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Das Buch für Alle


Heft 26


Inneres Handgelenk

Nutzeres Handgelenk

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Inneres Handgelenk

die Dame am Kopfende mit ihm ein, führte
ihn an ihrem Körper entlang, bis er ihre Füße
passierte, machte eine Anzahl Querbewegung en
mit ihm und rollte ihn dann in die Kulissen
hinein. Wie konnte es geschehen, daß der Rei¬
fen nirgendwo von dem Unterstützungspunkt,
den das Lager der Dame besitzen mußte, ge¬
hemmt wurde?
Nun, das zu dem Zauberstück benötigte Ge¬
stell besaß folgende Form: a und b bezeichnen
dabei jene Teile der gebogenen Eisenstange,
auf denen „Aga" tatsächlich ruhte: auf n mit
der rechten, auf k mit der linken Körperseite;
v bezeichnet den nach hinten führenden Stan¬
genteil, der in b' durch einen auf den Boden
strebenden Träger seinen Unterstützungspunkt,
den einzigen vorhandenen, fand. Der Reifen
wurde nun bei eingeführt, wo er ja keinerlei
Widerstand fand, und nahm seinen Weg, u und
b und somit die Dame umgebend, Zunächst
bis 8 beziehungsweise 0. Über L wurde er
ein Stück hinausgeschoben, und es wurde hier,
um die Achse seines Querdurchmessers in Rich¬
tung des Zuschauerraumes, mit 6 als festblei¬
bendem Drehpunkt, eine Drehung um 180 Grad mit ihm vorgenommen,
nach deren Beendung er den Stangenteil e umgab. Daraufhin wurde er,
bis etwa nach D zurückbewegt, dort seitlich verschoben, so daß er über
hinausreichte und nun, sowohl u und d, wie 0 und die Dame umschließend,
in Richtung des Zuschauerraumes über II und 6 hinweg vorwärtsbewegt
werden konnte, um hinter O endgültig ins Freie Zu gelangen.
Viel Kopfzerbrechen pflegen wißbegierigen Zuschauern auch die Mani-
pulationen zu bereiten, die
eine in einem Geheimkabinett
befindliche und an Händen
und Füßen gefesselte Dame
anstellt, um, ganz wenig Se¬
kunden nach Schließung des
Vorhanges, der sie den Blicken
des Publikums entzieht, mit
bereitgestellten Musikinstru¬
menten ein wüstes Konzert
aufzuführen.
Die Fesselung wird mit
Hilfe eines langen leinenen
Tuches von robusten Leuten
aus dem Zuschauerraum vor¬
genommen. Die Dame sitzt
derweilen, mit rückwärts ge¬
bogenen Armen, auf einem
Stuhl, und das Tuch läuft
vom linken Arm durch einen
eisernen, fest in der Rückwand
verankerten Ring hindurch,
nach dem rechten Arm. Zwei
Knoten, drei Knoten, vier
Knoten werden gemacht: am
linken Gelenk sowohl wie am
rechten Gelenk, so fest wie
möglich werden die Knoten
angezogen und obendrein wer¬
den sie an den entscheidenden
Stellen versiegelt.
Alles sehr schön: nur be¬
weist weder die Häufung der
Knoten, noch ihre Versiege¬
lung das Geringste, denn alle
auf die Knebelung der Dame
aufgewendete Mühe ist aus
dem einfachen Grunde illuso¬
risch, weil das Band um eines
der Gelenke, um das linke zum
Beispiel, gar nicht wirklich
herumgeschlungen worden ist.
Vielmehr hat der Experimen¬
tator, mit der gleichzeitigen
Führung des Bandes nach

Die wunderbare „frei in der Luft schwebende Jungfrau"
(siehe die obenstehende Zeichnung und den Artikel)

links und rechts auf der dem Publikum zuge-
wendeten äußeren Seite des Handgelenks be-
ginnend, auf der Innenseite die sich begegnen-
den Bandteile nur leicht ineinander verfilzt,
sie aber von dort in derselben Richtung zurück-
geführt, aus der sie kamen und später also nicht
eine Schlinge um den Unterarm der Dame
verknoten lassen, sondern eine, die sich außer-
halb des Handgelenks befand. Schematisch dar-
gestellt hat das Band nicht den Weg 1 ge-
nommen, sondern den Weg 2. Ein kräftiger
Ruck genügt nunmehr, um sich, ohne die Kno-
ten und das Siegel im geringsten zu versehren,
von der anscheinend so gewissenhaft vorgenom-
menen Fesselung zu befreien. Das ander einen
Hand falsch geschlungene Band ist der Kern
des „Geheimkabinett"-Tricks. Alles andere ist
Ausschmückung, geschickte Aufmachung und
Ablenkungsmanöver.
Eine hübsche Idee liegt auch dem heute ja
wohl allgemein bekannten Trick zugrunde, der
das Zersägen einer vor aller Öffentlichkeit auf
eine Platte gelegten Dame vortäuscht. Die
Platte wird vor Beginn der Prozedur durch
einen Aufsatzkasten verhüllt, aber doch dergestalt, daß an der einen Seite
Hände und Kopf und an der anderen die Füße der Dame immer sicht-
bar bleiben. Wie ist es nun möglich, daß nach der „Zersägung", die im
Querschnitt erfolgt und in der Mitte des Gesamtapparates vorgenommen
wird, wohl zwei selbständige Behältnisse entstehen, zwischen denen der Vor-
führende hindurchlaufen kann, daß aber trotzdem an der Öffnung der einen
Kastenhälfte Hände und Kopf der Dame und an der der anderen Kasten-
hälfte ihre Füße sichtbar ge-
blieben sind?
Natürlich sind hier zwei
Damen im Spiel, und die
eine hatte sich bis zum Zeit-
punkt der Stülpung des Auf-
satzkastens über die angeblich
zu zersägende Dame in einem
unter der Platte befindlichen
Hohlraum verborgen gehal-
ten. Die besonders hübsche
Idee dieses frappierendenHo-
kuspokus beruht nun in der
in einem geeigneten Moment
erfolgenden Umgruppierung
der beiden Damen. Die eine
Dame beschränkt sich durch
Hochziehen der Beine auf die
ausschließliche Benutzung der
rechten Kastenhälfte — nach-
dem übrigens vorher noch an
der Durchsägungsstelle zwei
Stirnwände eingesetztworden
sind, die die Sicht in die
Kastenhälften versperren —
und die andere bezieht durch
Hochstreckung des Körpers die
linke Kastenhälfte. Lagen also
die Damen ursprünglich un-
tereinander, so liegen, bezie-
hungsweise sitzen sie nunmehr
nebeneinander und gehörten
ursprünglich alle sichtbaren
Gliedmaßen der einen der
Damen an, so bietet nunmehr
die eine Dame dem Blick des
Publikums Kopf und Hände,
die andere aber ihre Füße dar.
Mit großem Erfolge traten
vor Jahr und Tag „Spiri-
tisten" auf, die vom Publikum
die schriftliche Fixierung von
beliebigen Sentenzen und
gleichzeitig deren Kuvertie-
rung in ein zur Verfügung

D
Links: Wie die Jungfrau „frei in der Luft schwebt"
Rechts: Das Geheimnis der gefesselten Hände und Füße
 
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