Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
74

Für unsere Frauen




r war das, was man mit einem Wort ein „Original" nennt. Das will
sagen, er, der alte Heinrichbauer, war ein Mensch, der unter den
anderen ihn umgebenden Bauerntypen als Typus für sich noch besonders
herausragte. Mir selbst war das zwar damals noch nicht so richtig gegen-
wärtig — meiner noch sehr jugendlichen Anschauungswelt waren die dick
gestrichenen Honigbrote der alten Heinrichen verständlichere und erfreu-
lichere Gegenwart als die versonnenen Reden ihres alten, grauköpfigen
Eheparts. Einiges aber blieb selbst meiner kindlichen Anschauungsweise
nicht verborgen: so die Art, wie er die goldgelben, saftigen Butterbirnen
vom Spalier nahm. Er faßte sie an wie eine Mutter ihr Erstgeborenes.
Die knochigen, verschafften, braunen Altmännerhände, auf denen wie
dicke, blaue Schnüre die Adern lagen, wurden zart, behutsam, lind. Und
es war beinahe etwas wie Andacht und demütige Dankbarkeit, wenn
er, auf dem Holzblock vor dem Hause sitzend, eine der eben geernteten
Früchte atz. Datz er am Sonntag, den er sonst streng von aller Bauern-
arbeit reinhielt, besonders gerne seine goldgelben Birnen vom Baume
tat, das machte diese Tätigkeit zu einer Art christlich-heidnischen Opfer-
dienstes. Sein Sonntagsgesicht mitsamt den blütenweitzen Sonntags-
hemdärmeln gehörte unbedingt mit dazu. Er hatte ein Sonntags- und
ein Werktagsgesicht. — Warum mir das alles heute in den Sinn kommt?
Der Zweig reifer, gelber Birnen, der, beinahe brechend unter seiner
Last, über den Gartenzaun hängt, hat mich einmal wieder die Tür in das
Land der Erinnerungen finden lassen. Mir war es für einen Augenblick,
ich sähe behutsame, blaugeäderte Greisenhände sich sorglich um die reifen
Früchte legen, sie vorsichtig vom Zweige lösen—sacht, ganz sacht. Mir war,
als sähe ich sein freundliches Sonntagsgesicht und hörte die alte Stimme
das Wort sagen, das mir damals die Erklärung für seine Feierlichkeit beim
Birnenpflücken gab: „'s Korn ond d' Grombira ond d' Augersche (das sind
die Kartoffeln und die weitzen Rüben) — des braucht mer halt älles. Ohne
des ka mr net leba. Aber so a Birabäumle voll Bira — des isch wia a
G'schenk. Des isch wia a Zuckerle, des a Kend em Kauflade dreikriagt,
wenn's seira Mueter muetz en Zigore hole!"
lterHeinrichbauer—Heuer hättest du eine Freude an deinenBäumen!
So überreich haben sie lange nimmer getragen! Sie haben es wahr
gemacht, was im Frühling ihre Blüten versprachen. Sie hätten diesen
Herbst deinen alljährlichen, gewohnten, vorausschauenden Frühjahrsspruch
beschämt, wenn dein Mund nicht schon längst verstummt wäre: „Do hoscht
a Kerble — gang naus ond fill mer's mit Bira!" hat er manchmal auch
zu mir gesagt, wenn ich im Frühling die Pracht seiner blühenden Bäume
rühmte. Körbe und Säcke und Obsthürden fassen diesen Herbst den Birnen-
reichtum kaum. Nicht allerorten — versteht sich! Aber an vielen Orten
brechen die Bäume fast, so reich und groß sind ihre Früchte.
„Wohin mit all den Birnen?" hat daneulich eine Gartenbesitzerin, eigent-
lich recht töricht und undankbar, gejammert. „Wären's lieber Apfel! Die
Birnenhaltensich lange nichtso gut. Siefaulensoleichtundwerdenrunzelig!"
„Schenk' sie her, gute Frau! Wirf sie in leere Kinderhände! Dann fault
nicht eine!" hätt' ich ihr am liebsten gesagt.
Aber freilich, das mutz zugegeben werden: „Was ich hergeb', hab' ich
nimmer, und meine eigenen Kinder kommen vor fremden! Jeder einzelne
mutz heutzutage bis zum letzten das ausnützen, was ihm sein Stückchen
Land hervorbringt."
So kann man der armen Birnenreichen eben nur raten: Brich deine
Birnen so sorgsam, wie du kannst; so sorglich, wie's der alte Bauers-
mann machte! Verletze keiner durch rohes Anfassen den feinen Wachs-
überzug, der ihr zum Schutz von der Natur mitgegeben ist und den sie,

die zartfleischige, noch nötiger hat als ihr etwas derberer Genosse, der Apfel.
Latz die Birnen, ehe du sie in die Winterräume bringst, zuerst an einem
luftigen Ort abtrocknen und etwas verdunsten. Die Winterräume müssen
trocken und dunkel sein und eine gleichmässige Temperatur haben, die nicht
unter Null und nicht über acht Grad Reaumur sein soll. Es dürfen keine
gärenden Vorräte im gleichen Raum aufbewahrt werden. Die Birnen
sollen auf Lattengestellen liegen, den Stiel nach unten gerichtet, eine
neben der andern. Auf keinen Fall dürfen sie übereinander geschichtet
werden. Ja, es ist sogar dringend anzuraten, sie so zu legen, datz keine
die andere berührt. Zeitungspapier, das oft als Unterlage verwendet
wird, ist nicht so empfehlenswert wie zum Beispiel Torfmull, auf dem sich
die Birnen sehr gut halten. Auf gar keinen Fall dürfen geschüttelte Birnen
unter den gebrochenen Winterbirnen aufbewahrt werden, auch dann nicht,
wenn sie gar keine oder nur kleine Flecken vom Ausfallen davongetragen
haben. Sie faulen bestimmt nach kürzerer oder längerer Zeit, denn das
Birnenfleisch ist so empfindlich, datz es das Fallen auf den Erdboden nicht
übersteht. Diese Fallbirnen stecken aber nur die gebrochenen an. Es ist am
besten, wenn man sie gleich verwendet — man kann sie ja trocknen, kochen,
sterilisieren, einschwefeln, Kompott davon kochen, Kuchen draus backen —
Birnenkuchen von recht saftigen Birnen, genau so zubereitet wie Apfel-
kuchen, schmeckt vorzüglich! — und Birnenmus für den Winter draus
machen. Aber zu den Winterbirnen darf man sie nicht bringen — sie
lohnen es einem schlecht!
A
Birnenrezepte
EinfacherBirnenkuchen: Vierzig Gramm Butter, ein Eigelb,
ein Viertelpfund Zucker werden gut gerührt. Ein halbes Pfund Mehl,
eine Tasse Milch, Zitronenschale, ein Backpulver und das Eiweitz, zu steifem
Schnee geschlagen, werden daruntergemischt. Die Masse wird in ein gut
gestrichenes Blech gebracht und mit Schnitzen einer guten, saftigen Birnen-
sorte belegt und gleich gebacken.
Birnenklötze: Gute Birnen werden geschält und sehr klein ge-
schnitten oder durch die Hackmaschine gegeben. Geriebenes Weitzbrot wird
in gutem Fett braun geröstet; wenn es erkaltet ist, mischt man es mit den
Birnen— es sollte von jedem etwa gleich viel sein —, gibt eine gute Handvoll
feingeriebene Mandeln und ein bis zwei Eier und Zucker daran und ver-
mengt alles gut miteinander. Dann formt man in den gut eingemehlten
Händen Klötzchen daraus, die man im Schmalz bäckt. Vanillesotze oder
eine beliebige andere sütze Tunke schmecken gut dazu.
Birnen in Essig und Zucker: Die Birnen werden geschält,
kleine Sorten ganz gelassen, grotze aber halbiert und das Kernhaus heraus-
genommen. Dann werden sie in dreiviertel Liter starkem, gutem Weinessig,
dreiviertel Liter Wasser und eindreiviertel Pfund Zucker weich gekocht;
jetzt nimmt man sie heraus und legt sie in einen steinernen Topf. Am
nächsten Tag wird der Essig mit ganzem Zimt und etwas Nelken zusammen
dick eingekocht und über die Birnen geschüttet und der Topf gut zugebunden
an einem kühlen Ort aufbewahrt.
Birnenmus: Die Birnen werden gewaschen und dann sofort durch
die Fleischhackmaschine getrieben. Darauf werden sie durch ein Tuch ge-
pretzt, am besten in derObstpresse, und so der gewonnene Saft ganz dick ein-
gekocht, ohne Zucker und ohne irgendwelche Zutaten. Aber an einem Tag
ist das Mus nicht beendet, man mutz es etwa drei Tage einige Stunden
lang kochen lassen, bis es die richtige Dicke erreicht hat und damit haltbar
geworden ist. Es schmeckt sehr gut und ist, besonders für Kinder, ein ge-
sunder, bekömmlicher Brotaufstrich.





-D/' c/s/' iz/s/sr? Lorken «//'s §/§/<?/?s §e/>? Zca/?/?r/ar?/?
.

Nachdruck aus dem Inhalt dieser Zeitschrift untersagt / Übersetzungsrecht Vorbehalten / Anschrift für Einsendungen: Schriftleitung des Buchs für Alle, Stuttgart, Cottastr. iz, ohne Beifügung eines
Namens / Herausgegeben unter verantwortlicher Schriftleitung von Gottlob Mayer in Stuttgart / Verantwortlich für den Anzeigenteil: Georg Springer in Berlin / In Österreich für
Herausgabe und Schriftleitung verantwortlich: Robert Mohr in Wien!, Domgasse 4 / Für die Tschechoslowakei Herausgeber und verantwortlicher Redakteur Karl Kunschkr, Privoz,
Dr. Benesgasse y / Druck und Verlag der Union Deutsche Verlagsgesellschaft in Stuttgart
 
Annotationen