegangen bin, öffne die beiden Koffer, da
sind die Schlüssel; es wird hier wohl ein Schrank sein, wo du das
unterbringen kannst, was drinnen ist. So, nun will ich mir eure
alte Wasserstadt einmal am Morgen besehen."
„Soll ich nicht mitgehen mit der Baronesse?"
 
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