Der Kampf um die Frau / Nach einem Scherenschnitt von A. Commichau
vornan von /Vrtkur Lraule^etter
(12. Fortsetzung)
itty hatte einen Augenblick innegehalten. Dann fuhr sie,
dem Pfarrer mit ihrer ruhigen Klarheit ins Auge sehend,
langsam fort: „Wenn ich jetzt unsere Rollen vertauschte
und zu Ihnen sagte: Geben Sie Ihr Amt auf! Kommen Sie
zu mir nach Berghof! Ihr praktischer Sinn, den ich so manches
Mal an Ihnen beobachtet habe, Ihre Liebe zum Lande, die mir
auch nicht entgangen ist, würden Sie für solch eine Tätigkeit wohl
geeignet machen. Wir würden beide kämpfen, Schulter an Schul-
ter. Bis bessere Zeiten kommen und wir des mühsam Errungenen
uns freuen können — was würden Sie mir antworten?"
Er erhob sich. In ihm war alles Kampf. Die Wolke war ge-
schwunden, der Himmel strahlte in reinem Blau. Ein Vogel rief.
Immer noch schwieg er.
„Nein," raffte er sich schließlich auf, „... ich könnte meinen
Beruf nicht aufgeben — könnte es selbst für Sie nicht! Ich bin
mit ihm verwachsen wie Sie mit Berghof."
Keines von ihnen sprach mehr. Lang und lastend war das
Schweigen. Auch der Vogel rief nicht mehr. Nur durch die Bäume
ging ein leises Rauschen.
„Sehen Sie," sagte sie. „Wir sind beide die gleichen. Die Pflicht
geht uns höher als das Glück. Deshalb haben wir uns angezogen
— und deshalb trennen wir uns jetzt."
Er tat ihr einen Schritt entgegen, er ergriff ihre Hand — seine
Lippen bewegten sich, als wollten sie etwas sagen ... vielleicht
zurücknehmen, was er vorhin-
Aber die Lippen schlossen sich wieder wie unter einem unwider-
stehlichen Zwange. Das befreiende Wort ward nicht gesprochen.
Sie sah, wie er litt, und konnte ihm nicht helfen.
Als Kitty nach Hause kam, rief der Gong zum Mittagessen. Sie
ließ sich entschuldigen und begab sich auf ihr Zimmer.
Und jetzt erst schien sie zum Bewußtsein dessen zu gelangen,
was sie eben erlebt und erlitten hatte. Aber nicht die leiseste Be-
wegung verriet die tiefe Erregung, die in ihr war. Sie schob den
Stuhl ans Fenster, öffnete es und blickte in die Herbstlandschaft,
die sich in herbem Dufte vor ihr breitete. Dann nahm sie ein Buch,
das aufgeschlagen auf dem kleinen Nähtisch vor ihr lag.
Da öffnete sich die Tür. Die Großmutter trat zu ihr.
Sie hatte sie gar nicht gehört und schrak leicht zusammen, als
sie plötzlich vor ihr stand. Eine welke Hand glitt weich über ihr
aschblondes Haar dahin.
„Ich werde mit dem Großvater sprechen. Er wollte sich zwar
kürzlich noch nicht dazu verstehen — nun wird er es wohl müssen."
„Du weißt alles?"
„Ich habe es längst gewußt und vorhergesehen."