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Blum, Gerd
Hans von Marées: autobiographische Malerei zwischen Mythos und Moderne — München, Berlin, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.14541#0234

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VI. Autobiographie und Abstraktion

de< Bildlichkeit übertragen wird. Damit exponieren die Lebensalter eine Aussage,
die Marees für allgemein gültig hielt.

VI.3.1. Die szenische und formale Aufteilung des Bildfeldes
Die Lebensalter besitzen keine >Einheit der Handlung<, denn die Figuren sind in
keinen übergreifenden Handlungszusammenhang integriert. Die Bildtafel weist
vielmehr eine latente Teilung in drei szenische Bereiche auf.1'’ Die untere Bildzone
zeigt zwei Kinder und einen Greis, der sich darum bemüht, eine Orange zu ergrei-
fen. Diese untere Gruppe ist einem halbkreisförmigen Segment einbeschrieben, das
sich durch die formale Verbindung der Rückenkontur des Alten mit derjenigen des
mittleren Knaben ergibt. Es bildet gewissermaßen den Sockel, über dem die ste-
henden Gestalten des oberen Bildbereichs aufragen. Der Stamm, der die Mittel-
senkrechte des Bildes angibt, teilt dieses obere Feld in zwei hochrechteckige
Binnenfelder. Auf der rechten Seite pflückt ein stehender Mann mit großer Auf-
merksamkeit eine Orange. Auf der anderen Seite ist ein Paar dargestellt: Ein jün-
gerer Mann in versunkener Haltung steht vor einer weiblichen Gestalt, die ihm
eine Frucht darzubieten scheint. Die einzelnen Handlungskontexte sind unverbun-
den. Im Gegensatz zu einigen vorbereitenden Zeichnungen16 sind sie nicht durch
Blickbezüge miteinander verknüpft.4. Seiner szenischen Aufteilung entsprechend,
ist das Bild auch formal klar in drei Binnenfelder aufgeteilt:45 46 47 48 Der obere Bereich
wird durch den Stamm in zwei hochrechteckige Flächenkompartimente gleichen
Formates unterteilt, die durch den halbkreisförmigen Abschluss des unteren
>Sockelsegmentes< von diesem dritten Teilfeld abgesetzt werden. Die Autonomie
der drei Szenen und der ihnen zugeordneten Bildbereiche wird dadurch verstärkt,
dass das Gesamtbild keinen einheitlichen Raumaufbau zeigt. Die drei Teilfelder
sind durch eine jeweils unterschiedliche Ansichtigkeit gekennzeichnet.49
45 Diese Aufteilung ist mit ausschließlich formalen Argumenten schon von Schürer 1934,
S. 175 ff., festgestellt worden.
46 Vgl. etwa MG 261 und MG 271 (München, Staatliche Graphische Sammlung).
47 Angedeutet ist allenfalls, dass der jüngere Mann auf die untere Gruppe hinabblickt.
48 Börsch-Supans Feststellung: »Die Glieder der einzelnen Körper verhalten sich zu ihrer Ganz-
heit wie die Gestalten zur Gruppe« (Börsch-Supan 1968, S. 2) zitiert einen Topos der klassi-
schen Kunsttheorie, den der Augenschein hier nicht bestätigt. Er wird der durchaus modernen
Bildlichkeit des Gemäldes ebenso wenig gerecht wie die Beschreibung Lankheits, die sich olfen-
kundig auf Begriffe Theodor Hetzers bezieht, die dieser Autor an der klassischen italienischen
Malerei seit Giotto entwickelt hatte (vgl. Lankheit 1952a, S. 12). Dabei hatte schon Meier-
Graefe geäußert, dass die Gestalten »jede über das Motiv (sc. das Thema der > Lebens alter <)
hinausgehende Beziehung untereinander« verloren hätten (Meier-Graefe 1909 — 1910, Bd. I,
S. 357). Später hat von Einem zurecht betont, dass von einer »Bildfigur« im Sinne Hetzers,
»die alles einzelne bindet«, nicht die Rede sein könne, wohl aber von einem »zusammenhanglo-
sen Nebeneinander« der Figuren (von Einem 1967, S. 15). Von der Tatsache, dass es einen
»organischen Zusammenhang der Gruppe nicht gibt« (Lenz 1987a, S. 10), nimmt die vorliegen-
de Analyse ihren Ausgang. In diesem Punkt ebenfalls kunsthistorischer Topik verpflichtet:
Decker 1967,S. 149.

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