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Heft 6




minder durch die staatlichen Behörden und die Angloamerikaner selbst ge-
funden hat, war ganz austergewöhnlich. Ein Fest jagte das andere, Tau-
sende und aber Tausende besuchten das kleine Schiff, dessen Besatzung durch
ihre tadellose Haltung überall den besten Eindruck machte. Sollte dieser
Empfang nicht ein Zeichen dafür sein, daß man gerade dort nicht nur die
Heldentaten unserer Seeleute im Kriege voll anerkennt, sondern daß endlich
auch die Erkenntnis des furchtbaren Unrechts zu dämmern beginnt, die das
Diktat von Versailles dem deutschen Volke zugefügt hat?
Gleichzeitig mit diesen Schulschiffreisen gingen in den beiden letzten
Jahren die Fahrten der zwar an Zahl schwachen, aber in bestem Ausbildungs-
stande befindlichen deutschen Hochseeflotte nach spanischen Häfen. Spanien
hat stets, auch in den schlimmsten Kriegsjahren, eine aufrichtig neutrale
Haltung Deutschland gegenüber bewahrt. Trotzdem überstieg der Empfang,
den die deutschen Linienschiffe und Kreuzer in diesem Frühjahre in süd-
spanischen Häfen fanden, jede Erwartung; und der König von Spanien
machte sich nur zum Sprachrohr der Gefühle seines ganzen Volkes, wenn er in
einem sehr herzlichen Telegramm an den deutschen Flottenchef nach dessen
Besuche im königlichen Schlosse seinen guten Wünschen für die deutsche
Seemacht beredten Ausdruck verlieh. Dies ist mehr als höfliche Form. Es
liegen in solchen äußerlichen Dingen oft Unwägbarkeiten politischer Art,
die von großem Werte sein können! Von den wissenschaftlich bedeutsamen
Fahrten des deutschen Vermessungsschiffes „Meteor" im Südatlantik und
von der ausgezeichneten Aufnahme, die man dem schmucken Schiffe nicht
nur in Südamerika, sondern auch im britischen Südafrika bereitet hat, habe
ich schon im „Buch für Alle" berichtet (vgl. „Die deutsche Weltmeerfor-
schung" Heft 17, 1926, Seite 380 f.).
Alle Fahrten deutscher Kriegsschiffe ins Ausland seit Ende des Krieges
litten unter dem unvermeidlichen Übelstande, daß sie nur mit völlig ver-
altetem — dem einzigen uns belassenen! — Schiffsmaterial ausgeführt
werden mußten. Vor dem Kriege bildeten die prächtigen, modernen Schiffe,

die im Auslande die deutsche Flagge vertraten, die beste Empfehlung für
den hohen Stand der deutschen Technik und Schiffbaukunst. Mehr denn je
bedürfen wir heute bei unserer bedrängten wirtschaftlichen Lage wieder
dieses hervorragenden Werbemittels. Erst der musterhaft ausgebildete,
straffe deutsche Seemann auf dem modernsten Schiffe gibt dem Ausland
das richtige Bild deutscher Kraft und deutschen Könnens. Daher ist es ganz
besonders zu begrüßen, daß die Marineleitung sich entschlossen hat, den
neuesten, erst 1926 fertig gewordenen Kreuzer „Emden", ein Schiff mit
einem in der ganzen Welt berühmten Namen und doppelt so groß wie die
älteren Schulkreuzer, mit unserem Nachwuchs im Herbst dieses Jahres um
die Welt zu schicken. Am 14. November d. I. wird die „Emden" die Heimat
verlassen. Das schöne Schiff darf derselben glänzenden Aufnahme im Aus-
land sicher sein wie seine beiden Vorgänger. Des deutschen Volkes beste
Wünsche auf frohe Fahrt begleiten es auf seiner Reise durch alle Weltmeere.
Wenn Kriegsflotte und Handelsmarine vereint die hohe und wichtige
Aufgabe haben, die unerläßliche Verbindung der Heimat mit der über-
seeischen Welt aufrechtzuerhalten, zu pflegen und zu vertiefen, so kann
dies nur durch immer erneute persönliche Fühlungnahme geschehen. Nicht
allein mit diplomatischen Noten oder mit Zeitungsartikeln lassen sich diese
unendlich feinen und empfindlichen Fäden, die letzten Endes die Sympa-
thien der Völker erzeugen und daher oft ungeahnte politische Wirkungen
besitzen, anknüpfen, sondern am besten von Mund zu Mund, von Mensch
zu Mensch. Die Flotte muß unermüdlich im Auslande für Deutschlands
Weltgeltung wirken, Flotte und Ausland müssen sich erst kennen, verstehen
und achten lernen, ehe die Kriegsnebel, die Folgen jahrelanger Verhetzung,
verschwinden können und Deutschland wieder seinen Platz wie vordem
unter den Weltvölkern einzunehmen vermag. Die Kriegsflotte, die an der
Küste klebt, verfehlt ihr Ziel, denn die weite Welt ist ihr Feld; beide zu-
sammen, Kriegs- und Handelsflotte, bilden vielmehr die Brücke über die
Meere, die die Heimat mit der Ferne verbindet.
 
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