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vornan von
Sophie ^ioevß

einz Godesheim schob sich durch das Gewühl der tanzen-
den Paare. Es war erdrückend voll im Saal, und obgleich
er mit seiner hohen Figur fast alles überragte, sand er
doch nicht, was seine Blicke suchten. Eine große königliche Orien-
talin war ihm entschwunden, eine Erscheinung, die im ganzen
Saal Aufsehen erregte, wo sie auftauchte.
Jetzt stand er unter der Galerie. Von oben sahen drei junge
Leute, auf der Brüstung sitzend, hinunter zu ihm. Er kannte sie
und hatte sie schon bewundert. Ein Mediziner, ein Photograph
und ein Techniker, alle gleich wenig mit den Gütern dieser Erde
gesegnet. Es tat ihrem Vergnügen keinen Abbruch. Zu weißen
Sporthemden hatten sie grüne Satinhosen an, dazu der Photo-
graph einen gelben Turban, der Mediziner einen Fes und der
Techniker eine bunte Zipfelmütze. Je nach der Kopfbedeckung
stellten sie einen indischen Fürsten, einen Türken und einen
neapolitanischen Fischer vor. Man spürte es im ganzen Saal,
daß Laune und Witz den Glanz ersetzen mußten, der in früheren
Jahren auf diesen Festen der Künstlerschaft herrschte. Neben blen-
dend schönen und reichen Kostümen waren viele, die nur dem
Namen nach Kostüme waren. Aber seltsam: gerade die Träger
solcher Armseligkeiten waren die vergnügtesten.
Heinz trug die lange blaue Hose und die weiße Matrosenbluse

von Jan Maat, und bald hier, bald dort klang es ihm entgegen:
„Heinz, geihst mit lang? Wat makt de Waterkant?"
Jetzt — er wollte gerade die Treppe zur Galerie hinaufsteigen,
an die sich die Logen schlossen, da stellte sich eine indische Schlangen-
tänzerin in seinenWeg. „Die du suchst, hat einen anderen Freund
gefunden!"
An der tiefen, rauhen Stimme und dem scharfen R erkannte er
sofort Nadja Kutusoff. „Die ich suche, die wechselt ihre Freunde
nicht wie Handschuhe."
„Sie wird nicht viel Handschuhe haben zu wechseln, schätze ich.
Warum hast du so wenig Aufmerksamkeit für eine, die dich gern
hat?"
„Wer mit Schlangen spielt, wird leicht selbst zur Schlange."
Die grünlichen Augen hinter der Maske glimmerten auf.
„Dann sorg' du, daß dich die Schlange nicht beißt."
Sie warf sich einem Cowboy, der neben Heinz erschien, förmlich
in die Arme und rief: „Tanzen, tanzen, daß das träge Blut
warm wird."
„Ist das nötig bei dir?" fragte der Cowboy. Dann verschwanden
sie in dem Wirbel der Tanzenden.
Heinz hörte ein Lachen. Es war gar nicht laut, aber es fiel wie
ein silberner Eeigenton aus der Luft. An dem Lachen erkannte


Kaiser Otto I. wirft an der Küste Jütlands seinen Speer in die Wogen, um die Grenzen seiner Herrschaft zu bezeichnen
Nach einem Gemälde von Albert Baur. (Aus dem im Verlag der Union Deutsche Verlagsgesellschast in Stuttgart erschienenen Werk „Vom alten Germanien zum neuen Reich")
 
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