Das Buch für Alle
in
Heft Z
Laubenvogel verm Bau der Hochzeitshütte. Die kleinen Zweige, die das Gerippe bilden, werden mit Gräsern verbunden und mit Moos ausgepolstert,
und vor der Laube wird ein Schmuckplatz aus Porzellanstücken und Perlmutterschalen, farbigen Steinchen und leuchtenden Federn errichtet
Oie wunderbaren Laubenvögel / Don Annie France-Harrar
s ist noch keine fünfzig Jahre her, da horchte die Wissenschaft vom
Tier und seinen Leistungen erstaunt auf. Aus Australien und Neu-
guinea, aus einer damals noch recht mangelhaft erforschten Natur kamen
Nachrichten von noch unbekannten Vögeln, die eine echte und wirkliche
Gesellschaftskultur besitzen sollten. Von einem wußte man den Namen,
den die Eingeborenen, die ihn sehr genau zu kennen vorgaben, ihm ge-
schenkt hatten. Sie hießen ihn Tukan Roban oder Kabon, und das bedeutete
in ihrer Sprache: der kleine Gärtner.
Die Europäer wollten zuerst gar nicht recht glauben, was die Wilden von
ihm und einigen anderen Vögeln erzählten, die man dann später Lauben-
und Kragenvögel nannte. Sie hielten es für so unwahrscheinlich, daß sie
es ins große Gebiet der Sage verwiesen. Die Wissenschaft in der Heimat
zweifelte dann noch einmal an den Berichten der ersten Reisenden und
erklärte sie für unzutreffend und übertrieben.
Vögel, noch dazu kleine, die gar nicht so weit aus der Vetternschaft
unseres Stares stammen, sollten sich Lusthäuser bauen und ausschmücken
oder Gärten anlegen — nur zum Vergnügen ihrer Weibchen? Wahre Ge-
bäude sollten durch ihre Geschicklichkeit entstehen, in denen die Erbauer
tanzen, singen, Gesellschaften abhalten und fröhliche Haschspiele treiben?
Das war doch sehr unglaubhaft und ging weit über das hinaus, was man
einem Vogel zutrauen konnte.
Dennoch hat sich das alles als wahr erwiesen. Der Laubenvogel errichtet
wirklich ein Haus für seine Flitterwochen, die er lieber zu mehreren als
allein verbringt, und der Gärtnervogel pflegt mit emsigem Fleiß und viel
Geschmack seinen Garten und läßt sich keine Mühe dabei verdrießen. Den
Menschen können sie es nicht abgesehen haben. Denn weder ein Zulukaffer
noch ein Buschmann ist ein besonderer Freund von Ordnung, Arbeit und
zierlicher Verschönerung des Daseins, sondern gerade sie Hausen in schrecklich
schmutzigen Höhlen, und ihre Lebensbedürfnisse sind mehr als gering. Es
hilft also nichts: ein Vogel überragt diesmal den Menschen durch die Kultur-
stufe, auf der er steht.
Die Vergnügungshallen, die von den Laubenvögeln und jenen ver-
wandten Arten errichtet werden, dienen keineswegs dazu, um darin zu
nisten und Junge großzuziehen. Sie werden (und zwar oft viele Jahre lang)
nur benützt, um Liebeserklärungen zu machen und Liebesspiele aufzu-
führen. Sie sind also das Gegenstück zu unseren Ballokalen. Der etwa
sperlingsgroße Vogel verziert sie aufs schönste mit allem, was er nur in
seinem Umkreis findet. Soviel man weiß, geht gleichzeitig immer eine An-
zahl Männchen an den Bau des kleinen Kunstwerkes. Nachdem eine feste,
glatte Matte aus Moos und ganz kleinen Zweigen als Boden hergestellt
ist, werden zu beiden Seiten (vorne und rückwärts Aus- und Eingang frei-
lassend) gleichmäßig dicht lange und dünne Zweige eingebohrt, die eine
feste Wand bilden und oben mit ihren Spitzen Zusammenstößen, so daß eine
Art gotischer Bogen entsteht. Dieser Rohbau wird nun mit einer haltbaren,
festen Tapete aus Gräsern versehen, die auf dieselbe Weise wie die Zweige,
aber auch mittels kleiner runder Steine befestigt werden und die mit ihren
oben zusammenschließenden und überhängenden Rispen ein aufs zierlichste
durchbrochenes Spitzengewölbe bilden. An den beiden Toren, zuweilen auch
im Innern, das ständig geputzt, gesäubert und ausgebessert wird, stapeln
nun die sehr farbenfrohen Vögel alles auf, was sie an glänzenden, leuchten-
den und sonderbaren Dingen erlangen können. Da finden sich Porzellan-
scherben, perlmutterne Muschelschalen, bunte Zeugstücke oder Endchen von
seidenen Bändern, auffallend gefärbte Steinchen, auch Blumen und grelle
Federn. Auch Fingerhüte, Nadeln und Messer trägt der Vogel aus den
Wohnungen der Farmer herbei und verwendet sie zum Putz seines Freuden-
schlosses. Ringsum ebnet er den Platz, hält ihn fein säuberlich in Ordnung
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Heft Z
Laubenvogel verm Bau der Hochzeitshütte. Die kleinen Zweige, die das Gerippe bilden, werden mit Gräsern verbunden und mit Moos ausgepolstert,
und vor der Laube wird ein Schmuckplatz aus Porzellanstücken und Perlmutterschalen, farbigen Steinchen und leuchtenden Federn errichtet
Oie wunderbaren Laubenvögel / Don Annie France-Harrar
s ist noch keine fünfzig Jahre her, da horchte die Wissenschaft vom
Tier und seinen Leistungen erstaunt auf. Aus Australien und Neu-
guinea, aus einer damals noch recht mangelhaft erforschten Natur kamen
Nachrichten von noch unbekannten Vögeln, die eine echte und wirkliche
Gesellschaftskultur besitzen sollten. Von einem wußte man den Namen,
den die Eingeborenen, die ihn sehr genau zu kennen vorgaben, ihm ge-
schenkt hatten. Sie hießen ihn Tukan Roban oder Kabon, und das bedeutete
in ihrer Sprache: der kleine Gärtner.
Die Europäer wollten zuerst gar nicht recht glauben, was die Wilden von
ihm und einigen anderen Vögeln erzählten, die man dann später Lauben-
und Kragenvögel nannte. Sie hielten es für so unwahrscheinlich, daß sie
es ins große Gebiet der Sage verwiesen. Die Wissenschaft in der Heimat
zweifelte dann noch einmal an den Berichten der ersten Reisenden und
erklärte sie für unzutreffend und übertrieben.
Vögel, noch dazu kleine, die gar nicht so weit aus der Vetternschaft
unseres Stares stammen, sollten sich Lusthäuser bauen und ausschmücken
oder Gärten anlegen — nur zum Vergnügen ihrer Weibchen? Wahre Ge-
bäude sollten durch ihre Geschicklichkeit entstehen, in denen die Erbauer
tanzen, singen, Gesellschaften abhalten und fröhliche Haschspiele treiben?
Das war doch sehr unglaubhaft und ging weit über das hinaus, was man
einem Vogel zutrauen konnte.
Dennoch hat sich das alles als wahr erwiesen. Der Laubenvogel errichtet
wirklich ein Haus für seine Flitterwochen, die er lieber zu mehreren als
allein verbringt, und der Gärtnervogel pflegt mit emsigem Fleiß und viel
Geschmack seinen Garten und läßt sich keine Mühe dabei verdrießen. Den
Menschen können sie es nicht abgesehen haben. Denn weder ein Zulukaffer
noch ein Buschmann ist ein besonderer Freund von Ordnung, Arbeit und
zierlicher Verschönerung des Daseins, sondern gerade sie Hausen in schrecklich
schmutzigen Höhlen, und ihre Lebensbedürfnisse sind mehr als gering. Es
hilft also nichts: ein Vogel überragt diesmal den Menschen durch die Kultur-
stufe, auf der er steht.
Die Vergnügungshallen, die von den Laubenvögeln und jenen ver-
wandten Arten errichtet werden, dienen keineswegs dazu, um darin zu
nisten und Junge großzuziehen. Sie werden (und zwar oft viele Jahre lang)
nur benützt, um Liebeserklärungen zu machen und Liebesspiele aufzu-
führen. Sie sind also das Gegenstück zu unseren Ballokalen. Der etwa
sperlingsgroße Vogel verziert sie aufs schönste mit allem, was er nur in
seinem Umkreis findet. Soviel man weiß, geht gleichzeitig immer eine An-
zahl Männchen an den Bau des kleinen Kunstwerkes. Nachdem eine feste,
glatte Matte aus Moos und ganz kleinen Zweigen als Boden hergestellt
ist, werden zu beiden Seiten (vorne und rückwärts Aus- und Eingang frei-
lassend) gleichmäßig dicht lange und dünne Zweige eingebohrt, die eine
feste Wand bilden und oben mit ihren Spitzen Zusammenstößen, so daß eine
Art gotischer Bogen entsteht. Dieser Rohbau wird nun mit einer haltbaren,
festen Tapete aus Gräsern versehen, die auf dieselbe Weise wie die Zweige,
aber auch mittels kleiner runder Steine befestigt werden und die mit ihren
oben zusammenschließenden und überhängenden Rispen ein aufs zierlichste
durchbrochenes Spitzengewölbe bilden. An den beiden Toren, zuweilen auch
im Innern, das ständig geputzt, gesäubert und ausgebessert wird, stapeln
nun die sehr farbenfrohen Vögel alles auf, was sie an glänzenden, leuchten-
den und sonderbaren Dingen erlangen können. Da finden sich Porzellan-
scherben, perlmutterne Muschelschalen, bunte Zeugstücke oder Endchen von
seidenen Bändern, auffallend gefärbte Steinchen, auch Blumen und grelle
Federn. Auch Fingerhüte, Nadeln und Messer trägt der Vogel aus den
Wohnungen der Farmer herbei und verwendet sie zum Putz seines Freuden-
schlosses. Ringsum ebnet er den Platz, hält ihn fein säuberlich in Ordnung