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Heft 28


Das Buch für Alle



Oer Tiger der
Jnsektenwelt

Don Or. Johannes Bergner

Die afrikanische Teufelsheuschrecke, der Tiger der Jnsektenwelt

Haltung, indem sie zwei der Amazonen aufeinanderhetzen und um den
Ausgang des Kampfes auf Tod und Leben große Summen wetten. Die
schmächtigen Männchen sind bei weitem nicht so bösartig, doch regsamer
als ihre Ehehälften. Im Interesse der Erhaltung ihrer Art schwirren sie
munter von Busch zu Busch, während die Flügel die immer plumper
werdenden Weibchen bald nicht mehr tragen. In ihrem breiten Hinter-
leib entwickeln sich nämlich zahlreiche Eier, die klumpenweise, von einem
blätterteigartig erhärtenden Schaum eingehüllt, an Pflanzenstengeln fest-
gekittet werden. Jedes der oben längsgefurchten Eierbündel besteht aus
bis zu vierzig quergestellten Plättchen, die sich wieder in einzelne Fächer
teilen, von denen jedes zwanzig bis dreißig Eier enthält. Aus einem einzi-
gen Gelege schlüpft dann im nächsten Frühjahr eine tausendfache Kinder-
schar, die schon von klein auf gegeneinander wütet, so daß nur wenige
sich nach mehrfachen Häutungen zum fertigen geflügelten Insekt entwickeln.

as geflügelte Wort „Xoinsn. ssk orrwn",
^^/das heißt der Name schon ist Vorbedeutung.
gilt auch für die auf unserem Bilde dargestellte,
von Stacheln und Spitzen starrende Teufelsheu¬
schrecke. Furchtbare Mordwerkzeuge vollends
sind die Vorderbeine mit ihren sichelartigen
Enterhaken an den scharfgezähnten Schneiden,
die wie die Klinge eines Taschenmessers in die
dolchbewehrte Rinne der Schenkel eingeschlagen
werden können. Was dieses Insekt mit seinen
Raubbeinen ergreift, ist rettungslos verloren und
wird trotz allen Sträubens bei lebendigem Leib
aufgefressen. Kurzum, es ist das grimmigste Raub¬
tier in der Jnsektenwelt, das nicht nur unter
Bienen, Heuschrecken, Schmetterlingen und der¬
gleichen unheimlich wütet, sondern sich auch an
kleine Eidechsen, ja selbst an schlafende Vögel
wagt, obwohl ein einziger Schnabelhieb ihm
schon den Garaus machen würde. Die Arme
fangbereit erhoben verharrt es regungslos im
Gebüsch, nur der mit einer spitzen Pickelhaube
bewehrte Kopf späht eifrig in der Runde. Dank
seiner unscheinbaren grünen Farbe und des
blattartigen Körpers — sogar die Fußgelenke
tragen täuschende Verbreiterungen — wird es
im Laubgewirr leicht übersehen. Doch wehe dem
Insekt, das dieser Wegelagerin zu nahe kommt!
Blitzschnell wird es gepackt und Stück um Stück
verschwindet zwischen den Kiefern seiner Mör¬
derin. Erblickt sie jedoch eine größere wehrhafte
Beute, die keine Miene macht, sich ihr zu nähern,
so schleicht sie katzenartig an, um sich plötzlich mit
ausgereckten Fangbeinen und hoch erhobenen
Flügeln, die durch Reibung am Hinterleibe kni¬
sternd rauschen, in voller Größe aufzurichten und
so durch Schreck den Widerstand ihres Gegners
zu lähmen. Ein rascher Griff, und wie von einem
Schraubstocke umklammert zerstört ein Nackenbiß
die Hirnnerven des Tieres und macht jede Gegen¬
wehr unmöglich, worauf der Schmaus beginnt.
Man kennt verschiedene Arten von Teufels¬
anbeterinnen, wie man sie der wie zum Gebet
erhobenen Vorderbeine wegen nennt, darunter
geradezu verblüffende Gestalten. So lebt indem
früheren Deutsch-Ostafrika eine Fangheuschrecke,
deren grüne, dem Laubwerk angepaßte Ober¬
seite das fast handlange Tier dem Späherblick
seiner Feinde entzieht. Wenn es jedoch auf Raub
auszieht, so setzt es sich, weithin sichtbar, auf
einen Zweig und richtet nun den kelchförmigen
Oberkörper auf, der mit den breiten, hocherhobenen Fangarmen einer
wunderbaren, in Purpurviolett und Weiß und Grün prangenden Blüte
gleicht. Von solcher Farbenpracht verführt, umgaukeln bald zahlreiche
Schmetterlinge die lockende Blume, doch statt des Honigs finden sie nur den
Tod, und ehe sie den Irrtum erkennen, werden sie ergriffen und verspeist.
Entsetzliche Gefräßigkeit und wilde Mordgier sind der Grundzug aller
Fangheuschrecken, die trotz reichlicher Nahrung nicht der Artgenossen, nicht
einmal des eigenen Männchens schonen, das zum Dank für erwiesenen
Liebesdienst meist in den Fangarmen der Gattin endet. Doch auch wenn
zwei gleichgeschlechtliche Insekten sich begegnen, kocht gleich die Wut in
ihnen auf, und die Auseinandersetzung endet in der Regel damit, daß eine
tot am Platze bleibt. Sperrt man mehrere dieser Tiere zusammen, so hebt
ein Kämpfen aller gegen alle an, bis schließlich nur die Stärkste übrig-
bleibt. Diese unbändige Rauflust benützen die Chinesen zu ihrer Unter-
 
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