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Bulletin du Musée National de Varsovie — 19.1978

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Nr. 3
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Unverfehrt, Gerd; Muzeum Narodowe w Warszawie [Mitarb.]: Zwei Gemälde der Bosch-Nachfolge aus dem Muzeum Narodowe zu Warschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.18863#0079
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16. Christus im Limbus, 1972 im Kunsthandel Vogel, Luzern

formal ahnlichen Motiven, die in gleichartigem kompositionellen Kontext stehen: Links das
diagonal in die Bildtiefe geriickte, von reich verzierten Rundtiirmen flankierte Hóllentor;
im mittleren Hintergrund der von einer groflen Rundform gekronte Turm; rechts das identisch
angelegte Hollenmaul mit begleitendem Baum. Eben diese Motive begegnen an gleicher Stelle
.auch auf der Hamburger Tafel, die wie das Luzerner Bild ąuerformatig angelegt ist. Der nahe-
liegende SchluB, die Hamburger Tafel von dem Luzerner Gemalde herzuleiten, verbietet sich
jedoch aus motivischen Griinden. Denn sowohl auf den Gemalden aus Warschau und Detroit
wie auch auf der Hamburger Tafel lassen sich ubereinstimmende Motive nachweisen, die auf
•der Luzerner Fassung fehlen — wie der Gehenkte und die Pfanne im unteren rechten Eck,
in der Menschenglieder gerostet werden.

Der genetische Zusammenhang innerhalb der Bildgruppe ist daher erneut zu iiberdenken.
Za bemerken ist, daB die Fassungen aus Detroit und Warschau altertumlicher wirken, und
zwar zum einen durch das an Arbeiten der friihen Boschnachfolge erinnernde Komponieren
mit unverbundenen, friesartig angeordneten Damonen, zum anderen durch das Bildformat.
Eine Anderung der kompositionellen Struktur vom Hoch - zum Breitformat und damit die
Anpassung an die „modernę" Kompositionsweise ist in der Boschnachfolge um und nach 1550
vielfach zu beobachten.45 Eine Umkehrung dieses Vorganges ist mir nicht bekannt.

SchlieBt man die unwahrscheinliehe Annahme aus, daB die Maler aus Detroit und Warschau
ŁewuBt archaisierende Kompositionen schufen, so miissen dereń Gemalde ais die friihesten
bekannten Glieder der Bildgruppe angesehen werden. Die Hamburger Tafel ist von Komposi-
tionen diesen Typs abhangig, ebenso das Luzerner Bild, das den genannten Versionen ferner
steht und womiiglich einen zweiten Uberlieferungsstrang vertritt. Eine weitere Entwirrung
der entstehungsgeschichtlichen Zusammenhange bliebe spekulativ, zumal das Werk der ver-
suchsweise namhaft gemachten Maler — Herri met de Bies, Jan Mandyn, Gillis Mostaert,
Jacob Swanenburgh — wenig scharf umrissen ist. Stilkritischer Argumentation, die auch auf
genauere Datierung zieleń miiBte, ist kaum eine brauchbare Handhabe gegeben, sieht man
ab von den genannten Entwicklungstendenzen, die das Bild der spateren Boschnachfolge mitbe-
stimmen.

45. Besonders markant ist die ehem. in det Slg. Weinbcrger bcfindliche querformatige Kopie naeli der Wiener Krcuztragung
Boschs (vgl. W. Ephron, Hieronymus Bosch, xwei Kreuztragungen. Eine 'Planmiijlige Wesensuntersuchung', Wien, 1931.
Ephron stellt die Abhangigkeit9verhaltniss« allerdings falsch dar).

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