Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Das B u ch sü r Alle



Das Geheimnis der vor den Augen der Zuschauer zersägten Dame


Wie die „zersägte Dame" ihre Durchschneidung mit einer Kreissäge gefahrlos übersteht

diese Apparatur mit Hanf, so daß der Seileindruck hervorgerufen wird. Vor-
genommen wird das Experiment ausschließlich in der Nähe niedriger Häuser.
Hat der Knabe ungefähr die Höhe ihrer Dächer erreicht, dann bläst der
Fakir drunten eine Rauchwolke ab, die das Kind für Augenblicke, während
deren es abspringen kann, den Blicken der Zuschauer entzieht. In neuester
Zeit sollen diese Gelenkketten übrigens nicht mehr aus Holz, sondern,
ganz modern, aus einer zuverlässigeren Metallspirale hergestellt werden.
Aber nun scheint es angezeigt, die verehrten Herren Zauberkünstler nicht
länger durch Enthüllung ihrer Geheimnisse zu beunruhigen. Über das Maß
der hier geübten Indiskretion jedoch bitte ich sie, nicht ungehalten zu sein
und diese nicht etwa aufzufassen als Schädigung ihres schönen Berufes,
sondern als einen Ansporn, ihr Erfindungsgenie an die Austüftelung immer
neuer, dem Publikum noch unbekannter Überraschungen zu verwenden.

gestelltes dickes, undurchsichtiges
Papier erbaten. Die Beteiligung
war meist sehr groß und die
Kuverts wurden in einem Be-
hälter eingesammelt. Der „Spi¬
ritist" legte nun ein verschlosse¬
nes Kuvert nach dem andern an
die Stirn, grübelte einen Augen-
blick, nannte dann einen Satz —
und einer nach dem andern er¬
kannte ihn als den seinen... Um
sich von ihrer Glaubhaftigkeit zu
überzeugen, öffnete der Experi-
mentator nach jeder lautgewor¬
denen Bestätigung das Kuvert
und vergewisserte sich anschei¬
nend noch einmal persönlich, daß
seine hellseherische Gabe ihn
nicht im Stich gelassen habe.
Die Sache hatte nur den einen
Haken, daß der „Hellseher" nicht
jeweilig den eben „im Geist er-
schauten" Satz nachprüfte, son¬
dern daß er sich den Wortlaut
des kommenden einprägte. Er
war in der Öffnung der Kuverts
immer um eines weiter, als das
Publikum dachte, und die Sache
hatte mit einem fingierten Satz
begonnen, den ein Helfer des Ar-
tistenfüralleFällebestätigthatte.
In viel höherem Maße noch
als die europäischen Zauber¬
künstler sind die indischen Fakire von der Atmosphäre des Geheimnisvollen
umwoben, — aber auch bei ihnen besteht kein Anlaß, in das Reich des
Wunderbaren zu verlegen, was nur ein Trick ist; und gerade eines ihrer
repräsentativsten Experimente hat in neuerer Zeit eine überraschend ein-
fache Erklärung gefunden. Wieviel Thesen sind nicht schon über das Leben-
digbegrabenwerden aufgestellt worden, das indische Wundermänner für die
Dauer von einigen Minuten bis zu einer Stunde und noch längerer Zeit
mit sich vornehmen lassen. Fast mußte man glauben, daß solche Fakire nur
auf dem Fundament jahrtausendealter, von Geschlecht zu Geschlecht ver-
erbter Geheimnisse zu solchen Leistungen gelangen konnten. Aber da hat
vor kurzem der französische Schriftsteller Heuzs festgestellt, daß zum
Lebendigbegrabenlassen weder Training noch Willenskraft, wie immerhin
zu gewissen anderen Fakirkunststücken, sondern gar nichts sonst außer der
Geste des Außerordentlichen ge¬
hört. Er hat experimentell nach¬
gewiesen, daß sich jeder beliebige
normale Mensch in einem ge-
wöhnlichen, etwa fünfhundert
Liter Luft fassenden Sarge, selbst
bei luftdichter Abschließung, ohne
di e g erin gsten B e sch w erd en etw a
eine Stunde aufhalten kann.
Widersprechend sind die Mei¬
nungen über ein anderes indi-
sches Kunststück, das immer wie¬
der erwähnt wird, wenn von Fa-
kiren die Rede ist: über das in
die Luft geworfene Seil, an dem
ein Knabe in die Höhe klettert,
um hoch drob en zu verschwind en.
Manche Kenner Indiens erklä¬
ren, daß sie diesen Trick niemals
zu sehen bekommen hätten und
daß alle an ihn geknüpften Fol¬
gerungen müßige Kombinatio¬
nen seien. Im Gegensatz dazu
behauptet Wright, ein amerika¬
nischer Gelehrter, daß solch ein
„Seil" inWahrheit einehölzerne
Eelenkkette mit fest ineinanderge-
arbeitetenGliedernist,die,in eine
bestimmte Richtung geworfen,
nicht umknicken. Umwickelt ist
 
Annotationen