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vornan von

^bopt)ie Mosvß

Fortsetzung

aria wartete die erste Stunde der Fahrt ab, ohne zu
fragen, was die Schwester von selber sagen würde. Die
schwieg. Und als sie sich Verona näherten und Elena aus
leichtem Schlaf erwachte, sah sie die großen Augen der Schwester
ernst fragend an ihren Zügen hängen.
„Wie schaust mich denn an, Herzel! Hast gar nicht geschlafen?
Gelt, du Armes, du bist es nicht gewöhnt, das Herumgeworfen-
werden? Bei der Tante Innozenz ist alles nach der Etikette ge-
gangen."
„Elena, was hat dies alles bedeutet? Wenn ich mit dir Zusam-
menleben soll, muß ich Bescheid wissen. Heute in einer schönen
Villa, morgen Flucht bei Nacht und Nebel! — Wo ist Sergei ge-
blieben? Warum läßt er uns so allein reisen?"
„Wo wird er sein, der Hallodri? Hast ihn nicht erkannt, als er
uns die Tasche in die Gondel warf?"
„Das schon. Aber warum versteckt er sich so?"
„Ich frag' ihn nicht viel. Zuviel wissen macht Kopsweh, Kindel.
Weißt, unsere russischen Herren, die haben alle ihre eigenen Ge-
heimnisse. Und es tut nicht gut, in einem fremden Lande poli-
tische Dinge zu treiben."
„Politik? Steckt er dazwi¬
schen? — Hat er darum den
wunderlichen Verkehr. Und
spielte mit den Leuten? — Ich
sah euch gestern abend durch
das Loggiafenster, Elen."
„Da hast nicht viel Schönes
gesehen. Denk' nicht mehr dran.
Ein Spielchen und ein Glas
Sekt — und da kam die Poli¬
zei dazwischen. Die politische,
weißt?" Sie gähnte leicht.
„Ach, immer solche häßlichen
Sachen. Aber so im ganzen,
da bin ich recht froh, daß wir
da heraus sind. Puh,inmeinen
Kleidern sitzt immer noch der
Moderdunst. Ich glaub', indem
Wandschrank, wo sie hängen
mußten, hat man mal Leichen
aufgehoben."
„Pfui, was für Gedanken!"
„Ja, in Venedig ist allerlei
geschehen in den alten Zeiten.
Und was die Augen nicht mehr
sehen, das spürtdieNasenoch."
„Jetzt schweigst du."
„Wann w erd en wir in Mün-
chen sein? Sagte der Fredi
nicht, am Nachmittag? Schön
werden wir aussehen. Nicht
einmal die Haare konnte mir
die Giulietta noch richten. Nur
das Diadem herausgerissen
und den Hut darüber und fort.
Wir müssen ein geschlossenes
Auto nehmen, daß uns keiner
so sieht. Kennst ein Hotel da?"

„Wie ich einmal mit der Tante dort war, noch vor dem Krieg,
da wohnten wir im Bayrischen Hof."
„Schön, gehen wir. dahin."
„Ich glaube, es war ein sehr feines Hotel."
„Dann ist's schon recht."
„Es wird viel Geld kosten, Elena."
Die zog die leichte Tasche hervor, die ihr in den Schoß geflogen
war, und sah hinein. „Da steckt eine Menge drin. Das reicht auf
lange. Inzwischen wird der Sergei schon von sich hören lassen. Und
zur Not — ich hab' mein bißchen Schmuck ja auch noch mitge-
nommen. Der Ring hier — sie deutete auf den Rubin im
Schlangenring —, „der ist ein kleines Vermögen wert."
„Dein Diadem muß ja auch sehr kostbar sein. Hast du es ein-
gepackt?"
„Wozu? Das Ding, mit dem kann sich Giulietta putzen, wenn es
ihr Spaß macht. Das war nur gut, den Katzlmachern die Augen
zu verblenden. Hundert Lire hat's gekostet. Sie wollen so etwas
sehen. Das bürgte ihnen für die russische Großfürstin. — So, nun
mußt mich noch ein bißchen schlafen lassen, ich bin sehr müde."
Und wie ein Kind fiel sie
wieder in tiefen Schlummer,
während die jüngere Schwe-
ster, sorgenvoller und ernster
als auf der Reise vier Wochen
zuvor, in den grauenden Mor-
gen hinausschaute und sich
sagte: „Ich muß jetzt für sie
sorgen. Sie wird nie verstehen,
mit dem Leben fertig zu wer-
den. Ja, und was versteh' ich
denn davon?"
ie gut mir München
gefällt!" sagte Elena,
als sie an einem herrlichen
Maimorgen durch den Engli-
schen Garten fuhren. „Viel
besser als Venedig. Alles so
sauber und anständig, und nir-
gends ein Skelett in den
Schränken. Und die netten
Leutchen. Und keiner, der hin-
ter einem steht und sagt:,Das
muß geschehen, und das darfst
du nicht/ Maria, so sorgenlos
vergnügt bin ich in meiner
ganzen Ehezeit noch nicht ge-
wesen. Weißt, es soll mich ja
freuen, wenn der Großfürst
bald kommt, aber ich könnt' es
aushalten, wenn er noch ein
paar Wochen oder Monate da
unten bei seinen italienischen
Freunden bleiben würde."
„Hat dir Fredi endlich seine
Adresse geschickt?"
„O bewahre. Der liebe Fredi
spielt sich auf den Geheimnis-
 
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