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vornan von
Loptiie

err Aristides Adossides mußte tief in seine Geldtasche ge-
griffen haben dem Herrn Baron zu Gefallen, denn Zwei
Tage vor Marias Ankunft siedelte Elena in das Hotel
International über, wo die Diener sich auf leisen Sohlen über dicke
Teppiche bewegten wie englische Lords, wo sie umgeben war mit
allem Lurus, den sie in alten Zeiten gewohnt gewesen, wo auch
für Maria ein Zimmer bereitstand, hart an dem der Schwester
gelegen.
„Nun wirst du dich hier einige Tage erholen, meine Herrin,"
sagte Sergei Wladimirowitsch. „Und dann fahrt ihr zusammen
nordwärts, wo dich die Hitze nicht peinigt. Ich werde schon heute
meine Reise antreten."
„Du läßt mich hier
allein?"
„In dieser Umge¬
bung? Das ganze Ho¬
tel steht dir zur Ver¬
fügung, wenn du nur
die Klingel drückst.
Zwei Tage — ich bitte
dich. Und für mich wird
es Zeit zu fahren, ich
werde in Rotterdam
erwartet."
Wer dich wohl er¬
wartet! dachte siemüde.
Aber wozu fragen?
Um neue Lügen zu
hören?
Und doch das heiße
Weinen, als er abge¬
fahren war. So ein¬
sam hatte sie sich noch
nie gefühlt. Obgleich
Maria in zwei Tagen
da sein würde. Ob¬
gleich sie Geld genug
behalten hatte,wochen¬
lang ohne Sorge den
eigenen Wünschen zu
leben.Obgleich siedoch
hätte zufrieden sein
sollen ohne ihren Ty¬
rannen.
Wenn sie nur nicht
so entsetzlich müde ge¬
wesen wäre. Wenn
nur die h eimlich e Ang st
eine einzige Stunde
vergangen wäre.
Wann kommst du,
Maria? Wann bringst
du Fried en mit dir und
reine Liebe und Zärt¬
lichkeit? —
Maria erschrak, als
sie kam und Elena ihr

weinend in die Arme fiel. „Ist es wieder so weit, mein Armes?
Bist du wieder ganz verlassen? Aber es kann euch doch nicht so
schlimm gehen, wo du in solchem Hotel —"
Da lachte Elena und trocknete hastig die Tränen und gab der
Schwester einen Kuß. „Nun ist alles gut, alles. Nur nervös bin
ich. So dumm. Ja, man wird alt, mein Herzchen."
Es war ein Klang in den Worten, der machte Maria besorgt.
Konnte sie nicht mehr lachen? Sie, die doch in aller Not des
vergangenen Jahres immer die Sorgen über Bord geworfen
hatte? Jetzt wünschte sie Elenas alten Leichtsinn zurück.
Darüber machte sie sich kaum Gedanken, daß der Schwager
schon vorausgefahren
war. Er mochte kaum
denWunsch haben, ihr
zu begegnen, wenn er
an das Haus dachte,
in dem sie sein Gast
gewesen war. Und sie
wollten selber reisen,
sobald es nur ging.
„Drei Tage Ruhe,
Elena, daß ich das
Rütteln und Wiegen
aus den Gliedern ver-
liere, dann fahren wir
zurück. Im Salon-
wagen des Herrn Ge--
neraldirektors.Da hast
du alle Bequemlich-
keit, die dir nötig ist.
Für dich freut es mich,
daß wir den Wagen
haben."
„Ach — so bist du
gekommen? Ihr seid
verlobt, Maria, ja?"
„O nein, o nie,
Liebste. Ich —" ein
leises Lach en — „ Dar-
üb er reden wir ein
andermal. Jetzt wol-
len wir nur an dich
denken. Und morgen
will ich hinauf auf die
Akropolis. Wenn es
dir zu beschwerlich ist,
wird Herr Sieversen
mich geleiten. Wozu
ist er Reisemarschall."
„Ja, ja, geh mit
dem. Steigen wird
mir entsetzlich schwer."
So ging Maria in
aller Morg enfrüh edes
nächsten Tages, ehe
Sonnenglut und Staub
zur Plage wurden.


„Brüderlein fein.. ."/Nach einer künstlerischen Aufnahme von Lllbert Steiner, St.Moritz


12. 1927
 
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