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vornan von
Soptiie ^losvß

ls Heinz Godesheim gegangen war, satz Maria noch eine
Weile versonnen da, dann raffte sie sich auf und sah sich
-^/^im Zimmer um, ob wohl Elena ihr eine Nachricht zurück-
gelassen habe. In dem Kästchen, in dem sie ihr Geld aufhoben, fand
Maria einen Zettel der Schwester. „Sei nicht böse, Geliebtes. Ich
gehe, damit wir alle wieder bessere Tage sehen. Es geht um Erd-
mannsdorf. Und von den sechshundert Mart nehme ich mir nur
zweihundert mit, die anderen hundert gib bitte der Frau Doktor."
Daran hatte sie doch wenigstens gedacht.
Als aber Maria hinausfuhr und die Worte der Dame: „Aber
das hat doch Zeit, das wollen wir doch lassen, bis Frau Baronin
zurücktommt" nur mit einem sehr erstaunten Blick beantwortete,
da kam es heraus, daß Elena von dem, was sie verbraucht, nicht
die kleinste Ahnung gehabt hatte. Zweihundertfünfzig Mark be-
trug die Schuld.
Das ritz tief hinein in ihr eigenes bitzchen Besitz.
Sie lietz bei ihrer Rückkehr von dem Besuch gleich die Wirtin
kommen. „Da meine Schwester in Familienangelegenheiten ver-
reisen mutzte, ist mir allein die Wohnung zu teuer. Ich mutz sie
aufgeben. Wollen Sie bitte die letzte Abrechnung schicken."
„Das geht so nicht, meine Dame. Wenn Sie kündigen wollen,
mutz es vierzehn Tage vorher sein. Den halben Monat müssen
Sie mir schon noch bezahlen."
Und dann, als alles geordnet war, hatte Maria gerade noch
dreißig Mark in Händen.
Was nun? Heinz konnte sie nicht fragen, sie wollte es auch
nicht. Durch woll¬
te sie, durch mutzte
sie, ihr Trotz lietz
sie die Zähne zu-
sammenbeitzen.
Eine kurze Nach¬
richt ging ab für
ihren Lehrer, in
der sie ihn bat,
ihr ohne Kündi¬
gung ein Fern¬
bleiben zu gestat¬
ten, unvorherge¬
sehener Ereignisse
halber. Dann rief
sie noch einmal die
Wirtin zu sich.
„Frau Majo¬
rin —" Sie lietz
sich Majorin nen¬
nen, machte aber
denEindruck einer
Sergeantenfrau.
„Was kann man
anfangen, wenn
man sofort ver¬
dienen mutz?" —
Gräßlich, diese
dicke neugierige
Alte um Rat fra¬
gen zu müssen!
„Gleich verdie-

nen? Gleich? Ja, das ist halt nicht so einfach. Müssen das Fräu-
lein schon die Zeitung einsehen. Wie ist es denn mit Schreib-
maschine? — Js nix? Oder Buchführung? — Oder so als —
nee —"
„Was denn?"
„Modell werden S' schon net stehn wollen, wie? Das bezahlt
ich. Mit so einer —" Ihre Blicke glitten über Marias Figur hin.
„Lieber in die Isar."
„Hat schon manche gesagt und ging nachher doch zu den Herrn.
Oder — na, das werden S' auch nicht wollen."
„Unehrenhaftes sicher nicht."
„Ist 'ne Arbeit so gut wie 'ne andre. Drüben beim Schmoller,
gleich hinter der Eck', suchen sie Damen für die Bedienung. Gestern
hat die Frau die vorigen rausgesetzt. Sie führt ein scharfes Regi-
ment. Wann so ein Mädel ein bissel mit den Herrn schöntut —
raus ist's. Ja, da wär' wohl heut noch anzukommen."
Maria kannte die große Konditorei, hatte selbst einmal mit
Heinz und Elena dort gesessen — sie sah noch die schwarzgeklei-
deten Mädchen mit den weißen Tändelschürzen, die zwischen den
Tischen hingingen, fast hätte sie gelacht bei dem Gedanken, wenn
ihr nur nicht so verzweifelt zu Sinn gewesen wäre. Sie winkte
der Wirtin, sie allein zu lassen. Aber als sie den nächsten Tag und
den übernächsten immer vergebens in den Blättern gesucht hatte
— alle Zeitungen forderten just das, was sie nicht konnte; und was
konnte sie denn? — da wurde sie klein. Ihr bitzchen Geld schmolz
hin wie der Schnee in der Sonne, und als man den vierten
Februar schrieb,
meldete sie sich in
der Schmoller-
schen Konditorei,
m siebenten
kam Heinz
Eodesheim aus
den Bergen zu-
rück. Wie erschla-
gen war er, als
er von dem Mäd-
chen erfuhr, wo er
sie suchen müsse.
„Hier wohnt sie
nimmer.Die Frau
Schmollerduldet
keine, die net bei
ihr im Hause
wohnt."
Zweimal hatte
er von der Reise
aus an sie ge-
schrieben, jedoch
keine Antwort er-
halten. Sollte er
sie nun dort auf-
suchen? Erkannte
sich nicht dazu
entschließen. Sie
dort als Aufwar-
tung der Gäste zu


Im Winter-sturm / Nach einer künstlerischen Aufnahme von Leonhard Misonne
Aus unserer Lichtbildermappe
 
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