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Biller, Thomas
Das "wüste Steynhus" bei Oschatz in Sachsen - frühe Gotik auf dem Weg nach Osten — Oschatz, 2007

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https://doi.org/10.11588/diglit.4716#0010
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1.1. Der Grundriss

Es handelte sich um eine quadratische Vierflügelanlage (44,3 m
Seitenlänge, gemessen über die Eckstrebepfeiler) mit ebenfalls
quadratischem Hof, wobei die vier Flügel und die vier Eckbe-
reiche jeweils gleich ausgebildet waren. Die Ecken bilden je
einen quadratischen Raum, bei dem die Seitenlänge des Quadra-
tes geringfügig kleiner ist als die innere Breite der Flügel, und
der außen leicht (0,40 m) vor deren Flucht vorgerückt ist; es
handelte sich also um Eckbetonungen, um Türme oder „Pavil-
lons". Sowohl die Eckräume als auch die Flügel des Sockelge-
schosses sind innen regelmäßig mit rechteckigen Wandvorlagen
ausgestattet, die auf eine konsequente Einwölbung schließen
lassen - für jeden „Eckpavillon" war ein quadratisches Kreuz-
gewölbe vorgesehen, jeder Flügel sollte drei querrechteckige
Joche erhalten. Dass wirklich mit Einwölbung zu rechnen ist -
und nicht etwa nur mit einer aufgelegten Wandgliederung -
bestätigen mit wünschenswerten Klarheit die Fundamente von
Strebepfeilern, die an der Außenseite aller Flügel und Eckpavil-
lons vorspringen5.

Die Unregelmäßigkeiten des Grundrisses sind sehr gering und
überwiegend im Inneren festzustellen. Auf das „Badehaus" in
der Ostecke des Hofes, an das zwei verstärkte Partien der Hof-

5 Die Strebepfeiler fehlen zum Innenhof hin. Hier zeigt aber eine genaue
Betrachtung, dass der Nordost- und der Südostflügel ohnehin breite Mauer-
verstärkungen für Innentreppen besaßen, die Strebepfeiler überflüssig mach-
ten. Der Nordwestflügel besaß außerdem eine Innenwand, die die statische
Problematik völlig entschärfte. Es bleiben also nur drei Stellen in den beiden
Westflügeln, die nach der Systematik Strebepfeiler erfordert hätten und keine
besitzen. Von einer ästhetischen Regelmäßigkeit konnte im Innenhof schon
wegen des Badehauses kaum die Rede sein, und die statische Problematik
war gering, weil schon Mauerdicke und innere Wandvorlage zusammen eine
Widerlagertiefe von immerhin 2,60 m ergeben. Die Strebepfeiler an der
Außenseite des Baues waren also ebenfalls nicht statisch erforderlich, son-
dern visualisierten nur die Einwölbung.

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