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Blum, Gerd
Hans von Marées: autobiographische Malerei zwischen Mythos und Moderne — München, Berlin, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.14541#0016

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Vorwort

sehr ausgeprägtes, in dieser Zuspitzung historisch neuartiges Interesse an kompo-
sitorischen F r agestell ungen.
Die vorliegende Arbeit kann darauf bauen, dass beide Forschungsrichtungen
wegweisende und zutreffende Beobachtungen und Analysen hervorgebracht ha-
ben. Sie werden im ersten Kapitel näher vorgestellt (I.I.—2.). In ihrem jeweils aus-
schließlichen Anspruch tendieren sie jedoch zu verkürzenden Interpretationen der
Werke und Intentionen des Künstlers. Dieses Buch berücksichtigt die Ergebnisse
beider Deutungsansätze, versucht jedoch deren Einseitigkeiten durch einen syn-
thetischen Ansatz zu überwinden. Es untersucht erstmals den Zusammenhang
zwischen der Ausbildung individuell gefundener, zunächst durchweg autobiogra-
phischer Bildthemen einerseits und der fortschreitenden formalen Stilisierung
bei Marees andererseits (I.3.). Die Frage nach dem Verhältnis von Semantik und
Syntax und insbesondere von privater Ikonographie und formaler Abstraktion be-
gründet dabei ein der Vielschichtigkeit der Gemälde angemesseneres methodisches
Vorgehen als die bisherige Konzentration entweder auf >Form< oder >Inhalt<. Sie
führt zu historisch adäquateren Ergebnissen: Zum einen greift sie eine für die In-
terpretation der Gemälde bisher nicht herangezogene These Conrad Fiedlers auf,
der ein problematisches Verhältnis von Bildgegenstand und Bildform bei Marees
attestiert hat (1.3.1.). Zum anderen berücksichtigt sie, dass Marees mit der gleich-
zeitigen Ausbildung einer antikischen Figürlichkeit und einer hochgradig formali-
sierten Bildkomposition in einem durchaus zeitgemäßen Problemfeld arbeitete.
Innerhalb dieses Problemfeldes werden die Ähnlichkeiten zu zeitgenössischen Wer-
ken - von Feuerbach und Burne-Jones, von Cezanne und Puvis de Chavannes —
differenzierter deutlich. Auch die Besonderheiten von Marees treten prägnanter
hervor als bei seiner Einschätzung als inhaltsindifferenter Wegbereiter der gegen-
standslosen Malerei. Marees war weder seiner Intention nach noch in seinen reali-
sierten Werken ein gegenständlicher Künstler wider Willen.
Nach dem Zerfall der traditionellen, auf Darstellungskonventionen beruhenden
Ikonographie wollte Marees das monumentale Figurenbild auf eine neue Grund-
lage stellen. Hier ergreift er ein zentrales Problem der Malerei seiner Zeit. Die fort-
schreitende Formalisierung und die zunehmende thematische Verallgemeinerung
seiner >Hesperidenbilder< erklären sich gleichermaßen, so eine These der vorlie-
genden Studie, aus dem Anliegen, Gemälde mit einer der klassischen istoria gleich-
rangigen Bedeutungstiefe zu schaffen, ohne — jedenfalls der eigenen Einschätzung
nach — auf die für obsolet erklärte >literarische< Bildrhetorik der Renaissance, des
Barock und des Historismus zurückzugreifen.
Französische Maler des >modernen Lebens< wie Manet, Degas und Seurat erneu-
erten die klassische Historie durch die monumentale Behandlung zeitgenössischer
Sujets. Marees hingegen wollte zu den antiken Ursprüngen der europäischen Kul-
tur zurückkehren. Letztlich erweisen sich die bildnerische Formulierung einer
selbst gewählten Ikonographie und die forcierte formale Stilisierung in den >Hespe-
ridenbildern« als zwei Seiten ein und derselben Medaille: des Anliegens, individuell
verbürgte und damit >moderne< und zugleich allgemein verbindliche und damit
>klassische< Bildwelten zu schaffen. Dies gilt ähnlich für die späten Figurenbilder

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