Drittes Kapitel.
Aphorismen über die bildende Knust zur Zeit
des Lncian.
Ich habe bereits oben davon gesprochen, dass Lncian von der
Kunst seines Zeitalters nur äusserst selten spricht. Kein Künstler,
weder Bildhauer noch Maler, der über das vierte vorchristliche Jahr-
hundert hinausgeht, wird von ihm auch nur dem Namen nach genannt;
und wenn er im Allgemeinen von den ihm gleichzeitigen Künstlern
spricht, enthält er sich entweder jedes Lobes oder fügt irgend einen
ironischen Tadel hinzu. Wir sehen, als was für einen Menschen er
im „Traum" seinen Oheim, den Bildhauer, schildert; welch' ein
ungebildetes, rohes, schmutziges Weib die ebendaselbst redend einge-
führte Bildhauerkunst ist; das ganze Schriftchen lehrt deutlich, dass
die Bildhauerkunst und die Bildhauer selbst zu jener Zeit durchaus
keine Achtung mehr genossen. Das geht namentlich aus folgender
Stelle hervor, c. 9: sl %ai (Deidiag rj TIolvx.lsi,%og ykvoio jeal
tioXM &aviLU<jta Msgyäöato, tfjv ftav rk%VY]V KJtuvteg Inaivhöov-
tai, ovx söTt 8e oöTLg tcqv Idovtav. sl vovv £%oi, sv^atr av
ofimog Goi yzvktäai ' oiog yag äv yg, ßävavöog xal %£iQcovai,
xai ano%UQoßiaTog vofiißQ'^örj1). Aber nicht in dieser Gleichstellung
der Künstler mit den Handwerkern haben wir den Grund für die
Geringschätzung der Kunst zu suchen, denn die Griechen haben von jeher
zwischen Künstlern und Handwerkern keine scharfe Grenze gezogen2);
■■) Ad. Stahr im Torso I, 449 ff. spricht über diese Stelle Lueians mit einem
Crossen, recht überflüssigen Wortschwall und behauptet, Lncian habe das Alles im
ironischen Sinne gemeint. Stahr ist der Erste, der hier Ironie gefunden hat . und
wird hoffentlich auch der Einzige bleiben.
'1 "Vgl. Plat. Ale. II. p. 140 B: riKrovsg xcA gxvtot6/ioi v.al ävSQiavro-
noioi. ol ivfinavvsg da SrjutovQyoL Protag. p. 312 C. Vgl. C. F. Hermann.
Griech. Privatnlterth. S. 41 Arim. 9 f.; Götting. Stud. 1847 S. 44 ff.; Heb. d. Künste.
d. Rom. S. 71. wo er gegen Friedländer Ueb. d. Kunsts. d. Köm. S. 32 behauptet,
die Kömer hätten diesen Unterschied nicht unbeachtet gelassen; aber dass auch sie
den Ausdruck opifex und arttfex sehr oft ohne Unterschied gebrauchten, geht aus
-vielen Stellen hervor, z.B. CicOr. II, 5; De Deor. nat. II, 32, 81; Colum. d.r.r. I,
praef. 31 u. s.
Aphorismen über die bildende Knust zur Zeit
des Lncian.
Ich habe bereits oben davon gesprochen, dass Lncian von der
Kunst seines Zeitalters nur äusserst selten spricht. Kein Künstler,
weder Bildhauer noch Maler, der über das vierte vorchristliche Jahr-
hundert hinausgeht, wird von ihm auch nur dem Namen nach genannt;
und wenn er im Allgemeinen von den ihm gleichzeitigen Künstlern
spricht, enthält er sich entweder jedes Lobes oder fügt irgend einen
ironischen Tadel hinzu. Wir sehen, als was für einen Menschen er
im „Traum" seinen Oheim, den Bildhauer, schildert; welch' ein
ungebildetes, rohes, schmutziges Weib die ebendaselbst redend einge-
führte Bildhauerkunst ist; das ganze Schriftchen lehrt deutlich, dass
die Bildhauerkunst und die Bildhauer selbst zu jener Zeit durchaus
keine Achtung mehr genossen. Das geht namentlich aus folgender
Stelle hervor, c. 9: sl %ai (Deidiag rj TIolvx.lsi,%og ykvoio jeal
tioXM &aviLU<jta Msgyäöato, tfjv ftav rk%VY]V KJtuvteg Inaivhöov-
tai, ovx söTt 8e oöTLg tcqv Idovtav. sl vovv £%oi, sv^atr av
ofimog Goi yzvktäai ' oiog yag äv yg, ßävavöog xal %£iQcovai,
xai ano%UQoßiaTog vofiißQ'^örj1). Aber nicht in dieser Gleichstellung
der Künstler mit den Handwerkern haben wir den Grund für die
Geringschätzung der Kunst zu suchen, denn die Griechen haben von jeher
zwischen Künstlern und Handwerkern keine scharfe Grenze gezogen2);
■■) Ad. Stahr im Torso I, 449 ff. spricht über diese Stelle Lueians mit einem
Crossen, recht überflüssigen Wortschwall und behauptet, Lncian habe das Alles im
ironischen Sinne gemeint. Stahr ist der Erste, der hier Ironie gefunden hat . und
wird hoffentlich auch der Einzige bleiben.
'1 "Vgl. Plat. Ale. II. p. 140 B: riKrovsg xcA gxvtot6/ioi v.al ävSQiavro-
noioi. ol ivfinavvsg da SrjutovQyoL Protag. p. 312 C. Vgl. C. F. Hermann.
Griech. Privatnlterth. S. 41 Arim. 9 f.; Götting. Stud. 1847 S. 44 ff.; Heb. d. Künste.
d. Rom. S. 71. wo er gegen Friedländer Ueb. d. Kunsts. d. Köm. S. 32 behauptet,
die Kömer hätten diesen Unterschied nicht unbeachtet gelassen; aber dass auch sie
den Ausdruck opifex und arttfex sehr oft ohne Unterschied gebrauchten, geht aus
-vielen Stellen hervor, z.B. CicOr. II, 5; De Deor. nat. II, 32, 81; Colum. d.r.r. I,
praef. 31 u. s.