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Blum, Gerd
Hans von Marées: autobiographische Malerei zwischen Mythos und Moderne — München, Berlin, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.14541#0233

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VI.3. Die »Lebensalter*

düng vorzustellen, die das Figurenrepertoire des gesamten Triptychons und die
formale Komposition seiner Mitteltafel antizipiert: die schon mehrfach erwähnten,
1878 fertiggestellten Lebensalter.
VI.3. Die >Lebensalter<
Marees hat die Lebensalter (Abb. 78) seinem Freund und Mäzen Conrad Fiedler
»zum Hochzeitsangebinde bestimmt«43. Innerhalb der Werkentwicklung nimmt
dieses erste für eine — wenn auch begrenzte — Öffentlichkeit in Fiedlers Salon be-
stimmte Gemälde (V.l.) eine wichtige Stellung ein. Seine Ursprünge in den autobio-
graphischen >Sündenfall-Zeichnungen< wurden schon erörtert (IV.3.2.1.2.).
Die Lebensalter zeigen erstmals jenes hohe Maß an körpersprachlicher Typisie-
rung und formaler Stilisierung der Figuren, die alle >Hesperidenbilder< kennzeich-
nen wird. Erstmals erarbeitet Marees hier, wie zu zeigen sein wird, eine ganzheit-
liche Komposition des Bildfeldes, die sowohl die Fresken in Neapel als auch die
Drei Männer noch nicht aufweisen. Marees sollte eine solche schlüssige Organi-
sation der gesamten Bildfläche später theoretisch fordern.44 Auch motivisch sind
die Lebensalter für die folgenden »Hesperidenbilder* wegweisend: Als erstes der
seit den Neapler Fresken entstandenen Gemälde situiert es seine Figuren unter
Orangenbäumen. Auch nimmt Marees hier die Verschmelzung der Sujets der
»Lebensalter< und des »Goldenen Zeitalters*, die den Orangenhain (Abb. 18, 19)
der Stazione Zoologica kennzeichnet, erstmals in einem Gemälde wieder auf. Die
nun folgende Untersuchung des Zusammenhanges zwischen Bildgegenstand und
Formalisierung in den Lebensaltern soll zeigen, wie durch die formale Typisierung
und Stilisierung körpersprachlich ausdrucksvoller Figuren die autobiographische
Thematik der Tafel in eine intersubjektiv verständliche, »sich selbst aussprechen-
menschlicher Themen: Der Mann und die Frau, die Freundschaft, die Werbung usf. Er
wiederholte die Figuren antiker Heroen, wandelte sie zu Figuren modern beseelten und gefühl-
ten Daseins. Er nahm ihnen damit ihren Namen, nahm ihnen ihre Geschichte: Orest und Pyla-
des, Helden in der Geschichte der Familie des Agamemnon und der Iphigenie und deren
Schutzgöttin Artemis, wurden zu namenlosen jungen Männern, Bräutigam und werbendem
Freund, einem Freundespaar«. — »Doch es bleibt zu fragen: ob Marees die Heroen vielleicht als
Typen seelischer Situationen, welche in ihre Geschichten durch die Alten nur historisierend
gebunden seien, verstand und meinte, daß sie über die Variabilität antiker Überlieferung weit
hinaus deshalb für ein modernes Bewußtsein frei verfügbar seien?« (Ebd., S. 86.)
42 Auf dem Gemälde des Nationalmuseums sind die Stand- und Spielbeine der beiden Freunde je-
weils in spiegelbildlicher Schrägneigung aufeinander bezogen. Darüber hinaus bezieht sich das
Standbein des Orestes symmetrisch auf das Spielbein des Pylades. Ähnlich komplexe anschau-
liche Korrespondenzen zwischen den Beinstellungen der Helden zeigt auch das in situ verblie-
bene Fresko. Hier erscheinen zudem die einander zugewandten Außenkonturen der beiden
Figuren spiegelbildlich aufeinander bezogen — ähnlich wie die entsprechenden Konturen der
beiden rechten Figuren der Drei Männer.
43 An Fiedler, 3. Juli 1880: Meier-Graefe 1909-1910, Bd. 111, S. 213.
44 Siehe in der vorliegenden Arbeit VI.3.3.

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