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Blum, Gerd
Hans von Marées: autobiographische Malerei zwischen Mythos und Moderne — München, Berlin, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.14541#0091

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11.2. Die Herausbildung einer eigenständigen Bildsprache

Hier deutet sich eine weitere Eigentümlichkeit der späteren »Hesperidenbilder* an:
Die Überführung der empirischen Szenerie eines Orangengartens in ein »irdisches
Paradies* als Evokation des »Goldenen Zeitalters*.170 Mit der Transformation des
autobiographisch gefärbten Sujets von Orangenpflückender Reiter und nackte
Frau in das Thema der »Lebensalter* und des »Goldenen Zeitalters* beabsichtigte
Marees im Orangenhain eine Verallgemeinerung seiner eigenen Erfahrungen zu
überhistorischer Gültigkeit.179 180 Für dieses Anliegen spricht, dass Marees in der
Gegenüberstellung eines sitzenden Frauenpaares links und eines grabenden Man-
nes rechts auf ein traditionelles ikonographisches Schema anspielt. Es zeigt Adam
und Eva nach der Vertreibung aus dem Paradies und kontrastiert eine sitzende
Eva mit einem den Acker umgrabenden Adam.181 Marees verweist auf das »arche-
typische* Paar, um die überzeitliche Geltung seiner Gegenüberstellung von weib-
licher Passivität und männlicher Aktivität zu unterstreichen.182 183
Er nimmt die Antithese einer sitzenden, passiven »Eva* und eines nun jüngeren,
grabenden »Adam* in dem späteren Gemälde Grabender Mann und sitzende
Fraum auf, das »gegen 1877«184 entstanden sein könnte und auf das Lob der Be-
scheidenheit1'"'’ (Abb. 46 und 47), eines der »klassischen* Gemälde aus der Serie
der »Hesperidenbilder*, vorausweist.186

179 Siehe in der vorliegenden Arbeit V.4.2. Die Bedeutung des Orangenhaines für die späteren
»Hesperidenbilder- hebt Gerlach-Laxner 1980. S. 133, hervor: »Wie kein anderes der Neap-
ler Bilder ist dieses Fresko Ausgangspunkt für sein weiteres bildnerisches Denken und Schaf-
fen. In dem Fresko mit dem orangenpflückenden Mann kündigt sich inhaltlich wie formal der
für Marees so bedeutende Bildkomplex von »Lebensalter- und »Goldenem Zeitalter- an.«
180 Siehe in der vorliegenden Arbeit V.4.
181 Ein klassisches Beispiel, das Marees bei seinen belegten Bologna-Aufenthalten gesehen haben
könnte: Jacopo della Quercia, Adam und Eva nach der Vertreibung aus dem Paradies, Relief,
Bologna, San Petronio. Die Aktualität des Themas im Klassizismus bezeugt: Johann Anton
Ramboux, Adam und Eva nach der Vertreibung aus dem Paradies, bezeichnet und datiert
1818, Köln. Wallraf-Richartz-Museum (Abb. von Einem 1978, T. 134). Zur älteren Tradition
des ikonographischen Darstellungsschemas: Settis 1982, S. 132ff. Nach Lenz 1987b, S. 62,
hat der grabende Alte eine Figur aus Michelangelos Trunkenheit Noahs zum Vorbild.
J82 Ikonographisch kohärent verfährt Marees dabei nicht, weil er die Themen »Goldenes Zeit-
alter* und »Adam und Eva nach dem Sündenfall*, das die Vertreibung aus dem Paradies im-
pliziert, verbindet.
183 MG 354, GL 140, 48 x 38 cm. Privatbesitz Thalwil bei Zürich. Siehe in der vorliegenden
Arbeit VJI.L I.
184 Meier-Graefe 1909-1910. Bd. II, S. 276.
185 Siehe in der vorliegenden Arbeit IV.3.2.2.
186 Die Kontrastierung einer »passiven-, sitzenden Frauengestalt zu einer »aktiven-, stehenden
männlichen Figur zeigt wie erwähnt auch das zu Beginn der achtziger Jahre entstandene »Hes-
peridenbild- Pferdeführer und Nymphe.

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