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Blum, Gerd
Hans von Marées: autobiographische Malerei zwischen Mythos und Moderne — München, Berlin, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.14541#0185

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IV.5. Fazit und Ausblick

Die Figurengruppierungen der »Hesperidenbilder« und ihrer Vorzeichnungen
sind keineswegs inhaltlich indifferenter »Vorwand« für eine vom Bildgegenstand
autonome formale Komposition. Bis in das Jahr 1878, in dem die Lebensalter ent-
stehen, beziehen sie sich fast ausschließlich auf die Auseinandersetzungen und den
Bruch mit Adolf Hildebrand und Irene Koppel. In dieser Zeit sind diese Vorgänge
noch explizites Bildthema, indem die Protagonisten der Bilder teils porträthafte
Züge tragen. Wie ebenfalls gezeigt wurde, lassen sich auch alle späteren »Hesperi-
denbilder«, deren autobiographische Ursprünge nicht mehr ersichtlich sind, auf
Zeichnungen zurückführen, die sich mit dem Zerwürfnis beschäftigen: Die »klassi-
schem Gemälde von Marees bearbeiten weiterhin die Trennung von Irene Koppel
und insbesondere von Hildebrand, entstehen aber gleichzeitig aus der Ausein-
andersetzung des Künstlers mit seiner neuen Lebenssituation in Rom.
Für die Verbildlichung individueller »Erfahrungen und [...] Gesinnungen«139 in
den »Hesperidenbildern« wählt der Künstler ein Verfahren, das er schon in den
frühen »giorgionesken Bekenntnissen« und insbesondere in den Zeichnungen der
Jahre 1874/75 entwickelt hatte: Er übersetzt eigene »Lebenshaltungen« und solche,
die er seinen Freunden ansinnt, in Haltungen und Gebärden von Akten. Ebenso
verbildlicht er freundschaftliche und erotische Beziehungen, in denen er sich
selbst befindet und in denen er die Personen seines privaten und künstlerischen
Umfeldes wahrnimmt, in Konstellationen von antikischen Figuren. In diesem
künstlerischen Verfahren liegt der Ansatz zu einer Verallgemeinerung des Indivi-
duellen, auf die der Maler, wie im folgenden Kapitel zu zeigen sein wird, in seinen
»Hesperidenbildern« abzielt. Dabei greift er nun in geringerem Maße auf Vorbilder
der Kunstgeschichte zurück. Zunehmend bezieht er sich jedoch auf eigene, frühere
Bildfindungen. Das »eigene Genre«140 der »Hesperidenbilder« entsteht im Span-
nungsfeld zwischen sehr persönlichen Themen und dem seit 1879/80 - den Jahren

they find their fulfillment in their mere existence«. Eine enge Verbindung zwischen Ovids
Beschreibung des Goldenen Zeitalters (Met.. I, 89-112) und dem Gemälde von Marees zieht
schon Meier-Graefe 1909-1910, Bd. I, S. 370.
135 So lautet nach Meier-Graefe 1909—1910, Bd. II, S. 346, der Titel des Gemäldes im Inventar
des Nachlasses.
136 Sie zeichnet sich zunächst in MG 453 ab. Vollzogen wird sie erst in den beiden spätesten der
erhaltenen Vorzeichnungen (MG 455 und 455A, Abb. 66 und 67). Für Kuhn 1987, S. 77f., ist
der Ausgangs- und Schwerpunkt der Bildfindung: »die Gruppe eines Mannes, sitzend, und ei-
nes Jungen, meist stehend, in körperlicher Nähe: dem Alter nach sind es mal Vater und Sohn
(MG 451A, 449, vielleicht auch MG 451.453A), meist und andauernd aber Greis und Enkel;
dann war Marees auf dem Weg zu einer Darstellung verschiedener Lebensalter.«
137 Auch im Fall des ebenfalls für eine monumentale öffentliche Präsentation konzipierten Hes-
peridentriptychons bindet Marees die Greisengestalt, deren autobiographische Konnota-
tionen in einer schon erwähnten Vorzeichnung zum rechten Seitenflügel (MG 404, München,
Staatliche Graphische Sammlung) noch deutlich zu erkennen sind, in eine Darstellung der
»Lebensalter« ein. für die sie ursprünglich nicht konzipiert war.
138 Hegel 1955, Bd. I, S. 581.
139 An Fiedler, 3. Juli 1873; Meier-Graefe 1909-1910, Bd. III, S. 72.
140 Speidel 1891, S. 381.

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