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666

Heft 28

vorbringt. Im ganzen schwankt die Schwerewirkung des Mondes auf einen
Punkt der Erdoberfläche zwischen einer Hubkraft von rund Viound einer Druck-
kraft von rund V20 Gramm pro Tonne! Diese Feststellung ist höchst wichtig,
denn sie erklärt uns erst, welche gewaltigen Wirkungen anscheinend geringe
Kräfte Hervorrufen können. Beträgt die Gewichtsveränderung auch für
ein Kubikmeter Meerwasser nur wenig mehr als Gramm, so macht
es doch die ungeheure Masse der Billionen Kubikmeter des Meeresinhaltes.
Bei den Gesteinen der Erdkruste kommt noch ihr höheres spezifisches Ge-
wicht hinzu, das sich mit den Kraftziffern vervielfältigt.
Nach diesen Überlegungen erscheint es ausgeschlossen, daß die Gravi-
tation des Mondes bei Pflanzen, Tieren und Menschen eine unmittelbar
fühlbar hervortretende Wirkung hervorbringen könnte. Aber nicht aus-
geschlossen ist es, daß sie auf der äußeren, dem Weltraum zugewandten
Oberfläche des Luftozeans ganz gewaltige Flutberge und Ebbegürtel her-
vorruft, die sich wohl unseren auf dem Grunde des Luftmeeres aufgestellten
Instrumenten entziehen, nichtsdestoweniger aber für das Wetter und für
die auf der Erdoberfläche lebenden Organismen indirekt von der größten
Bedeutung sind. Hier wird auch der vorsichtigste Fachwissenschaftler kaum
etwas einwenden können.
Es fragt sich nun noch, auf welche andere Weise der Mond als Quelle
von Einflüssen auf Natur und Mensch gedacht werden könnte. Und siehe
da, es fehlt nicht an Möglichkeiten, die vielleicht die meisten Beobachtungen
zu deuten gestatten. So ist der Mond selbst gleichsam ein Spiegel, der uns
das Licht der Sonne ziemlich unverändert zurückwirft. Man könnte also
an einen Einfluß des Mondlichtes denken. Indessen wird man dagegen
sofort einwenden, daß das Mondlicht eben nur erborgtes Sonnenlicht ist
und infolgedessen ihm eigene Sonderwirkungen nicht zugeschrieben werden
dürfen, zumal selbst der klarste Vollmond vierhundertfünfundsechzigtausend-
mal schwächer leuchtet als die Sonne. Indessen ist damit die Frage doch
noch nicht abgetan, denn der Mond sendet außer dem sichtbaren Licht auch
noch eine große Menge unsichtbarer Strahlung zu uns her.
So haben die neuesten Messungen ergeben, daß von der Gesamtstrahlung
des Mondes nur vierzehn Prozent zurückgeworfene Sonnenstrahlung und
gar nur drei Prozent dem menschlichen Auge sichtbares Licht sind, dagegen
entfallen sechsundachtzig Prozent auf die langwellige, infrarote, unsicht-
bare Eigenstrahlung des Mondkörpers, die seiner Oberflächentemperatur
entsprechend hauptsächlich zwischen den Wellenlängen 8 bis 14 Tausendstel-
millimeter liegt.
Diese überwiegende zwar unsichtbare Mondstrahlung braucht deswegen,
weil sie nicht als Licht empfunden wird, noch keineswegs unspürbar zu sein,
sondern es ist sehr wohl denkbar, daß der menschliche Körper auch sie auf-
nimmt und (zum Teil vielleicht durch den Temperatursinn, möglicherweise
aber auch durch die geheimnisvolle Zirbeldrüse) dem Gehirn zuleitet. Es
ist nicht ausgeschlossen, daß auf diese Weise der eigentümliche Zauber des
Mondlichtes seine wissenschaftliche Erklärung findet, insofern wir darunter
eben jene Empfindung verstehen, die durch die Aufnahme der Mondgesamt-
strahlung, einschlie߬
lich der unsichtbaren
Wellengattungen,
hervorgerufen wird.
Daß der Mond von
sich aus noch weitere
Strahlungsform en,
etwa elektromagne¬
tische Wellen wie eine
Senderantenne oder
korpuskulare Elektro¬
nen wie eine Katho-
d enröhr e aus send et,
i st zw ar unw ahrsch ein-
lich, aber umso ein¬
leuchtender muß es
scheinen, daß er auf
die von anderen Ge¬
stirnen von hoher
Temperatur, wie von
der Sonne und den
Fixsternen ausgehen¬
den Strahlungen die¬
ser Art wie ein Fang¬
spiegeloder eineEmp-
fangsantenne wirkt.
Indem der Mond
diese durch den Raum
streichenden Energien
zusammenrafft und

der Erde gesammelt wie im Brennpunkte eines Kondensators darbietet, er-
scheint es durchaus begreiflich, daß er dadurch bei uns Einwirkungen hervor-
ruft, die sich sonst nicht gezeigt hätten, weil die Raumstrahlung von sich aus
viel zu verdünnt gewesen wäre, um sich auf der Erde bemerkbar zu machen.
Für solche Raffungswirkung kommen naturgemäß zunächst (die gewöhn-
lichen Licht- und Wärmestrahlen ausgenommen) die verschiedenen elektro-
magnetischen und korpuskularen Strahlungsarten inBetracht, welche unsere
Sonne aussendet. Wir wissen heute bestimmt, daß die Sonne auch solche
materiellen Strahlen unausgesetzt nach allen Raumrichtungen ausstreut
und daß insbesondere von den Störungsgebieten der Sonnenoberfläche,
den Fackelbezirken und Sonnenflecken, besonders gewaltige Elektronen-
schwärme förmlich büschelartig in den Umraum gestoßen werden. Wenn ein
derartiger Koronastrahl der Sonne unsere Erde trifft, dann gibt es bei uns
Polarlichter und gewaltige elektromagnetische Stürme, manchmal von
solcher Heftigkeit, daß jeder drahtlose und drahtliche Verkehr unterbunden
ist, ein dämonisches Rauschen und Knacken in den Apparaten ertönt und
gelegentlich sogar Flammen aus den Apparaten schlagen. Erst am 15. Ok-
tober 1926 haben wir einen derartigen elektrischen Sturm erlebt, der sich
an die stärksten bisher gemessenen von 1903, 1909 und 1917 würdig an-
reiht. Er wurde offenbar von derselben gigantischen Sonnenfleckengruppe
hervorgerufen, welche auch den verheerenden Tornado von Florida am
19. September und bei ihrer Rückkehr nach einmaliger Umdrehung des
Sonnenballs den nicht minder furchtbaren Sturm hervorrief, der am
20. Oktober über Kuba gewütet hat. Es ist dabei gewiß kein Zufall, daß der
Vollmond sowohl auf den 21. September, 9 Uhr 19 Minuten nachmittags,
als auch auf den 21. Oktober, 6 Uhr 15 Minuten vormittags, fiel. Ver-
gegenwärtigen wir uns nämlich, was dies astronomisch bedeutet, so standen
an den kritischen Tagen Sonne, Erde und Mond nahe in einer Linie, und
die Erde befand sich, zwischen Sonne und Mond gelegen, gerade im Raf-
fungskopf der Strahlung vor dem Monde.
Der elektrische Wirbelsturm vom 15. Oktober fand allerdings zur Zeil
des ersten Mondviertels, das auf den 15. Oktober, 5 Uhr 28 Minuten vor-
mittags fiel, statt. Vielleicht, daß diese Quadratur des Mondes zur Sonne
für diese besondere Art von Wirkung gerade günstig ist. (Man erinnere sich
an die Häufung epileptischer Erscheinungen zur Zeit der Mondviertel.)
Dieser elektromagnetische Sturm war übrigens so stark, daß ihn wetter-
fühlige und mondfühlige Personen sehr wohl am eigenen Körper verspüren
konnten. Als der Sturm begann, wurden sie mitten in fröhlicher, gut von statt en
gehender geistiger Arbeit plötzlich von einer starken, seelischen Depression
befallen, so daß sie zu jeglicher Denkarbeit völlig unfähig waren. Dieses von
nervösen Zuckungen durchmischte llbelbefinden hielt vielfach bis zum Folge-
tage unvermindert an und besserte sich erst um jene Zeit, als der Sturm
vorüber war.
Daß der menschliche Organismus auch sonst auf Veränderungen des
luftelektrischen Zustandes anspricht, beweist auch die weitverbreitete Wetter-
vor- und-fernfühligkeit. Längst bevor unsere wissenschaftlichen Instrumente
irgend ein Anzeichen
geben, erkennen solche
Personen das Heran-
nahen einesGewitters
oder einer sonstigen
Störung des elektro-
magnetischen Gleich-
gewichts im Luft-
ozean. Die Deutung,
nach welcher der Ein-
fluß des Mondes vor-
nehmlich über die Be-
einflussung des Zu-
standes der Luftelek-
trizität erfolgen soll,
erscheint daher durch-
aus einleuchtend.
Daß nur gewisse
Menschen auf gewisse
Strahlungen reagie-
ren, ist wohl so zu er-
klären, daß nur sie
auf diese Wellen ab-
gestimmt sind. Viel-
leicht bestimmt der
Geburtsmoment tat-
sächlich die Wellen-
länge, für deren Bot-
schaft wir im Leben
dann empfänglich sind.


Das Mondscheinlied der Nachtigall
 
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