Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext


Die deutsche Brücke über die Meere
Von Vizeadmiral a. D. A. M^eurer

or dem Weltkriege wehte die deutsche Kriegsflagge auf allen Welt-
meeren und hielt im Verein mit unserer die ganze Erde umspannenden
Handelsflotte die unendlich wichtige Verbindung der deutschen Heimat mit
dem Auslandsdeutschtum aufrecht. Es war dies in gewissem Sinne die
vornehmste außenpolitische Aufgabe der Flotte. Die engen Beziehungen,
die früher Zwischen Flotte und Ausland bestanden, wurden durch den Krieg
und die nicht minder schlimme Nachkriegszeit jäh unterbrochen. Aber wie
kann man von einem nach Millionen zählenden Auslandsdeutschtum ver-
langen, daß es die Fühlung mit der Heimat sich erhält, wenn niemals ein deut-
sches Schiff—sozusagen ein Stück deutschen Lebens—in seinen Gesichtskreis
tritt, um die Erinnerung an die Heimat und die Liebe zu Volk und Vater-
land immer von neuem aufzufrischen. Durch den Haß unserer Feinde und
durch die Folgen der werteverschlingenden Inflation wurde diese leben-
spendende Brücke von Mensch zu Mensch, von der Heimat zum Ausland
niedergerissen. Fast zehn Jahre lang, seit 1914, konnte kein deutsches Kriegs-
schiff die Heimat verlassen — es sei denn zu Kriegsfahrten, die für die
Pflege der Beziehungen zum Auslandsdeutschtum aus militärischen Grün-
den nicht in Betracht kamen. Zudem war die deutsche Flotte durch das
Diktat von Versailles derart verkleinert und litt unter so schweren Geld-
nöten, daß kostspielige Auslandsreisen nicht in Frage kommen konnten.
Seit 1924 haben sich diese Verhältnisse zum Glück allmählich gebessert.
Das „Wunder der Rentenmark" hat auch die so lange unterbrochene Ver-
tretung der Flagge im Auslande wieder ermöglicht. Die deutschen Reeder,
trotz der trostlosen Lage der Handelsschiffahrt von echtem Hanseatengeist
beseelt, waren schon seit 1920 wagemutig an den Wiederaufbau der deut-
schen Kauffahrteimarine gegangen und hatten begonnen, aus dem Nichts
wieder eine seegehende Handelsflotte zu schaffen. Seit 1924 ist nun auch
die deutsche Kriegsflotte aufs neue auf dem Weltmeere erschienen. Schon
vorher waren von einzelnen Kriegsschiffen die nahen nordischen Häfen
besucht worden, 1924 konnten die ersten Linienschiffe dorthin folgen, sie
wurden überall freundlich aufgenommen.
Als die in Dienst gestellte Flotte schon mehrere Linienschiffe und Kreuzer
umfaßte, wurden 1925 zum ersten Male wieder Häfen der spanischen Nord-
küste besucht und ein Kleiner Kreuzer als Seekadettenschulschiff in den

Nordatlantik geschickt. Der Umstand, daß die Ausbildung des Offizierser-
satzes im Interesse der Berufskenntnisse und der Dienstfreudigkeit unbedingt
die Vertrautheit mit dem Auslande verlangt, war maßgebend für die Ent-
scheidung, den Nachwuchs nicht mehr in den heimischen Gewässern allein
zu schulen, sondern ihn in die weite Welt zu schicken. Das Meer ist nun
einmal der größte Erzieher der Menschen zu Tatkraft, Weitblick und Ver-
antwortungsfreudigkeit. Es ist, als ob der erfrischende Salzhauch des Meeres
alle Nerven stärkte, die Glieder belebte, die Kraft des Menschen verdoppelte.
Daher die eigenartige Natur der Seevölker, von der Ratzel in seinem
meisterhaften Essay „Das Meer die Quelle aller Völkergröße" sagt, daß
„in ihren Geist und Charakter aus endlosen Horizonten ein großer Zug
von Kühnheit, Ausdauer und Fernblick hineinwächst". Aber außer der
Berufstüchtigkeit soll der junge Seemann noch mehr lernen aus seinen
Fahrten und Reisen in ferne Meere. Er soll lernen, die Heimat einmal
von draußen, gewissermaßen mit den Augen des Auslandes anzusehen.
Wie anders urteilt man dort über die vom Parteigeist zerklüfteten, oft
recht kleinlichen Verhältnisse in der deutschen Heimat. Ein anderer kehrt
der junge Seemann heim, als er vor Jahr und Tag ausgezogen!
Diese unschätzbaren Güter der Seebefahrenheit und der Weltkenntnis
dem Nachwuchse der Marine, den Seekadetten, Jngenieursaspiranten und
Schiffsjungen zu vermitteln, hat die Marineleitung die Reisen der Schul-
schiffe, die zugleich die bisher wichtigste Vertretung der Flagge im Aus-
lande bilden, immer mehr erweitert. Schon 1924 ging der Kleine Kreuzer
„Berlin" (dreitausendzweihundert Tonnen, erbaut 1903) als erstes Aus-
landsschiff im eigentlichen Sinne für einige Monate in den Nordatlantik;
1925 folgte eine größere Reise desselben Schiffes nach Westindien und im
Winter 1925/26 durch den Panamakanal nach der Westküste Südamerikas
und Brasilien; im Frühjahr 1926 verließ zum ersten Male nach dem Kriege
wieder ein deutsches Kriegsschiff, der Schulkreuzer „Hamburg", ein
Schwesterschiff der „Berlin", zu einer Weltumsegelung die Heimat. Die
Aufnahme, die das Schiff nach der Durchfahrt durch den Panamakanal
nicht nur in den mittelamerikanischen Republiken, sondern ganz besonders
in den uns noch vor kurzem feindlichen Vereinigten Staaten, in Los Angeles
und San Franzisko, von feiten der zahlreichen Deutschamerikaner und nicht


Mot. Schäm,-Kiel


Der neue deutsche Kreuzer „Emden", der am 14. November seine erste Fahrt über die Weltmeere antritt
Der Stapellauf des Kleinen Kreuzers fand im Jahr 1925 statt. Er hat eine Wasserverdrängung von 6ooo Tonnen, als Bewaffnung 8—i5-bentimeter-
Schnellfeuergefchütze, z—8,8-Aentimeter-Luftabwehrkanonen, 4 Torpedorohre, eine Gefchwindigkeit von 29 Seemeilen in der Stunde und eine Turbinen-
anlage von 46 Zoo Pferdekraften. Seine Lange ist 150 Meter, die Breite 14 Meter, der Tiefgang Z,z Meter. — Am Bug ist das 1914 dem Erfatzkreuzer
„Emden" verliehene Eiserne Kreuz als Schmuck und Erinnerungszeichen an die weltbekannte, unvergeßliche erste „Emden" angebracht.
 
Annotationen