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Bulletin du Musée National de Varsovie — 29.1988

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Nr. 2-3
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Grochala, Anna: Allegorischer Porträtstich Sigismunds III. Wasa von Aegidius Sadeler
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https://doi.org/10.11588/diglit.18904#0073
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Kupferstecher der Zeit und befaBte sich auch mit der Malerei4. tjber das Schaffen und die Tatig-
keit des Verlegers Tobias Bidenbarter, eines Anfang des 17. Jh. tatigen deutschen Kupferstechers,
ist nichts weiter bekannt, ais daB er drei Kaiserportrats und eine Diirer-Kopie angefertigt hat5.

Auf unserem Sticb befindet sich das ovale Bildnis Sigismunds III. mit der Inschrift
SIGISMVNDVS III. [lertius] D[ei]: G.[ratia] REX POL[oniae]: M[agnus]: D VX • LIT[huaniae]:
RVSS[iae]: PRVS[siae]: MAS[oviae]: SAMO[gitiae]: LIVO[niae]: NEC NON SVECOR[um]:
GOT[thorum]: VAD[alorum]: HAEREDITARIVS REK. in architektonischer Umrahmung.
Sie besteht aus einem Sockel mit vorspringenden Seitenpartien, zwischen denen zwei Putten
sitzen, die ein Spruchband und eine Tafel halten. Die vorspringenden Sockelpartien sind mit
Fulmngen verziert. Auf der linken hat der Stecher Feldarbeiten dargestellt — das Pfliigen, das
Saen und die Ernte. Auf der rechten hingegen hat er den Neptun gezeigt. Das Bildnis flankieren
zwei vor Pilastern stehende Frauengestalten mit Attributen. Das Ganze ist mit einem unter-
gebrochenen Giebel bekrónt, in dem sich eine geffiigelte Gestalt befindet.

Will man den Inhalt dieses Stichs analysie^en, muB man von der Basis der gesamten Kon-
struktion ausgehen, auf die sich das kónigliche Bildnis und die es begleitenden Gestalten stiit-
zen. Zunachst fassen wir die beiden Fiillungen ins Auge — die rechte mit dem Neptun, dem Gott
des Meeres, und die linkę, auf der man die Ceres, die Gbttin der Landwirtschaft, insbesondere
des Ackerbaus, erkennen kann. Die Ceres bewachf e das Wachstum des Getreides von der Aussaat
bis zur Ernte, was auch auf dem Stich dargestellt ist, und galt daher in der Mythologie ais die
Kornmutter. Sie war auch die Huterin der Familie sowie der guten Sitten und Bechte und
allerlei zivilisatorischer Errungenschaften. Ihr unterlag auch jede Tatigkcit des Menschen, die
auf materielle und moralische Besserung abzielte". Die von den Putten zwischen den vorspriu-
genden Sockelpartien gehaltenen Inschriften erganzen den Inhalt der Bilder. Der Satiz auf dem
Spruchband lautet: RVMPVNT HORREA MESSES (Die Speicher sind zum Bersten voll)
und stammt aus den Georgica von Vergil'. Das zweite Zitat: Nova gloria | complet | Terrasq[ue]
tractusą [ue] maris (Neuer Ruhm erfiillt Land und Meer) ist wahrscheinlich eine Travestie eines
Satzes aus der 4. Ekloge Vergils8. Diesen Inhalt erganzen vier Worte, die unten auf den Sockeln
eingraviert sind: CRESCIT GEMINATIS GLORIA CVRIS (etwa: Der Ruhm wachst, weil
die Miihe verdoppelt wurde).

Der uutere Teil gibt un.s also Auskunft dariiber, daB man im Lande eine glanzende Getreideernte
habe — sie sei so gut, daB die Speicher bersten. Das Getreide wird auf dem Seeweg in zahlreiche
Lander gebracht. Dadurch wachsen der Reichtum und der Wohlstand, den die Fiillhorner
symbolisieren. Dadurch wachst auch der Ruhm Polens und der seines Konigs, der sich besonders
dafiir einsetzt. Diesc Auslegung ist historisch belegt. Zu jener Zeit, d.h. um das .Tahr 1600, lebte
der Adelsstaat Polen tatsachlich in crheblichem Wohlstand. Es herrschte eine riesige Nachfrage

4. G. K. Nagler, Neues allgemeines Kiinsller-Lexikon oder Nachrichlen von dem Leben und den Werken der Maler, Bildhauer.
Baumeister, Kupferstecher, Lithographen, Formschneider, Zeichner, Medailleure, Elfenbeiarbeiler etc, XIV, Miinchen, 18-15,
S. 153ff, unser Stich Pos. 13; A. Wurzbach, Niederldndisches Kiinsller-Lexikon auf Grani archivalischer Forschungen, II
Wien und Leipzig, 1910, S. 534£f, Pos. 158; U. Thicme, F. Becker, AUgemeines Lexikon der Biidenden KUmtler von der
Antike bis sur Gegenwarl, XXIX, Leipzig, 1935, S. 299; E. Benćzit. Dictionnaire critiquc et doeumentaire des pcinlres, sculp-
teurs, dessinateurs et graveurs, VII, Paris, 1966, S. 461.

5. Nagler, op. cii., Miinchen, 1835, I, S. 439; Thieme-Becker, op. cit., IV, Leipzig, 1910, S. 3.

6. [V. Cartari], Vincenlii Chartari Rliegiensis, Imagincs Deorum, Qui ab Anliąuis colebanlur, una cum carum declaratione et
Historia in qua Simulacra, Ritus, Caercmoniae magnaąue ex parte Velerum Reeigio explicatur..., Moguiltiae, 1688, iiber
Ceres s. S. 99ff, iiber Neptun s. S. 106, Abb. 36.

7. Vergii, Georgica I, 49 in: Publio Virgilio Maronc, Tutle le operę, Fircnze, 1966, S. 114: ruperunl horrea messes.

8. Vergil, 4. Ekloge, 51, in.: Publio Virgilio Marone, op. cii., S. 68:
Aspice convexo nutantam pondere mundi \

terrasque traclusąue maris caelumoue profunda.

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