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Blum, Gerd
Hans von Marées: autobiographische Malerei zwischen Mythos und Moderne — München, Berlin, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.14541#0191

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V.2. Der Anspruch auf allgemeine Verständlichkeit und Bedeutsamkeit

Der Künstler habe zu »lernen [...]. den allen verständlichen Ausdruck zu
finden. Die leichte Zugänglichkeit bleibt immer eine der schönsten Eigenschaften
des Kunstwerkes«.20
Die Tatsache, dass Marees schon bald nach dem Ende der Arbeit an den Lebens-
altern eine Auswahl seiner >Hesperidenbilder< einem größeren Publikum präsen-
tieren wollte, zeigt, dass er diesen schon früh geäußerten Anspruch in seiner Male-
rei seit 1880 verwirklicht sah.
V.2.1. Das >sich selbst aussprechende< Bild
Es ist ein Symptom des bereits angesprochenen fortgeschrittenen Verfalls der klassi-
schen Ikonographie als einer konventionalisierten und daher intersubjektiv ver-
ständlichen Bildsprache,21 dass Marees in seinen ersten >Hesperidenbildern< kaum
mehr auf ihren thematischen Fundus zurückgreift, der auf bekannte Texte aus
Mythos, Religion und Literatur verweist.22 Auch bezieht er sich nicht auf den Lek-
türehorizont eines bildungsbürgerlichen Publikums: Im Unterschied zur ersten
Generation der >Deutsch-Römer< um die Jahrhundertwende wie Carstens und Koch
und zur repräsentativen Malerei seiner vom Publikum geschätzteren Zeitgenossen
bezieht er sieh nur selten auf Stoffe aus der Weltliteratur oder aus der Vita von Pro-
tagonisten der Geistesgeschichte. Diese waren zwar in der klassischen Ikonographie
häufig nicht vorgegeben, aber bekanntes Bildungsgut. Marees konzipiert die >Hes-
peridenbilder< — bei allen Rückgriffen auf Kunstwerke der Vergangenheit — auch
nicht mehr als Varianten berühmter, wiederum idealiter >allgemein< bekannter Vor-
bilder der Kunstgeschichte. Ihre Kenntnis war für das Verständnis von früheren
Gemälden wie der Römischen Landschaft I noch entscheidend gewesen.

bei Marees in Klammern gesetzt. Hervorhebungen von G.B.]. Vgl. Brief an Fiedler, 25. No-
vember 1882, Meier-Graefe 1909-1910, Bd. III, S. 245: »Gelingt es aber den innersten Kern
rein und unverdorben herauszuschälen und anderen zur Anschauung zu bringen, so ist meiner
Ansicht nach etwas getan«. Das Anliegen, zu Darstellungen von »allgemein verständlicher Art«
zu gelangen, hat Marees auch in einem Brief an Fiedler vom 14. Juni 1879 zum Ausdruck ge-
bracht. Vgl. auch den Brief vom 3. Juli 1883 an Fiedler. Schon Fiedler hat das Bestreben von
Marees, sich an die »Allgemeinheit« zu wenden, als ein zentrales Movens seiner künstlerischen
Arbeit benannt. Vgl. Fiedler ]991 (1889). Bd. I, S. 455f.: »[...] immer und immer wieder wies
er daraufhin, daß man auf eigenen Füßen stehen und der Allgemeinheit angehören müsse, um
etwas zu sein«. Siehe auch einen der wenigen erhaltenen Briefe von Fiedler an Marees (30. De-
zember 1881. Meier-Graefe 1909-1910, Bd. III, S. 227): »Ihnen kann nur die Allgemeinheit
geben, was jeder wirkende Mensch bedarf und was ein Einzelner zu geben äusser Stande ist«.
Anne S. Domm hat Marees’ »Forderung nach der Allgemeinverständlichkeit von Kunstwer-
ken« hervorgehoben (Domm 1989, S. 35 u. passim) und mit dem »Allgemeinheitsgrad seiner
Bildthemen« (ebd.) in Verbindung gebracht.
21 Siehe in der vorliegenden Arbeit IV.2.
22 Allerdings ist das Thema des >Sündenfalls< der Ausgangspunkt einer Reihe von >Hesperiden-
bildern<, nicht zuletzt, weil es sich bei dem ikonographischen Schema >Frau reicht Mann einen
Apfeb um eine szenische Konstellation handelt, deren sinnbildlicher Charakter auch ohne iko-
nographisches Vorwissen zu erschließen wäre.

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